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EU-Lieferkettengesetz
Unternehmen sollen künftig mehr Verantwortung übernehmen

Künftig sollen auch kleine und mittelständische Unternehmen stärker in die Pflicht genommen werden, wenn es um menschenwürdige Arbeitsbedingungen und Umweltzerstörung geht. Das sieht das neue EU-Lieferkettengesetz vor. Die Reaktionen auf den Gesetzesvorschlag fallen entsprechend unterschiedlich aus.

Von Sandra Pfister |
Arbeiterinnen in einer Fabrik der Firma TCL in der vietnamesischen Provinz Dong Nai.
Arbeiterinnen in einer Fabrik in der vietnamesischen Provinz Dong Nai. (Imago / Xinhua)
Für Profite größerer Firmen, die in der EU aktiv sind, sollen keine Menschen mehr unter unwürdigen Bedingungen arbeiten müssen und Umweltzerstörung soll vermieden werden. Die EU-Kommission hat einen entsprechenden Gesetzesvorschlag präsentiert.
Welche Unternehmen fallen unter das EU-Lieferkettengesetz?
Was unterscheidet das EU-Lieferkettengesetz vom deutschen Gesetz?
Wie sehen die Reaktionen aus?
Wird das Gesetz der EU wirtschaftliche Nachteile bringen?

Welche Unternehmen fallen unter das EU-Lieferkettengesetz?

Die EU hatte die Vorstellung ihres Lieferkettengesetzes zweimal verschoben, weil viele Unternehmen damit Bauschmerzen hatten. Die EU will das Gesetz auch auf kleine und mittlere Unternehmen ausweiten. Es geht etwa darum, ob ein Handy-Akku Kobalt enthält, das womöglich ein Kind geschürft hat. Kommt der Vorschlag der EU-Kommission so durch, müssen deutsche Unternehmen dann in solchen Fällen einschreiten. Das betrifft Mittelständler ab 250 Mitarbeitern aus Bereichen mit "schmutzigen" Lieferketten wie der Textilindustrie oder dem Rohstoffsektor.
Bei Firmen, die nicht in kritischen Branchen tätig sind, soll das Gesetz ab 500 Mitarbeitern aufwärts gelten. Das ist ein erster großer Unterschied zu dem deutschen Lieferkettengesetz, das in zehn Monaten gelten wird.

Was unterscheidet das EU-Gesetz vom deutschen Gesetz?

In Deutschland sind kleine Firmen und Teile des Mittelstands außen vor, denn das deutsche Gesetz gilt erst für Unternehmen ab 3.000 Mitarbeitern, ab dem zweiten Jahr nach Inkrafttreten dann für Firmen ab 1.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.
Deutsche Unternehmen sind zudem nur für ihre direkten Zulieferer zuständig, nicht für die Zulieferer, die denen zuliefern - es sei denn, ein Unternehmen wird mit der Nase darauf gestoßen. Das wird nach EU-Recht anders, dann müssen auch deutsche Unternehmen alle Zulieferer im Blick haben. Denn EU-Recht muss in deutsches Recht übersetzt werden. Das bedeutet einen beträchtlichen Mehraufwand, denn an der Produktion etwa eines Hemdes können bis zu 140 Zulieferer von Rohstoffen beteiligt sein.
Kriegen Firmen die sozialen und Umweltstandards ihrer Zulieferer nicht in den Griff, werden sie außerdem zivilrechtlich haftbar. Das bedeutet, dass etwa eine Textilarbeiterin in Vietnam, die mit verbotenen Chemikalien arbeitet, ein deutsches Unternehmen verklagen könnte. Im deutschen Gesetz ist hingegen nur geplant, dass deutsche Gerichte Bußgelder verhängen dürfen.

Wie sehen die Reaktionen aus?

Es gibt sowohl Lob als auch Kritik. Der Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHK) warnt vor einer Überlastung deutscher Unternehmen. Das Bündnis "Initiative Lieferkettengesetz", in dem etwa Gewerkschaften und Umweltverbände vertreten sind, begrüßt den Entwurf hingegen und spricht von einem Grundstein für weniger Ausbeutung und Umweltzerstörung. Der Initiative geht der Entwurf jedoch nicht weit genug. Menschenrechtsorganisationen warnen zudem vor Schlupflöchern. Auch im EU-Parlament gibt es Stimmen, die sagen, es seien so viele kleine und mittlere Unternehmen befreit, dass 99 Prozent aller Unternehmen in der EU so weitermachen könnten wie bisher.
Auch in der Politik gehen die Meinungen auseinander. Politkerinnen der Grünen begrüßen das Vorhaben, etwa die Bundestagsabgeordnete Renate Künast. Unionspolitikern geht es zu weit. So befürchtet der CSU-Politiker Markus Ferber, dass die entstehenden Lücken durch chinesische Konkurrenz genutzt würden.

Wird das Gesetz der EU wirtschaftliche Nachteile bringen?

Die Europäische Union will auch größere Firmen aus Drittstaaten in die Pflicht nehmen, die am europäischen Binnenmarkt tätig sind. Man geht von etwa 4.000 außereuropäischen Firmen aus. Im Vergleich: 13.000 europäische Unternehmen müssten dann ihre Lieferketten checken.

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