Die App TikTok Lite beinhaltet ein Belohnungsprogramm - fürs Interagieren mit Videos sammeln User Münzen, die sie über Gutscheine in Geld umwandeln können. Die Europäische Kommission sah in diesem Belohnungsprogramm eine potenzielle Suchtgefahr für Jugendliche und einen Verstoß gegen EU-Regularien.
Sie gab dem TikTok-Konzern deshalb 24 Stunden Zeit, um eine Risikoeinschätzung nachzureichen, sonst hätten hohe Strafzahlungen von bis zu 6 Prozent des weltweiten Jahresumsatzes gedroht. Und das Unternehmen leistete Folge.
Bruch mit nationaler und dezentraler Medienordnung
Dieses Beispiel zeigt, wie mächtig die Kommission mittlerweile medienpolitisch agiert. Früher war die Aufsicht von Online-Medien Aufgabe der einzelnen Mitgliedsstaaten - doch das habe sich mit Beginn der Amtszeit von Ursula von der Leyen als Kommissionspräsidentin im Jahr 2021 geändert, so Eric Bonse, der als freier Journalist aus Brüssel berichtet. Er beobachtet seitdem einen Bruch mit der bisherigen nationalen und dezentral organisierten Medienordnung.
"Wir haben es mit übermächtigen US-amerikanischen Anbietern zu tun wie Google, Amazon, Apple oder dem chinesischen TikTok-Mutterkonzern Byte Dance. Da gab es die klassische europäische Intention: Märkte öffnen und Wettbewerb sichern. Und die zweite Intention: Demokratie sichern und Journalisten zu verteidigen. Also alles hehre Absichten, die im Lauf der Jahre in mehrere Gesetze gegossen wurden."
EU will "Wilden Westen im Internet" bekämpfen - zu Lasten der Mitgliedsstaaten?
Mit Gesetze wie dem DSA (Digital Services Act), dem DMA (Digital Markets Act) und dem EMFA (European Media Freedom Act) wolle Brüssel den "Wilden Westen im Internet" beenden, doch Bonse befürchtet, dass die EU-Kommission mit der medienpolitischen Entmachtung der Mitgliedsstaaten "übers Ziel hinausschießen könnte".
TikTok Lite sei beispielweise bislang nur in zwei EU-Ländern auf dem Markt gewesen - in Spanien und Frankreich. "Trotzdem geht die EU dagegen vor. Aber ist sie überhaupt zuständig? Wäre es nicht ausreichend gewesen, wenn die nationalen Aufsichten tätigt werden?"
Zwar könne es im Interesse der Mitgliedsstaaten sein, dass die EU eine Kraft aufbaue, die einzelne Staaten für sich nicht aufbauen könnten, "wenn es vernünftig und angemessen eingesetzt wird - und wenn es eine demokratische Kontrolle gibt". Bislang gebe es diese Kontrolle der Kommission durch das EU-Parlament aber noch nicht, weshalb Bonse mahnt: "Ich glaube, wir müssen alle sehr vorsichtig sein."