Der Auftrag ist längst erteilt: Schon vor Wochen hatte die EU beschlossen, ihre Militär-Mission im Mittelmeer mit dem Namen Sophia auszuweiten. Bislang waren die Schiffe - auch zwei deutsche sind daran beteiligt - in erster Linie mit zwei Aufgaben betraut: Flüchtlinge aus Seenot zu retten. Und: Schlepper-Boote aufzuspüren, zu stoppen und zu "neutralisieren", wie es im Militärjargon heißt. Sprich: Zu zerstören, nachdem alle Menschen von Bord sind. Doch die EU hatte mehr vor. Und fasste bereits im Juni den Grundsatzbeschluss, Sophia mehr Muskeln zu verleihen, ihr zwei Zusatz-Aufgaben zu übertragen:
Federica Mogherini:
"Die Ausbildung der libyschen Küstenwache. Und Hilfe bei der Durchsetzung des Waffen-Embargos der Vereinten Nationen."
Die europäischen Kriegsschiffe sollen also dabei helfen, den Waffen-Nachschub für die Terror-Milizen vom sogenannten Islamischen Staat, die sich auch in Libyen gefährlich ausgebreitet haben, einzudämmen. Indem sie verdächtige Boote auf dem Mittelmeer stoppen und durchsuchen. Damit hat man bereits begonnen.
Allein der Durchleuchtungsprozess dürfte 20 Tage in Anspruch nehmen
Doch an anderer Stelle droht der Zeitplan ins Wanken zu geraten: Ende September oder Anfang Oktober, so hieß es von Seiten der EU, werde man damit beginnen, die libysche Küstenwache auszubilden. Doch das wird immer unwahrscheinlicher: Auf Seiten der Europäer wartet man nämlich, wie diverse EU-Diplomaten dem ARD-Hörfunk in Brüssel bestätigten, nach wie vor auf eine wichtige Liste aus dem Bürgerkriegsland: Eine Liste mit den Namen jener Libyer, die überhaupt trainiert werden sollen. Bevor die Ausbildung beginnen kann, sollen die Sicherheitskräfte auf Herz und Nieren geprüft werden. Um auszuschließen, dass sich Kämpfer der Terror-Milizen vom Islamischen Staat unter die Auszubildenden mischen.
Man geht davon aus, dass allein der Durchleuchtungsprozess von EU-Seite 20 Tage in Anspruch nehmen dürfte. Der Sicherheits-Experte vom Brüsseler Egmont-Institut, Sven Biscop, hält das Training durchaus für eine wichtige Maßnahme:
"Ich erwarte davon zwar keine sofortigen Auswirkungen. Aber es kann der Startschuss für den Aufbau gegenseitigen Vertrauens sein. Wenn die Libyer das Gefühl haben, dass wir ihnen helfen wollen, dann ist das positiv."
Auch wenn beim vorgesehenen Fahrplan nun Verspätungen drohen - im Büro der EU-Außenbeauftragten Federica Mogherini ist man nach wie vor optimistisch: "Wir sind dabei, letzte Details mit der libyschen Seite zu klären. Wir werden bald starten," erklärte eine Sprecherin dem ARD-Studio Brüssel auf Nachfrage.
1.000 Küstenschützer sollen ausgebildet werden
Bis Frühjahr 2017 soll die Ausbildung der libyschen Küstenwache weitgehend beendet sein. Bis dahin erwartet die EU dann auch, wie ein hochrangiger Offizieller unlängst bekannt gab, einen Rückgang der Flüchtlings-Zahlen aus dem Bürgerkriegsland. Denn eins ist klar: Von Libyen aus beginnen nach wie vor die meisten Schutzsuchenden ihre lebensgefährliche Reise über’s Mittelmeer in Richtung EU. Was das Land zu einem Schlüsselland in der Flüchtlingskrise macht:
"Libyen ist nicht nur wichtig für Europa. Libyen ist wichtig für ganz Afrika," befand kürzlich Luxemburgs Außenminister Jean Asselborn. Insgesamt will die EU in den nächsten Monaten 1.000 Küstenschützer trainieren. Die Ausbildung der ersten 80 soll auf zwei Schiffen im Mittelmeer erfolgen. Einem italienischen und einem niederländischen. So schnell es geht, sollen die Libyer in die Lage versetzt werden, ihre Gewässer bald selbst zu sichern. Ob das gelingt, kann niemand vorhersagen.
Jedenfalls mahnen nicht wenige Experten seit langem: Um die Operation ‚Sophia‘ wirklich schlagkräftig zu machen, müssten die Schiffe der EU auch direkt vor der libyschen Küste, in libyschen Gewässern zum Einsatz kommen - um hier gegen Schlepper vorzugehen. Doch dafür wäre mindestens eine Einladung der Regierung an die EU erforderlich. Und dass die schnell kommt, erwartet derzeit niemand.