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EuGH ebnet Weg für Veto-Recht gegen Freihandelsabkommen

Die Richter am Europäischen Gerichtshof (EuGH) haben entschieden: Die EU-Mitgliedsstaaten müssen zustimmen, damit das 2015 zwischen der EU und Singapur vereinbarte Freihandelsabkommen in Kraft treten kann. Diese Entscheidung stößt auf viel Zustimmung - doch es gibt bereits neue Vorschläge zum Thema Freihandel.

Von Thomas Otto |
    Singapurs Skyline bei Nacht
    Die EU und Singapur haben ein Freihandelsabkommen vereinbart - in Kraft getreten ist es aber noch nicht. (picture-alliance / dpa / Wallace Woon)
    Schon vor zweieinhalb Jahren haben sich die EU und Singapur auf ein Freihandelsabkommen verständigt. Mit seinem heutigen Urteil stellt das höchste Gericht der EU fest, dass auch die Mitgliedsstaaten der Union diesem Abkommen zustimmen müssen, damit es in Kraft treten kann. Ein Ja allein von Rat und Parlament reiche nicht aus.
    Die Luxemburger Richter begründen das mit den Inhalten des Abkommens. Zwar habe die Union in weiten Teilen alleinige Zuständigkeit. Das betrifft zum Beispiel die gegenseitige Marktöffnung für Aufträge der öffentlichen Hand und die Bestimmungen zum geistigen Eigentum. Allerdings, schränkt André Sapir vom Think Tank Breugel ein:
    "Der Gerichtshof hat entschieden, dass die EU nicht in allen Bereichen volle Kompetenz hat. So beim Thema Investitionen, besonders nicht bei Schiedsverfahren zwischen Staaten und Unternehmen, die sehr oft Bestandteil solcher Abkommen sind."
    Umfasst das Freihandelsabkommen sogenannte Portfolioinvestitionen und Regeln zur Streitbeilegung zwischen Staaten und Unternehmen, sogenannte ISDS-Verfahren, müssen die Mitgliedsstaaten zustimmen. Das Gericht gehe damit auf den Stand vor dem Vertrag von Lissabon zurück, erklärt Sapir.
    Viel Zustimmung zum EuGH-Abkommen
    Die Sozialdemokraten der S&D-Fraktion und die konservative EVP-Gruppe im EU-Parlament begrüßen das Urteil. Der handelspolitische Sprecher der EVP, Daniel Caspary, bewertet es als Stärkung der europäischen Handelspolitik: Man habe nun Klarheit über die Zuständigkeiten.
    Die grüne Fraktionschefin Ska Keller schlussfolgert, die Kommission müsse nun genau überlegen, welche Inhalte zukünftige Freihandelsabkommen umfassen sollten:
    "Ich halte wirklich nichts davon, dass man Handelsabkommen völlig überfrachtet mit allen möglichen Dingen und dann auch noch einen Handelsgerichtshof reinpackt und hier und so. Sondern die Kommission sollte dann ein Handelsabkommen machen und auch wirklich schauen, dass das dann EU-Kompetenz ist, sodass wir das halt auch wirklich als EU-Handelsabkommen hier machen können."
    Mehr Vorschläge für mehr Freihandel
    So könnte sich das heutige Urteil auch auf die bereits laufenden Verhandlungen zum Beispiel mit Japan, Vietnam, Indonesien, Mexiko oder Tunesien auswirken. Ganz zu schweigen von den auf Eis liegenden Gesprächen um das Freihandelsabkommen TTIP mit den USA.
    "Der vernünftigste Ansatz wäre jetzt, reine Freihandelsabkommen zu schließen. Da hat die EU volle Kompetenz. Das hat das Urteil klar gestellt. Man könnte also zwei separate Abkommen schließen: eines für Handel und eines für Investitionen",
    schlägt André Sapir vor. Die Mitgliedsstaaten müssten dann nur Letzterem zustimmen, wohingegen das eigentliche Freihandelsabkommen allein von Rat und EU-Parlament verabschiedet werden könnte.