Heute bleiben den Spaniern nur noch rund vier Milliarden an EU-Geldern in der Kasse, während Polen ihnen längst Rang als größter Nettoempfänger abgelaufen hat. So mag erstaunen, dass unter allen Staaten, die 2004 der Union beigetreten sind, ausgerechnet Polen das beste Verhältnis zu Spanien pflegt. Auch wenn in Madrid längst nicht alle über den Verlust eines Großteils der Mittel aus den Struktur- und Kohäsionsfonds hinweg sind.
Aus den europabegeisterten Spaniern sind Skeptiker geworden. Fragt man in der Madrider Innenstadt nach einem spontanen Urteil über die Osterweiterung der EU, ist die erste Antwort stets, dass der Beitritt schlecht für die damals armen Staaten wie Spanien, Portugal oder Griechenland war, die viele Fördergelder erhielten. Deren Positionen nehmen heute die Staaten im Osten ein.
"Wir liegen jetzt im Mittelfeld, bekommen weniger Geld, sind aber immer noch nicht wie Deutschland oder Frankreich", sagt eine Frau zum Beispiel, die mit mehreren Kollegen zur Mittagspause auf dem Santa-Barbara-Platz in Madrid in der Mittagssonne sitzt. Vor zehn Jahren waren die Befürchtungen ähnlich. Spaniens damaliger Regierungschef José María Aznar blockierte aus Angst um den Verlust seiner Sperrminorität sogar lange Zeit den Vertrag von Nizza, die juristische Grundlage für die Erweiterung.
Cristina Manzano, Leiterin des spanischen außenpolitischen Thinktanks „esglobal", meint rückblickend dennoch:"Trotz der damals so hoch eingeschätzten Risiken des Verlustes wirtschaftlichen und politischen Einflusses wusste Aznar gut, dass man Europa etwas schuldig war. Spanien hat von der EU sehr stark profitiert, an politischem Ansehen weltweit gewonnen, dank der EU. So konnte Spanien keine radikal ablehnende Haltung einnehmen".
Allianz zwischen Spanien und Polen als Gegengewicht zu Frankreich und Deutschland
Keine der Befürchtungen habe sich letztlich bewahrheitet, sagt die Politologin. Auch der neue EU-Haushalt sieht noch Hilfsfonds für spanische Regionen vor, es laufen auch in Spanien noch Autos vom Band und Spaniens Landwirte haben mit dem Osten einen neuen Markt hinzubekommen. Und auch politisch hat das Land Verbündete gewonnen. So gibt es jährliche bilaterale Treffen der Regierung in Madrid und Warschau. "Das gehört zu den interessantesten Dingen, die in der EU passiert sind. Polen und Spanien sehen sich als Randstaaten der EU, sind in etwa gleich groß. Es sind zudem zwei katholische Länder, sie verstehen sich. Diese Allianzen zwischen Staaten aus den Randgebieten sind ein Gegengewicht zu der fast absoluten Macht von Deutschland und Frankreich", sagt die Politologin.
Allerdings, merkt Manzano kritisch an, habe die spanische Wirtschafts- und Außenpolitik keine umfassende Strategie zu Osteuropa. Dabei sind den Spaniern die Osteuropäer längst nicht mehr fremd. Immerhin leben in Spanien fast 900.000 Rumänen. "In Spanien spielen die rumänischen Einwanderer eine große Rolle. Sie sind gut integriert, Spanier fahren sogar zu den Hochzeiten ihre Freunde nach Rumänien. Aber auf politischer Ebene ist das Verhältnis nicht so locker. Ich sehe in der spanischen Außenpolitik hinsichtlich Osteuropa auch Defizite", so Manzano.
Auf dem Santa-Barbara-Platz in Madrid findet hingegen auch der 22-jährige Javier, dass mit der Ost-Erweiterung Spanien verloren habe. Auch er spricht von verlorenen Hilfsfonds aus Brüssel. Doch er kennt den Osten gut. Während er sein Pausenbrot auspackt, kommt er ins Grübeln: "Ich habe zwei Jahre in Prag gearbeitet. In einem spanischen Hotel. Das war für mich natürlich eine gute Möglichkeit. Hier gibt es ja so wenig Jobs. Die vielen spanischen Unternehmen in Tschechien hielten ihre Treffen oft in unserem Hotel ab. Diese Leute schienen immer ganz zufrieden. Und das Obst in den Supermärkten kam auch aus Spanien. Je länger ich es mir überlege: Die Erweiterung war wohl doch ganz gut für uns".