Freie Fahrt oder maximal Tempo 130; Borussia Dortmund oder FC Bayern München, für die Zeitumstellung oder gegen die Zeitumstellung? Für viele Deutsche sind das identitätsstiftende Fragen. Auf die es auch emotionale Antworten gibt.
"Licht hat nur ein Prozent der heilenden Wirkung wie die Sonne selbst, das wird hier alles unter den Tisch gekehrt, weil man nicht im Stande ist, einmal im Jahr um eine Stunde die Zeit zu ändern", findet einerseits Werner Langen, CDU-Europaabgeordneter.
Andererseits stimmte eine Mehrheit in einer Online-Umfrage der EU-Kommission im vergangenen Jahr für ein Ende der Zeitumstellung, ein Großteil der Teilnehmenden stammte dabei aus Deutschland.
"Die Zeitumstellung gehört abgeschafft", versprach EU-Kommisionspräsident Jean-Claude Juncker, nachdem die Ergebnisse publik wurden. Wenn es nach seiner Behörde gegangen wäre, würden die Mitgliedstaaten schon jetzt in diesem Monat die Uhr das letzte Mal gemeinsam umstellen.
Mehrere Ausschüsse für eine Abschaffung
Das Europaparlament hat sich zu dem Vorschlag der Kommission auch bereits mehrfach positioniert: Vor knapp zwei Wochen stimmte der Gesundheitsausschuss für eine Abschaffung. Ähnliche Mehrheiten gab es auch in drei weiteren Ausschüssen, dem Agrar-, dem Industrie- und dem Binnenmarktausschuss.
Sollte sich der federführende Verkehrssauschuss heute ebenso für ein Ende der Umstellung entscheiden, würde die Vorlage noch mal in der zweiten Märzhälfte im Plenum in Straßburg zur Abstimmung gestellt werden. Und dann würden die Augen auf den Rat gerichtet.
"Wenn da der ausreichende politische Wille ist, geht das sehr viel schneller, deshalb haben wir in unseren Beschlüssen gesagt, dass die Mitgliedsstaaten sich schnell koordinieren sollen und dass dann 2020, ein Jahr später, als die Kommission vorgeschlagen, aber ein Jahr früher, als der Ministerrat angedacht hat, sie haben ja noch keine Beschlüsse", sagt Peter Liese, CDU-Europaabgeordneter, Mitglied im Umweltausschuss.
Die EU-Richtlinie beinhaltet zwar eine gemeinsame Zeitumstellung, schreibt allerdings keine Zeitzonengrenzen vor und beantwortet auch nicht die Frage nach Sommer- oder Winterzeit. Weil unklar ist, wie es nach dem Ende der gemeinsamen Zeitumstellung weitergehen soll, tritt der Rat auf der Stelle. Konsensfähig ist der Gedanke, dass man keinen Zeitzonen-Flickenteppich will.
Mitgliedsstaaten favorisieren verschiedene Lösungen
Deutschland favorisiert, nach Abschaffung der Zeitumstellung in der Sommerzeit zu bleiben. Ewige Sommerzeit, für manche Länder ist das problematisch – so würde es im Winter im Westen Frankreichs oder Spaniens erst am späten Morgen hell werden.
Manche Schlafforscher warnen vor den Folgen ewiger Sommerzeit, denn die bedeutet im Grunde: Eine Stunde früher aufstehen, wenn man bedenkt, dass Menschen ohnehin schon zu wenig schlafen, dann hieße das noch mehr Schlafmangel, und damit steige das Risiko für Herz-Kreislauf- oder Stoffwechselerkrankungen wie Diabetes. Und bei ewiger Winterzeit? Das könnte für andere Teile des Kontinents problematisch werden: Im Osten Polens wäre es im Sommer schon mitten in der Nacht taghell.
Aber nicht nur gesundheitliche Aspekte fließen ein in die Debatte, wie das Ende der Zeitumstellung gestaltet werden soll, bei der Kompromisssuche spielen auch wirtschaftliche Überlegungen eine Rolle: Peter Liese:
"Fluggesellschaften und Bahnen müssen sich dann natürlich wieder umstellen, die brauchen neue Pläne, das muss geregelt werden, das braucht Zeit, deswegen kann der Beschluss nicht im März gefasst werden, weil dann die Koordinierung nicht funktioniert, weil sich die Verkehrsgesellschaften nicht darauf einstellen können, aber dafür braucht man verdammt nochmal keine zwei Jahre!"