Kurzfristig wurde das Thema Türkei auf die Tagesordnung gesetzt: Das Europaparlament will visafreies Reisen nur dann erlauben, wenn die türkische Regierung die 72 Kriterien erfüllt, sagt die Linke-Europaabgeordnete Cornelia Ernst.
"Also entweder wir haben Kriterien oder wir haben keine Kriterien. Entweder wir haben gesetzliche Vorschriften oder wie haben keine. Wenn wir uns selber nicht mehr an das halten, was wir beschließen, können wir den Laden dicht machen."
Umstritten sind vor allem die türkischen Anti-Terrorgesetze. Sie müssten gerändert werden, fordern viele Abgeordnete. Denn sie machen es möglich, Kritiker der türkischen Regierung festzunehmen und die Meinungs- und Medienfreiheit zu beschneiden, sagt Guy Verhofstadt, der Vorsitzende der Liberalen im Europaparlament.
Erdogan will Aufhebung der Visums-Pflicht im Oktober
Der türkische Präsident Erdogan hatte am Wochenende gesagt, die türkischen Anti-Terrorgesetze würden nicht geändert. Das Ziel, bereits ab Ende Juni Visa-Freiheit zu erreichen, scheint Erdogan bereits aufgegeben zu haben. Er wünsche die Aufhebung der Visums-Pflicht für "spätestens Oktober", sagte Erdogan in Ankara. Das Europaparlament erwartet dagegen, so der CSU-Abgeordnete Weber.
"Dass Erdogan klarstellen muss, dass auch er voll umfänglich zu der Vereinbarung steht. Und, dass wir deswegen die Umsetzung aller Kriterien von der Türkei erwarten."
Das Europaparlament muss zustimmen, damit die EU der Türkei visafreies Reisen erlauben kann. Das Parlament könnte also die Visabefreiung ins Wanken und das damit verknüpfte Flüchtlingsabkommen zum Kippen bringen.
Debatte um faire Verteilung von Flüchtlingen
Darüber hinaus debattieren die Europaabgeordneten über die Vorschläge der Kommission für eine fairere Verteilung von Flüchtlingen. Danach sollen künftig die EU-Länder, in denen die meisten Flüchtlinge ankommen, wie etwa Griechenland und Italien, bei besonders hohem Andrang, Flüchtlinge an andere europäische Staaten abgeben können. Der Vorschlag schafft kein neues System, es erhält die alte Dublin-Regelung, kritisiert die Linke-Europaabgeordnete Cornelia Ernst.
"Weil er weiterhin davon ausgeht, dass die Mitgliedsstaaten, die an der Außengrenze der EU sind, dass die nach wie vor die Flüchtlinge aufnehmen müssen, und nur unter einem bestimmten Schwellenwert, der dann überschritten wird, eine Chance haben, Flüchtlinge anderswohin abzugeben."
Doch wohin? Nach wie vor sperren sich viele Länder, vor allem die ostereuropäischen Staaten Polen, Ungarn, die Slowakei und Tschechien, mehr Flüchtlinge aufzunehmen. Falls sich ein Land nicht beteilige, soll es eine Art Strafe von 250.000 Euro pro abgelehntem Flüchtling zahlen, so die Kommission. Doch können Strafzahlungen tatsächlich die Lösung sein? Die Verteilung wird nur dann von den Osteuropäern akzeptiert, wenn sie verbunden ist mit einem Rückkehr-Mechanismus für Asylsuchende, die kein Bleiberecht in der EU haben, meint der Liberale Guy Verhofstadt.
Streit um Grenzkontrollen
Eng verbunden mit der Flüchtlingsfrage sind die Grenzkontrollen innerhalb des Schengenraumes. Die Europaabgeordneten werden auch darüber debattieren, wann es wieder eine komplette Reisefreiheit geben kann. Noch ist die nicht in Sicht: Deutschland hat bereits angekündigt, weiter an der Grenze zu Österreich Reisende zu kontrollieren - trotz der gesunkenen Flüchtlingszahlen. Und zwar so lange, bis der Schutz der EU-Außengrenzen besser funktioniere. Auch die norwegische Regierung hat die Grenzkontrollen um einen weiteren Monat verlängert – bis Mitte Juni. Für Streit sorgt die Ankündigung der österreichischen Regierung, notfalls Grenzkontrollen am Brenner einzuführen. Da der Weg über die Türkei und die Westbalkanroute versperrt ist, befürchten die Österreicher einen Ansturm aus Nordafrika über Italien nach Nordeuropa.