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EU-Parlament
"Diese Terroristen sind unsere Kinder"

Solidarität mit den Opfern von Paris, aber auch kämpferische Töne an die Adresse islamistischer Fundamentlisten hörte man am gestrigen Abend in Straßburg im Europäischen Parlament. Es ging um Trauer, aber auch um Hoffnung und kritische Selbstreflexion.

Von Annette Riedel |
    Europäische Staats- und Regierungschefs nehmen am Gedenkmarsch in Paris teil und setzen so ein Zeichen gegen religiös motivierte Gewalt.
    Auch Vertreter des EU-Parlaments nahmen am Gedenkmarsch in Paris teil (AFP / Philippe Wojazer)
    "Wir werden unsere europäischen Werte nicht angesichts der Gewalt von Kalaschnikows aufgeben. Wir werden weder Angst, noch Antisemitismus, noch Islamfeindlichkeit, oder den Hass anderer die Werte zerstören lassen, die uns definieren."
    Für den Präsidenten des Europäischen Parlaments, Martin Schulz, sind Meinungsfreiheit, Gewaltlosigkeit, respektvolles Miteinander, die es jetzt erst recht zu verteidigen gelte. Bei aller Trauer, bei allem Entsetzen, mischte sich, wie beim französischen Christdemokraten Alain Lamassoure, auch Hoffnung in die Redebeiträge, angesichts der überwältigenden Solidarität mit den Opfern von Paris, vor allem am vergangenen Sonntag.
    "Dieser 11. Januar wird in Erinnerung bleiben als das Geburtsdatum des Europas der Völker – vereint in der Vielfalt, vereint hinter unseren Werten und gegen den Hass."
    Auch kritische und selbstkritische Töne
    Es gab in den kurzen Stellungnahmen zu den Vorgängen in Paris aber zudem, je nach politischer Couleur, sehr unterschiedliche, aber durchaus kritische und selbstkritische Töne, wie vom Vorsitzenden der liberalen Fraktion Guy Verhofstadt.
    "Wie schon in Madrid und in London müssen wir jetzt in Paris auch unser Versagen sehen. Diese Terroristen sind unsere Kinder, hier geboren, hier aufgezogen – und hier als Mörder gestorben."
    Selbstkritik der anderen Art brachte der Vorsitzende der rechten Fraktion, der britischen UKIP-Chef Nigel Farage, in das Rund in Straßburg ein. Er attestierte der EU, durch außenpolitische und migrationspolitische Fehlentscheidungen eine Mitverantwortung am Geschehen:
    "Zu den Fehlern gehört eine Politik der Masseneinwanderung, die Integration schlicht unmöglich macht. Aber das vielleicht Schlimmste ist, dass wir der Schwäche, des mangelnden Mutes schuldig sind und des Selbstbewusstseins, wer wir sind."
    Datenvorratsspeicherung wieder im Gespräch
    Außerhalb des Plenarsaals hat die Debatte begonnen, wie gesetzgeberisch auf den Terror von Paris zu reagieren ist. Der neue Ratspräsident Donald Tusk, der erstmals im Parlament reden wird, dürfte die Abgeordneten drängen, nicht länger aus Datenschutz-Gründen eine Richtlinie zu blockieren, die die Speicherung diverser Daten von Flugreisenden in, von und nach Europa möglich macht. Grüne und Sozialdemokraten, wie die Abgeordnete Birgit Sippel, halten davon nichts.
    "Ich glaube, dass der allererste Schritt ist, mal zu gucken, welche Maßnahmen gibt es denn überhaupt schon, werden die genutzt, passen die zusammen, ergänzen die sich. Auch der Austausch zwischen den Behörden – innerhalb der Mitgliedsstaaten aber auch europäischer Ebene – funktioniert, um es vorsichtig zu sagen nicht immer einwandfrei."
    Die Forderung, jetzt mehr Daten zu sammeln und zu speichern, ginge in die falsche Richtung, findet auch die Vorsitzende der Grünen-Fraktion, Rebecca Harms.
    "Frankreich hat eine Vorratsdatenspeicherung; die sind in den USA bekannt gewesen und die waren auch in Deutschland zum Beispiel auf Terrorlisten. Wenn ich etwas verstanden habe, dann ist es das, dass es vielleicht an allem Möglichen gemangelt hat aber nicht an Daten über die Attentäter."
    Der CDU-EU-Abgeordnete Axel Voss sieht das anders: "Die Möglichkeit, Erkenntnisse aus den Daten zu gewinnen, sei es jetzt Fluggastdaten oder die sogenannten Vorratsdaten, die erhöht natürlich die Wahrscheinlichkeit, dass man auch präventiv Dinge erkennt, die man sonst nicht erkennen würde."
    Datenschutzrechtliche Bedenken gegen verdachtsunabhängige Datenspeicherung weißt Voss als ideologisch begründet zurück.
    "Wie wir gesehen haben, auch in Paris: Es ist nicht der Staat, der hier böse ist und Grundrechte einschränkt – es sind andere. Und wenn man derer habhaft werden will, muss man eben auch Erkenntnisse aus Daten gewinnen dürfen."
    Die Diskussion jedenfalls, wie Europa gesetzgeberisch auf Paris reagieren soll – von mehr Datenspeicherung, über engere Kooperation der Geheimdienste, zu neuen Gesetzen gegen Terrorfinanzierung und zur Kontrolle beziehungsweise Einschränkung der Bewegungsfreiheit potenziell gefährlicher Extremisten – diese Diskussion wird uns in den kommenden Wochen begleiten.