Seit rund zehn Jahren hadert die Europäische Volkspartei (EVP) mit ihrem ungarischen Mitglied, der rechtsnationalen Fidesz von Ministerpräsident Viktor Orbán. Die EVP-Mitgliedschaft von Fidesz ist bereits seit 2019 suspendiert, sie kann damit nicht mehr an Parteitagen und Entscheidungssitzungen der Parteifamilie teilnehmen. Auf der Ebene der EVP-Fraktion verhindert das noch die aktuelle Geschäftsordnung.
Die lauteste Orbán-Kritik in der EVP kommt aus den Benelux-Ländern sowie dem europäischen Norden. Käme es zu einer Änderung der Geschäftsordnung der EVP-Fraktion wäre dafür vor allem der Druck der EVP-Mitglieder aus diesen Staaten verantwortlich.
Verstöße von Fidesz
An missliebigem Verhalten der Fidesz-Partei hat es in der Vergangenheit nicht gemangelt. Zu nennen ist beispielsweise Orbáns langer Kampf gegen den Rechtsstaatsmechanismus im vergangenen Dezember und der plötzliche Entzug der Sendelizenz für "Klubradio", Ungarns bis dahin letzten unabhängigen Hörfunksender.
EVP-Mitglieder verweisen auch immer wieder auf Orbáns permanente Versuche, die Parteifamilie neu auszurichten: In einem Brief an den Fraktionsvorsitzenden Manfred Weber hatte Orbán die Idee geäußert, die EVP massiv nach rechts zu verschieben. Zudem gab es öffentliche Sympathiebekundungen für Fratelli d’Italia, eine Partei mit Wurzeln im italienischen Faschismus. Die hatte Orbán in einem offenen Brief als Hort des Christlichen und Konservativen bezeichnet.
Hinzu kommen Provokationen wie die des Fidesz-Abgeordnete Tamas Deutsch. Der hatte Weber im vergangenen Jahr Methoden vorgeworfen, die an die Gestapo sowie an den stalinistischen Geheimdienst erinnerten.
Die Rolle von CDU/CSU
In der EVP-Fraktion gibt es eine spürbare Unzufriedenheit darüber, dass die Parteiführung die Suspendierung von Fidesz nicht früher und entschiedener vorangebracht hat. Vernatwortlich für das Zeitspiel der Parteiführung ist nicht zuletzt die Position von CDU und CSU. Vor allem die Unionsparteien stehen in der Causa Fidesz auf der Bremse.
Eigentlich war die Fraktion schon im vergangenen Dezember so weit, die für die Suspendierung nötige Änderung der Geschäftsordnung vorzunehmen. Ein Anruf von Bundeskanzlerin Angela Merkel bei der EVP-Fraktionsführung hatte das dann offenbar noch verhindert – mit dem Hinweis Merkels auf ohnehin stattfindende Gespräche mit Orbán zum Thema Rechtsstaatsmechanismus. CDU-Generalsekretär Paul Ziemiak wird nachgesagt, dass er gegen den Ausschluss von Fidesz sei. Die ehemaligen CDU-Parteichefin Annegret Kramp-Karrenbauer hatte sich in der Frage nie festgelegt.
Orbáns Brief an Weber
Vor der Fraktionssitz am Mittwoch drohte Orbán in einem Brief an EVP-Fraktionschef Weber mit dem Austritt der Fidesz-Abgeordneten aus der Fraktion. Mit diesem Schritt will er wohl dem Ausschluss zuvorkommen. Das Schreiben kann aber auch als ein letzter Anlauf gedeutet werden, die Entscheidung am Mittwoch noch zu beeinflussen.