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EU-Parlament
Mögliche Verstöße gegen Beschäftigungsregeln

Mitarbeiter von EU-Abgeordneten, die auch für die jeweilige Partei tätig werden - eine heikle Vermischung. Wegen Vorermittlungen gegen die Zentrumspartei wollen nun Justizminister Francois Bayrou, Europaministerin Marielle de Sarnez und Verteidigungsministerin Sylvie Goulard nicht mehr für das Kabinett in Paris zur Verfügung stehen.

Von Mirjam Kid |
    Statue "Europa" der belgischen Künstlerin May Claerhout vor dem Europäischen Parlament in Brüssel.
    Statue "Europa" der belgischen Künstlerin May Claerhout vor dem Europäischen Parlament in Brüssel. (picture alliance / Daniel Kalker)
    Eigentlich ist es ein klarer Fall. Erklärt Sven Giegold, Abgeordneter der Grünen im Europaparlament. Denn:
    "grundsätzlich gilt, dass alle Ressourcen des Parlaments nicht für die Arbeit der Partei eingesetzt werden dürfen, sondern für die parlamentarische Arbeit."
    Das heißt, wer als Mitarbeiterin oder Mitarbeiter eines Abgeordneten vom EU-Parlament bezahlt wird, darf parallel keine Parteiarbeit leisten. So die Regeln des Parlaments.
    Die Grauzonen
    Was so klar klingt, ist in der Praxis deutlich komplizierter. In einem normalen Büroalltag eines EU-Politikers laufen im E-Mail-Postfach sowohl Terminanfragen für Partei-Veranstaltungen ein als auch Termine für Ausschüsse und Sitzungen im Parlament. Beides muss miteinander koordiniert und die Anfragen müssen beantwortet werden. Ist hier bereits die Grenze erreicht und überschritten? Sven Giegold:
    "Es gibt eine Grauzone zwischen dem, was sie im Parlament machen und dem, was sie in der Partei machen."
    Eine perfekte Abgrenzung sei deswegen nicht möglich, aber:
    "wofür man sorgen kann, ist, dass Extremfälle vermieden werden", sagt Sven Giegold.
    Auch Ingeborg Gräßle, Vorsitzende des Haushaltskontrollausschusses und Europa-Abgeordnete der CDU betont die Schwierigkeiten in der Abgrenzung:
    "Deswegen bin ich auch relativ vorsichtig, weil ich glaube, dass wir hier sehr aufpassen müssen, dass wir uns nicht den Ast absägen, auf dem Europa-Abgeordnete sitzen. Wir sind diejenigen, die am weitesten weg sind vom Parteileben."
    Die Anbindung an die Basis im Wahlbezirk
    Allein ihr Betreuungsgebiet in den Wahlkreisen umfasse 800.000 Menschen, so Ingeborg Gräßle. Die Partei sei dabei ihre Stütze für Angelegenheiten und Anliegen vor Ort. Ingeborg Gräßle:
    "Wie soll ich in einem Kreisverband der 250 Kilometer von mir weg ist, wie soll ich dort eine Rolle spielen ohne die Partei. Wenn ich wirklich Einfluss haben will, brauche ich die Parteiorganisation vor Ort, ich brauche die Gemeinderäte, ich brauche die Ortsverbände. Wenn ich diese Zusammenarbeit mit der Partei nicht mehr pflegen darf, dann bin ich vor Ort tot, und mit mir ist Europa tot."
    Deswegen mahnt Ingeborg Gräßle ein behutsames Vorgehen an, wenn es um eine Konkretisierung der Leitlinien für Beschäftigte im Europa-Parlament geht: "Ich würde mir wünschen, dass diese Regeln mit den Abgeordneten gemacht werden und nicht ohne sie."
    Auch weil es unterschiedliche Bedürfnisse in den Mitgliedsländern gibt.
    Fälle von klaren Regelverletzungen
    Hilfreich sei eine Konkretisierung aber allemal, denn oft sei eine sichere Auslegung gerade in Grenzfällen und Grauzonen schwierig für Abgeordnete, erklärt Ingeborg Gräßle.
    Kein Grenzfall hingegen sei die Job-Affäre von Front National-Chefin Marine Le Pen. Mitarbeiter, die sie für die Arbeit im EU-Parlament beschäftigt hatte, sollen in Wirklichkeit Parteiaufgaben übernommen haben. Ein klarer Regelbruch, so der Grünen-Europa-Abgeordnete Sven Giegold:
    "Das, was wir über den Fall von Frau Le Pen wissen, ist, dass Mitarbeiter, die auf Parlamentskosten gearbeitet haben, in das Organigramm der Parteizentrale eingebunden waren. Das ist schon ein sehr weitgehender Verstoß. Da reden wir dann nicht nur über Grauzonen, sondern über eine tatsächliche Verletzung der Grundprinzipien hier."
    Le Pen droht deswegen die erneute Aufhebung ihrer Immunität und ein juristischer Prozess.
    Die Auswirkungen in Frankreich
    Für Schlagzeilen gesorgt hatte nun auch der Fall Sylvie Goulard, von der Partei Mouvement Démocrate, kurz MoDem. Wegen eines mutmaßlichen Verstoßes gegen die Beschäftigungsregeln gab sie nun ihren Posten als Verteidigungsministerin auf im Kabinett des französischen Präsidenten Emmanuel Macron.
    Deutlich unklarer sei hier allerdings derzeit noch die Beweislage, CDU-Europa-Abgeordnete Ingeborg Gräßle:
    "Die MoDem-Fälle kennt das Haus nur aus der Zeitung. Das heißt, die Fälle sind nicht vom Haus aufgedeckt und bearbeitet worden. Das heißt, die Fälle MoDem sind im Haus sehr viel schlechter dokumentiert."
    Deswegen sei sie mit einer Einschätzung des Sachverhalts noch zögerlich, so Ingeborg Gräßle, und wolle auch nicht in ihrer Funktion als Vorsitzende des Haushaltskontrollausschusses darüber urteilen. Anders sei die Lage im Fall des Front National gewesen. Hier hätte das Parlament selbst den französischen Staatsanwalt eingeschaltet.
    Nicht ohne Tadel blieb in der Vergangenheit auch Bundeskanzlerkandidat Martin Schulz. Als Präsident des Europa-Parlaments hatte er einen Parlamentsmitarbeiter beschäftigt, der seinerseits kaum das Parlament betreten haben soll.
    Bei nachgewiesenen Verstößen haften die Abgeordneten. Die Gelder muss nicht etwa ihre Partei, sondern sie müssen sie selbst vollständig zurückzahlen. Ingeborg Gräßle:
    "Das ist also eine erhebliche finanzielle Sanktion. Gerade was den Front National zum Beispiel betrifft: Der Kollege Bruno Gollnisch hat mir gesagt, der müsse 300.000 Euro zurückzahlen."