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Parlaments-Entscheidung über Digital Services Act
Was die EU gegen Hass im Netz unternehmen will

Beleidigungen, Hassrede, Todesdrohungen – schon lange will die EU die großen Internetkonzerne bei strafbaren Inhalten stärker in die Verantwortung nehmen. Das EU-Parlament hat sich dafür nun auf den sogenannten Digital Services Act (DSA) geeinigt. Er soll Nutzerinnen und Nutzern mehr Schutz und Transparenz bringen.

Text: Isabelle Klein | Beitrag von Stephan Ueberbach | 20.01.2022
Diverse Apps auf dem Display eines iPhones
Schon vor über einem Jahr hat die EU-Kommission ihr Digitalpaket vorgestellt. Im Fokus stehen US-Konzerne wie Google, Facebook und Apple: Die EU-Länder wollen die Macht der Digitalriesen einschränken und sie stärker in die Pflicht nehmen. Dafür stehen schon länger zwei Gesetze im Raum: Der Digital Markets Act (DMA) und der Digital Services Act (DSA).
Während der DMA faire Wettbewerbs-Bedingungen für Konkurrenten und Geschäftspartner der großen Techfirmen schaffen will, soll der DSA dafür sorgen, dass Online-Plattformen mehr gegen illegale Inhalte tun und mehr Transparenz schaffen müssen.
Beim DSA hat sich das Europaparlament am 20.01.2022 auf eine gemeinsame Position für die anstehenden Verhandlungen mit den EU-Staaten geeinigt.

Um was genau geht es der EU mit dem DSA?

Mit dem Digital Services Act will die EU Plattformen stärker in die Pflicht nehmen. Es geht ihr dabei vor allem um die wirklich großen Konzerne mit mehr als 45 Millionen Usern im Monat - je größer die Plattform, desto strenger die Regeln.
Zum einen will sie Hass und Hetze im Netz besser bekämpfen: Illegale Inhalte sollen konsequenter gelöscht werden. Hier will die EU nicht allein den Plattformen überlassen, wie schnell Inhalte gelöscht werden müssen und wann Nutzerkonten gesperrt werden können.
Darüber hinaus geht es um mehr Transparenz hinsichtlich Werbung und Inhalten, die Nutzerinnen und Nutzern angezeigt werden. Sie sollen klarere Informationen erhalten, auf Grundlage welcher Daten Inhalte für sie ausgewählt werden.
Konzernen, die ihre Netzwerke nicht entsprechend regulieren, droht die EU mit hohen Geldstrafen.

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Was soll sich für die Nutzerinnen und Nutzer konkret verbessern?

Insgesamt bedeutet der Digital Services Act mehr Transparenz und mehr Sicherheit für die Nutzerinnen und Nutzer, schätzt Dlf-Korrespondentin Carolin Born . Beispielsweise sollen Nutzer einsehen können, wer die Werbung auf den Plattformen schaltet. Einheitliche Archive für die Online-Werbung sollen hier für mehr Transparenz sorgen. Zudem hat sich das EU-Parlament dafür ausgesprochen, personalisierte Werbung auf Basis persönlichster Daten wie sexueller Orientierung, ethnischer Herkunft oder politischer Meinung ganz zu verbieten.
Daneben sollen die Verbraucher besser nachvollziehen können, welche Inhalte ihnen angezeigt werden: Es soll mindestens einen Empfehlungs-Algorithmus geben, der ohne eine sogenannte „Profilbildung“ funktioniert, der also weitestgehend ungefiltert Inhalte anzeigt. Auch sogenannte „dark patterns“, mit denen Konzerne die Zustimmung zur Datensammlung erschleichen, sollen verboten werden. Behörden und Forschern soll künftig Zugang zu Daten und Algorithmen gewährt werden.
Polarisierende Inhalte werden wohl weiterhin auf den Bildschirmen auftauchen, so Dlf-Korrespondent Paul Vorreiter . Die großen Plattformen müssten aber vor externen Prüfern darlegen, wie sie ihre Nutzerinnen und Nutzer schützen. Zwar werden die Plattformen weiterhin nicht für illegale Inhalte haften, aber das Digitale Dienste-Gesetz eröffne Verfahren zur Entfernung der Inhalte.

Welche Kritik gab es am DSA?

Da es um ihr Geschäftsmodell gehe, Anzeigen zu schalten, seien die Tech-Konzerne erwartungsgemäß wenig begeistert von der Regulierung, so Korrespondentin Born. Die Firmen hätten starkes Lobbying betrieben und immerhin Teilerfolge zu verbuchen: Beispielsweise müssen sie ihre Algorithmen weiterhin nicht transparent machen.
Um Nutzerinnen effektiv zu schützen, müsse das Abgreifen höchstsensibler Daten aber verboten werden, kritisierte etwa der Linken-Europaabgeordnete Martin Schirdewan gegenüber dem Dlf.
Auch beim Thema Schutz der Nutzerdaten und der Privatsphäre gegenüber Behörden gibt es Bedenken. So kritisiert etwa Patrick Breyer, Europaabgeordneter der Piratenpartei, gegenüber dem NDR den Aspekt der „Auskunftsanordnungen" im Gesetz, der regelt, wie und wie viele Nutzerdaten Konzerne den nationalen Behörden zur Verfügung stellen sollen. Hier fürchtet Breyer „Kollateralschäden für unsere offene Gesellschaft“, vor allem für Bürgerinnen und Bürgern in Ländern wie Polen oder Ungarn.

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Ein weiterer umstrittener Punkt war der Einsatz sogenannter Uploadfilter, mit denen verhindert werden soll, dass illegale Inhalte überhaupt hochgeladen werden können. Diese sollen nicht verboten werden – auch daran gibt es Kritik.
Die Betroffenenorganisation HateAid machte Schwachstellen bei der Bekämpfung von Hass und Hetze im Netz aus: Zwar biete das neue Gesetz "die historische Chance", effektiver gegen Beleidigungen und Hassrede und andere Formen digitaler Gewalt vorzugehen, allerdings fehle der einfache Zugang zu Justiz oder eine leichter zugängliche Kommunikation mit den Plattformen.

Wie geht es nun weiter?

Was lange währt, ist nach der Entscheidung im Europaparlament nun noch nicht beschlossene Sache. Erst nach der Festlegung des Parlaments auf seine Position können die 27 EU-Länder, Kommission und Rat jetzt über den endgültigen Text verhandeln.
Der FDP-Europaabgeordnete Moritz Körner zeigte sich gegenüber dem Dlf optimistisch , dass mit dem Rat eine schnelle Einigung gefunden werden kann. „Vielleicht sogar in der französischen Ratspräsidentschaft, das wäre ein Riesenerfolg.“ Die französische Ratspräsidentschaft endet im Juni 2022.