Er also wird der Kandidat der größten Fraktion im Parlament, der EVP für das Amt des EU-Parlaments-Präsidenten: der Italiener Antonio Tajani. Der ehemalige EU-Industrie-Kommissar setzte sich gegen seine Mitbewerber durch. Die Irin Mairead McGuiness, der Franzose Alain Lamassour und der Slowene Alojz Peterle zogen nach dem ersten Wahlgang, bei dem Tajani vorn lag, ihre Kandidatur zurück, sodass kein zweiter Wahlgang nötig war. Tajani ist 63 Jahre alt und Jurist, zurzeit amtiert er als einer der Vize-Präsidenten des Parlaments. In einem Porträt des Parlaments-Fernsehens sagte er über sein Europa-Bild.
"Die Zukunft Europas ist unsere Zukunft. Wir brauchen ein Europa der Vielfalt, mit weniger Bürokratie. Es muss die großen Probleme angehen, mit denen wir konfrontiert werden."
Mit dem Italiener, Mitglied der konservativen Berlusconi-Partei "Forza Italia", deren Mitbegründer er war, hat sich die EVP für den bekanntesten, konservativsten aber – im Parlament nicht unbedingt unumstrittensten der vier Kandidaten entschieden. Seit 1994 ist Tajani auf der europäischen Bühne aktiv, als er erstmals ins EU-Parlament gewählt wurde. Von 2008 bis Februar 2010 war Tajani EU-Kommissar für Verkehr, bevor er 2010 Industrie-Kommissar und Vizepräsident der Europäischen Kommission wurde. Diese Funktionen hatte er bis 2014 inne. Damit haben die beiden größten Fraktionen im EU-Parlament, die EVP und die Sozialdemokraten, jeweils einen italienischen Kandidaten für die Nachfolge von Martin Schulz benannt. Für die Sozialdemokraten geht deren derzeitiger Fraktionsvorsitzender, Gianni Pitella ins Rennen.
Tajani will auf "kluge Polarisierung" zwischen Sozialdemokraten und der EVP setzen
Der hat in Straßburg angekündigt, dass er nicht nur die informelle Große Koalition mit der EVP im EU-Parlament in jedem Fall als beendet betrachtet und vielmehr auf eine "kluge Polarisierung" zwischen Sozialdemokraten und der EVP setzen will. Sondern er hatte auch betont, dass seine Kandidatur keineswegs eine taktische sei. Zieht er sie nicht zurück, wird EVP-Mann Tajani nicht mit den Stimmen der Sozialdemokraten rechnen können. Ob die Grünen, die keinen eigenen Kandidaten haben, in dem Fall Pitella ihre Stimme geben würden, ist offen. Dass sie die Tajani, dem sie schwere Vorwürfe im Zusammenhang mit dem Abgasskandal von VW und anderen Automobilherstellern machen, nicht geben werden, kann als sicher gelten. Anders hätte das bei der Irin McGuiness ausgehen können. Sie hätte auch auf Stimmen jenseits der Grenzen ihrer Fraktion hoffen können, sagt zum Beispiel die Grüne Terry Reinke.
"Da ist meine persönliche Meinung, dass Mairead McGuiness, gerade auch aus einem kleineren Mitgliedsstaat kommend, eine sehr positive Rolle spielen könnte und dieses Parlament an vielen Stellen wieder stärker zusammen führen könnte."
Hätte können – daraus wird nun jedenfalls nichts. Breite fraktionsübergreifende Unterstützung zeichnet sich im Moment weder für Tajani noch Pitella ab. Bei der EVP hofft man, dass die Sozialdemokraten sich doch noch an die ursprüngliche Abmachung halten, die sie seinerzeit eingegangen sind, als die EVP Martin Schulz - entgegen den üblichen Gepflogenheiten - zu einer zweiten Amtszeit als Parlamentspräsident verhalf: Dass die Sozialdemokraten bei der nächsten Wahl im Gegenzug einen EVP-Kandidaten mittragen werden. Das hofft auch Manfred Weber, Fraktionsvorsitzende der EVP. Er hält Tajani für einen guten Kandidaten. Ob mit Tajani das zu schaffen ist, was Weber in einem Brief an alle Vorsitzenden der Mitte-Links bis Mitte-Rechts-Fraktionen, vor der Kandidaten-Kür der EVP gewünscht hat, muss sich zeigen.
"Auf Partnerschaft weiter zu bauen, auf miteinander weiter zu bauen. Im Kern, im Mittelpunkt steht, dass die proeuropäischen Fraktionen Konsens finden und aufeinander zugehen."