Wenn man auf die Geschichte schaue, habe jeder Integrationsschritt in der Europäischen Union den Deutschen immer genutzt, sagte Laschet im Deutschlandfunk. Natürlich sei es offenkundig, dass man als wirtschaftsstarke Nation auch mehr zahlen müsse. "Aber wir gewinnen auch viel durch jeden Integrationsschritt", sagte Laschet.
Der nordrhein-westfälische Ministerpräsident hatte sich in einem Gastbeitrag für die "Frankfurter Allgemeine" (Donnerstagsausgabe) unter anderem für eine europäische Armee, einen europäischen Nachrichtendienst und langfristig auch für einen Euro-Finanzminister aus.
Offene Grenzen für Deutschland als Exportland enorm wichtig
Für Deutschland als Exportland sei es sehr wichtig, offene Grenzen für Waren, Personen für Dienstleistungen zu haben. "Das wir wirtschaftlich auch heute so stark dastehen, wäre ohne den Binnenmarkt nicht möglich gewesen", sagte der stellvertretende CDU-Vorsitzende.
Macrons Idee sei, eine gemeinsame Wirtschafts- und Währungspolitik zu machen. "Die ist aber bislang nie umgesetzt worden." Man stehe an einer schwierigen Phase in Europa, sagte Laschet. "Wir brauchen mehr Europa, die Nationalstaaten werden allein nicht aus der Krise kommen."
Für die Bewältigung der Flüchtlingsproblematik schlug er eine gemeinsame europäische Asylbehörde vor. Durch eine solche Behörde solle auch die Verteilung der Migranten auf die EU-Mitgliedsstaaten organisiert werden. Sollte die Verteilung der Flüchtlinge aber erneut stocken, müssten Deutschland und Frankreich geschlossen voran gehen, um eventuell andere Länder mitzuziehen.
Christine Heuer: Emmanuel Macron hat gesprochen und wartet auf eine Antwort seit dem Sommer schon, denn so lange ist die Rede des französischen Präsidenten zur Reform Europas her. Macron hatte Mut gefordert und eine stärkere Integration der EU, eine gemeinsame europäische Armee zum Beispiel und besonders eine engere Zusammenarbeit in der Wirtschafts- und Währungspolitik. Berlin reagierte verhalten und tut das wegen der schwierigen Regierungsbildung bis heute. Aber die europäische Kommission hat gestern ihre Vorschläge für Reformen in der Eurozone gemacht und heute meldet sich unter der Überschrift "Schluss mit der Zögerlichkeit" mit einem Gastbeitrag in der "FAZ" und hier im Deutschlandfunk Armin Laschet zu Wort, Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen und stellvertretender CDU-Vorsitzender im Bund. Guten Morgen, Herr Laschet.
Armin Laschet: Guten Morgen, Frau Heuer.
Heuer: Es gibt im Fußball ja ein berühmtes Zitat: Fußball ist ein Spiel, bei dem 22 Spieler hinter dem Ball herjagen, und am Ende siegen immer die Deutschen. Ist die EU, Herr Laschet, eine Gemeinschaft, in der 27 reformiert werden und am Ende bezahlen immer die Deutschen?
Laschet: Nein, natürlich nicht. Denn wenn man sich die Geschichte der Europäischen Union, der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft am Anfang und später der Europäischen Union anschaut, dann war es so, dass jeder Integrationsschritt immer gerade auch uns Deutschen genutzt hat. Natürlich zahlen wir viele Beiträge in die Europäische Union, weil wir auch sehr wirtschaftsstark sind. Deshalb ist das logisch, dass wir da mehr zahlen. Aber wir gewinnen auch viel durch jeden Integrationsschritt, wenn Sie beispielsweise an den europäischen Binnenmarkt denken. Für uns als Exportland ist es enorm wichtig, dass wir offene Grenzen haben für Waren, für Personen, für Dienstleistungen. Für alles, was wir herstellen, können wir heute in einem großen Markt unsere Produkte verkaufen. Und dass wir auch wirtschaftlich so gut heute dastehen, wäre ohne den Binnenmarkt nicht möglich gewesen.
Heuer: Wenn es das viele Geld wert ist, warum, Herr Laschet, haben Sie dann die besonders teuren Vorschläge von Macron in Ihrem Aufsatz gar nicht erst erwähnt?
Laschet: Was sind die besonders teuren Vorschläge?
Heuer: Eurozonen-Budget.
"Eine gemeinsame Wirtschafts- und Währungspolitik ist nie richtig umgesetzt worden"
Laschet: Das Eurozonen-Budget ist die Frage, ist es wirklich richtig: Wenn die Briten jetzt die Europäische Union verlassen, dann sind wir noch 27 Mitgliedsstaaten, und das ist eine sehr technische Frage. Deshalb habe ich das nicht erwähnt, weil ich den Vorschlag noch nicht für ausgegoren halte. 27 Mitgliedsstaaten, davon werden die allermeisten im Euro sein. Und wenn Sie da ein eigenes Budget jetzt schaffen, brauchen Sie ja auch eine Institution, die darüber entscheidet. Also bräuchten Sie quasi ein neues Parlament nur für die Eurozone und neue Mechanismen nur für die Eurozone. Das würde ich eher in den heute schon bestehenden europäischen Institutionen ansiedeln. Das ist das Europäische Parlament und insofern ist das eine technische Frage.
Heuer: Na ja. Herr Laschet, irgendwie ist das ja für die deutschen Steuerzahler auch eine ganz praktische Frage. Denn wenn dieses Budget kommt, das Macron ja möchte, dann würde Deutschland ganz besonders viele Milliarden Euro einzahlen müssen. Kommt das dann später? Sind Sie grundsätzlich dafür oder dagegen?
Laschet: Nein, Frau Heuer. Es ist ja die Frage, wie hoch man es ansetzt. Was soll denn in dieser Eurozone gemacht werden? Seine Grundidee ist, dass wir eine gemeinsame Wirtschafts- und Währungspolitik machen, wie sie eigentlich im Maastricht-Vertrag grundgelegt ist, wie sie aber nie richtig umgesetzt ist. Und um die Eurozone zusammenzuhalten, brauchen wir Investitionen in der gesamten Eurozone, und das werden irgendwann, wenn sie die Kriterien erfüllen, ja alle Mitgliedsstaaten sein.
Heuer: Aber Macron möchte, Herr Laschet, dass da neues Geld fließt und dass sehr viel Geld fließt, und viel von diesem Geld müsste ja aus dem großen Deutschland fließen.
Laschet: Nein, das sagt er nicht. Das ist die deutsche Lesart, die das jedes Mal herausliest. Er sagt nicht, es muss viel Geld fließen, sondern er sagt, wir müssen gemeinsame Investitionen machen. Natürlich wird da auch Deutschland zahlen und wir werden erneut davon profitieren. Aber über die Summe, die Größenordnung, die Höhe sagt er nichts in seiner Rede. Das ist aber auch nicht der Kern der Rede, sondern der Kern der Rede ist ja, wir sind in einer schwierigen Phase in Europa. Wir stehen vor gewaltigen Herausforderungen in der Welt und wir müssen doch eine gemeinsame Antwort da geben. Die Beispiele habe ich ja heute einmal genannt. Natürlich müssen wir den Terrorismus mit gemeinsamen Institutionen bekämpfen, wenn der längst grenzüberschreitend arbeitet. Wir brauchen mehr Europa. Die Nationalstaaten allein werden aus dieser Krise nicht herausfinden.
Heuer: Dann müssten Sie aber auch was schreiben zu den Flüchtlingen und ihrer Verteilung in Europa. Da finde ich auch nichts zu.
"Wir brauchen logischerweise eine gemeinsame Asylbehörde"
Laschet:!! Dann müssen Sie es lesen. Es sind ja auch nur ein paar Zeilen.
Heuer: Das steht bei Ihnen nicht.
Laschet: Doch! Es steht da drin, dass wir logischerweise eine gemeinsame Asylbehörde brauchen. Die wenigsten Hörer werden das jetzt gelesen haben, was heute in der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" steht, aber das ist ein Teil der Sicherheit: ein gemeinsamer Grenzschutz, eine gemeinsame Asylbehörde, eine gemeinsame Asylpolitik. Denn es kann nicht funktionieren in einem Europa offener Grenzen, dass in jedem Land andere Kriterien gelten.
Heuer: Aber es steht zum Beispiel nicht drin, Herr Laschet, dass andere Staaten, zum Beispiel auch Frankreich – die nehmen ja keine Flüchtlinge auf -, dass die mehr Flüchtlinge aufnehmen sollen. Das sind ja alles Punkte, die die deutschen Bürger, die Sie für Europa begeistern wollen, ganz besonders interessieren. Deshalb frage ich danach.
Laschet: Eine gemeinsame Asylbehörde heißt doch, dass ein Flüchtling in dem Gebiet der Europäischen Union ankommt und es dann eine europäische Verteilung von Flüchtlingen gibt und dass es gleiche Standards in Europa gibt. Alles das ist in seiner Rede erwähnt und in meinem Beitrag auch.
Heuer: Aber Sie sind sicher, dass dann Frankreich zum Beispiel und die Osteuropäer, wenn das umgesetzt wird, sich nicht mehr verweigern würden?
Laschet: Was mit den Osteuropäern ist, ist eine andere Frage. Der französische Präsident appelliert zunächst mal, legt erst mal eine Idee auf den Tisch. Das finde ich das Starke daran, dass er überhaupt mal wieder eine Vision, eine europäische Idee auf den Tisch legt. Als zweites sagt er und er greift damit einen Gedanken von Wolfgang Schäuble und Karl Lamers von vor 25 Jahren auf: Wenn nicht alle mitmachen, dann müssen einige wenige vorangehen, und einige wenige könnten schon Deutschland und Frankreich sein, könnten vielleicht auch die Gründerstaaten der Europäischen Union sein. Der, der mitgehen will, hat jetzt die Chance mitzugehen, aber Deutschland und Frankreich könnten sagen, für uns vereinbaren wir gemeinsame Regeln, gemeinsame Standards, und dann setzen wir die auch um, und es werden mit der Zeit weitere folgen.
Heuer: Zum europäischen Finanzminister wollen Sie wie auch die europäische Kommission, wenn ich das richtig verstanden habe, erst mal den Währungskommissar machen, also einen Mann, der nie gewählt worden ist.
Laschet: Was heißt, der nie gewählt worden ist? Der ist mehr gewählt als jeder Bundesminister. Der ist nämlich benannt. Dann muss der in das Europäische Parlament. Dann muss der vier Stunden in einem Ausschuss seine Sachkompetenz belegen und dann wird er vom Europäischen Parlament bestätigt oder auch nicht bestätigt.
Heuer: Aber die Bürger in Europa wählen ihn nicht.
Laschet: Die wählen auch, Frau Heuer, nicht den Bundesfinanzminister.
"Wir müssen die Zahl der Kommissare reduzieren"
Heuer: Nein, aber die wählen eine Partei. Die wählen dann eine Partei und diese Möglichkeiten haben die Bürger ja, wenn ein europäischer Finanzminister ernannt wird, nicht. – Ich erwähne das ja auch nur deshalb, Herr Laschet, weil Ihnen geht es darum, mehr Begeisterung für Europa zu wecken und diese Euroskepsis zu überwinden. Aber so ein Vorschlag, ist das nicht genau die falsche Idee?
Laschet: Nein, der ist genau die richtige Idee, und dann muss ich die Institutionen noch mal kurz erklären. Bei der Europawahl wählen Sie eine Partei und diese Partei wählt seit der letzten Europawahl über die Stärke im Europäischen Parlament den Präsidenten der Kommission. Dieser muss dann seine Kommissare benennen, schlägt sie dem Europäischen Parlament vor, und dort muss – und das würde ich mir mal bei manchem deutschen Bundesminister wünschen – vier, fünf Stunden, bevor er Minister wird, zu dem Fachgebiet, für das er ernannt wird, den Abgeordneten Rede und Antwort stehen. Dann wird er am Ende noch mal bestätigt. Bei uns in der deutschen Verfassung ist es so: Sie wählen eine Partei und die wählt einen Bundeskanzler oder eine Bundeskanzlerin und die ernennt die Minister, und die sind das dann.
Heuer: Wir haben ja gesehen, wie in Brüssel Posten besetzt werden in diesem interessanten Zusammenspiel von Martin Schulz und Jean-Claude Juncker seinerzeit. Das haben die Bürger ja nicht vergessen.
Laschet: Das war ein sehr gutes Zusammenspiel. Wo sehen Sie das Problem? Ich verstehe jetzt nicht diese Frage. Der französische Präsident Macron sagt zugleich, wir brauchen auch nur noch 15 Kommissare. Wir müssen die Zahl der Kommissare reduzieren und die müssen einem Parlament verantwortlich sein. Das ist das, was Europa voranbringen könnte, aber es geht ja in der Person des Finanzministers doch darum, dass man die Haushalte beispielsweise in der Eurozone besser im Vorfeld steuern kann, nicht erst nachher blaue Briefe schicken, wenn die Regeln nicht eingehalten werden, sondern einen solchen Finanzminister stärker auch mit den Mitgliedsstaaten bei der Aufstellung des Haushaltes beteiligen. Diesen Vorschlag hat übrigens schon vor zehn Jahren Wolfgang Schäuble gemacht und eigentlich ist er logisch. Es kann nicht jeder gegen die Regeln verstoßen. Wir brauchen einen starken Währungskommissar.
Heuer: Armin Laschet, Ministerpräsident in Nordrhein-Westfalen und stellvertretender Bundesvorsitzender der CDU. Herr Laschet, vielen Dank für das Gespräch.
Laschet: Bitte schön.
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