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EU-Ratspräsidentschaft
"Deutschland wird am Wiederaufbaufonds gemessen"

Am 1. Juli übernimmt Deutschland die EU-Ratspräsidentschaft. Wegen der Coronakrise müssten einige Themen verschoben werden, sagte der Politologe Nicolai von Ondarza im Dlf. Oberstes Ziel für Deutschland werde es sein, einen Finanzrahmen und die Mittel für den Corona-Wiederaufbaufonds auszuhandeln.

Nicolai von Ondarza im Gespräch mit Birgid Becker |
Bundeskanzlerin Merkel steht vor mehreren EU-Flaggen.
Kanzlerin Merkel will die Corona-Krise in den Mittelpunkt der EU-Ratspräsidentschaft stellen (picture alliance/dpa/Alexey Vitvitsky)
Am 1. Juli 2020 übernimmt Deutschland für sechs Monate die Präsidentschaft im Rat der Europäischen Union (EU). Klima, Digitales, Brexit – eigentlich hatte man sich viel vorgenommen, doch dann kam die Coronakrise. "Das ist das Thema Nummer eins in Europa, das in vielen Mitgliedstaaten viele Probleme auslöst", sagte Nicolai von Ondarza, Politologe bei der Stiftung Wissenschaft und Politik in Berlin, im Dlf. Die Coronakrise werde daher die ganze Agenda der EU überschatten. "Auch, weil die logistische Arbeit gar nicht richtig stattfinden kann, weil viele Treffen in Brüssel selbst beschränkt sind."
Berlin, Präsentation der 2-Euro-Sondermünze 2020 Brandenburg im Bundeskanzleramt Deutschland, Berlin - 14.02.2020: Im Bild ist die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel CDU zu sehen. Berlin Bundeskanzleramt Berlin Deutschland *** Berlin, presentation of the 2 Euro commemorative coin 2020 Brandenburg in the Federal Chancellery Germany, Berlin 14 02 2020 The picture shows the German Chancellor Angela Merkel CDU Berlin Federal Chancellery Berlin Germany
EU-Ratspräsidentschaft - Die Kanzlerin vor Europas Problemen
Für Deutschland und die EU-Ratspräsidentschaft ab dem 1. Juli kommt vieles anders als erwartet. Mit der unvorhergesehenen Coronakrise steht der Wiederaufbau Europas im Vordergrund. Kanzlerin Angela Merkel muss hierfür eine politische Agenda gestalten – für ganz Europa.
"Als ehrlicher Makler auftreten"
Die EU-Ratspräsidentschaft ist kein mit Macht und Befugnissen ausgestattetes Amt, daher, so Von Ondarza, werde sie häufig überschätzt. "Es ist vor allem eine vermittelnde Funktion, man erwartet von einer Ratspräsidentschaft eher als ehrlicher Makler aufzutreten, der Kompromisse zwischen den Mitgliedsstaaten aushandelt", sagte er. Man könne fast nichts alleine entscheiden.
Mit Blick auf den Machtfaktor Deutschlands in der EU, sagte er Politologe: "Angela Merkel ist die erfahrenste Regierungschefin in der Europäischen Union und bringt ein großes Netzwerk mit. Wenn wir nicht in Coronazeiten leben würden, dann hätte es aber schon schwierig werden können, denn eigentlich sollte es mittlerweile eine andere CDU-Spitze geben und dann hätte es durchaus Fragen über die Führung von Angela Merkel geben können", sagte von Ondarza. Doch jetzt gehe sie mit sehr viel positivem Rückhalt in die EU-Ratspräsidentschaft – und könne damit in dieser außerordentlichen Situation mehr für Europa tun, als wenn es eine "normale Präsidentschaft am Ende ihrer Bundeskanzlerinnen gewesen wäre".
Im Mittelpunkt: der EU-Wiederaufbaufonds
Auch wenn die Coronakrise das Handlungsfeld für Deutschland während der EU-Ratspräsidentschaft reduziert, gibt es dennoch hohe Erwartungen. Nicolai von Ondarza geht aber davon aus, dass in der derzeitigen Situation einige Themen verschoben werden oder noch mal anders gedacht werden müssen - so wie zum Beispiel beim "Green Deal" - einem Großprojekt der neuen Kommission von Ursula von der Leyen.
Coronavirus
Übersicht zum Thema Coronavirus (imago / Rob Engelaar / Hollandse Hoogte)
Deutschlands EU-Ratspräsidentschaft werde am siebenjährigen Finanzrahmen und am EU-Wiederaufbaufonds gemessen. Dabei geht es um die Mittel, die Deutschland und Frankreich vorgeschlagen haben, um die Disparitäten zwischen den Mitgliedstaaten ein Stück weit auszugleichen. "Das Herzstück dieser Präsidentschaft, das was das oberste Ziel sein wird, ist, in relativ kurzer Zeit diesen Finanzrahmen und die Mittel für den Wiederaufbaufonds auszuhandeln, wo es nicht nur um politische Prioritäten geht, sondern auch ganz stark um die Verteilung zwischen den Mitgliedstaaten", so von Ondarza.