Nach der Slowakei nun also Malta, auch ein kleines EU-Land, mit knapp 450.000 Einwohnern das kleinste, um genau zu sein. Und dennoch dürfte der Wind in den kommenden sechs Monaten aus einer anderen Richtung wehen. Nicht mehr von Osten, wo die Flüchtlingskrise ausschließlich als Folge deutscher Willkommenskultur und den Grenzschutzproblemen unfähiger Nachbarstaaten wahrgenommen wird, sondern aus dem Süden Europas, der das Anlanden und Kentern überfüllter Flüchtlingsboote tagtäglich miterlebt, auch wenn der kleine Inselstaat vom Nachbarn Italien entlastet wird, der Blickwinkel ändert sich. Wie Italien, Griechenland und Spanien sieht man sich in Malta einsam und alleingelassen im Zentrum des Problems. Entsprechend hartnäckig wird sich die Suche nach einer Lösung gestalten, erklärt der maltesische Innenminister Carmelio Abela.
"Für diese Herausforderung brauchen wir einen gemeinsamen Plan. Das würde unseren Bürger, und Europa als Ganzes ein besseres Leben ermöglichen."
Die EU-Kommission sieht Licht am Ende des Tunnels
Dazu gehört aus maltesischer Sicht zunächst eine gerechte Verteilung der Flüchtlinge, und zwar auf ganz Europa. Für 160.000 Flüchtlinge aus Griechenland und Italien ist die zwar seit über einem Jahr fest vereinbart, kommt aber nur ganz allmählich in Gang. Grund dafür sind zum einen die prinzipiellen Vorbehalte der Osteuropäer. Ungarn und die Slowakei klagen gar vor dem Europäischen Gerichtshof. Zum anderen ist es aber auch die schiere Überlastung wie in Deutschland, die zu Verzögerungen führt und nicht zu vergessen die organisatorischen Probleme der Erstaufnahmeländer bei der Registrierung der Flüchtlinge. Deshalb sind von den 160.000 bislang gerade mal 10.000 Menschen umgesiedelt worden.
Rund 1.100 nach Deutschland, das damit immerhin Platz drei der umsiedelungswilligen EU-Staaten belegt, nur Frankreich und die Niederlande waren leicht besser beim Erfüllen ihrer Zusagen. Dennoch sieht zumindest die EU-Kommission Licht am Ende des Tunnels, wie Flüchtlingskommissar Dimitris Avramopoulos kürzlich feststellte.
"Wir sind nicht mehr in derselben Situation wie letztes Jahr, trotzdem ist die Krise nicht vorüber. Wir werden unsere Anstrengungen verdoppeln müssen."
Viel Arbeit für den kleinen Inselstaat
Oder besser verdreifachen. Denn genau das wäre bei der Flüchtlingsumverteilung nötig, damit beispielsweise Deutschland sein zugesagtes Kontingent bis August 2017 noch erfüllen kann. Doch all die Zahlenspiele sind wohl zweitrangig, wenn es nicht bald gelingt, eine grundsätzliche Einigung in der Asyl- und Flüchtlingspolitik zu erzielen. Deshalb ist auch EU-Ratspräsident Tusk überzeugt, die größte Aufgabe der Malteser wird es sein:
"Die Reform des Asylsystems voranzutreiben. Das Ziel muss ein europaweiter Konsens sein."
Und der ist derzeit nicht in Sicht, denn während die osteuropäischen Staaten auf dem alten sogenannten Dublin-System beharren, wonach Flüchtlinge dort ihren Asylantrag stellen müssen, wo sie erstmals europäischen Boden betraten, dringen die Mittelmeerstaaten, ebenso wie Deutschland auf eine neue, gerechtere Rollenverteilung. Je nach Interessenlage gehen die Forderungen von einem permanenten Verteilschlüssel für alle EU-Mitgliedsländer, bis hin zu der Idee, eines Clubs der Willigen mit Ländern wie Deutschland, Frankreich und den Benelux-Staaten, während sich andere zumindest an den Kosten der Flüchtlingsunterbringung beteiligen. Ein Vorschlag der EU-Kommission liegt auch schon auf dem Tisch, mindestens ebenso umstritten: Er sieht vor, das Dublin-System weiter aufrechtzuerhalten, darin aber einen Notfallmechanismus einzubauen. Der würde dann im Falle einer neuen Flüchtlingskrise greifen, und dazu führen, dass sich alle EU-Staaten an den Lasten beteiligen müssten. Bis zum Ende der maltesischen Ratspräsidentschaft soll die Reform im Grundsatz stehen. Viel Arbeit also für den kleinen Inselstaat.