Österreich hat den EU-Ratsvorsitz unter dem Motto "Ein Europa, das schützt" am 1. Juli übernommen. Ein Motto, das für Robert Menasse sehr nach einer Neuformulierung von "Festung Europa", klinge, sagte der österreichische Schriftsteller im Dlf. Der österreichische Kanzlerl Sebastian Kurz wolle den Österreichern womöglich das Gefühl geben, geschützt zu werden vor dem Einbruch von Fremden und fremden Kulturen.
Kurz habe keine Vorstellung von einem künftigen Europa. Er kenne die Vision der Gründerväter des europäischen Projekts nicht, sagte der Autor der des preisgekrönten Buchs "Die Hauptstadt". "Er missbraucht die Europapolitik, um innenpolitische Signale zu senden."
Dabei seien in einer globalisierten Welt alle Probleme transnational geworden. Dem österreichischen Bundeskanzler gehe es vor allem darum, dass er bei den nächsten Wahlen wieder nationale Wähler absaugen wolle.
"Kurz hat nie Erasmus gemacht"
Das Problem von Kurz sei, dass er zu jung sei, um erlebt zu haben, was die Generationen dafür wussten und kannten. Die Vorgängergeneration habe die Kriege erlebt, die durch Konkurrenz der Nationalstaaten ausgelöst wurden. "Die Generation, die die rauchenden Trümmer noch gesehen hat, die hat europäisch gedacht. Egal auf welcher politischen Agenda", sagte der 64-Jährige im Dlf.
Kurz sei eigentlich ein Angehöriger der Erasmus-Generation. "Aber er hat nie Erasmus gemacht. Er hat befürchtet ein Jahr in seiner nationalen Karriere zu verlieren, wenn er an einer ausländischen Universität studiert hätte", kritisierte der Österreicher.
Kein Brückenbauer für Europa
Kurz sei auch kein Brückenbauer, als den er sich immer bezeichne. "Nein, das sind Phrasen." Viel mehr habe der 31-jährige Kanzler in seiner Zeit als Außenminister ununterbrochen die europäische Politik blockiert.
Vermutlich werde man während der österreichischen EU-Ratspräsidentschaft man nun sechs Monate lang ununterbrochen die Worte "Flüchtlinge", "Asylant" und "Islam" hören, fürchtete Menasse.
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