Sina Fröhndrich: Die Industrie und die Energiewende, da gibt es noch viel Gesprächsbedarf, und der besteht seit dem Wochenende auch zwischen der Schweiz und der EU. Die Schweizer sagen Nein zur Zuwanderung, wollen sie begrenzen, und die EU stellt deswegen die Beziehungen in gewisser Weise in Frage. Heute ist sie schon konkret geworden: sie will Gespräche über ein Energieabkommen mit der Schweiz aussetzen. Darüber habe ich mit Christian Egenhofer gesprochen, Energieexperte am Centre for European Policy Studies in Brüssel. Herr Egenhofer, worum genau geht es dort eigentlich bei diesem geplanten Stromabkommen, über das man jetzt nicht mehr sprechen will?
Strom etwas schwieriger zu handeln
Christian Egenhofer: Im Augenblick haben wir in der EU eine Marktkoppelung. Das heißt, dass Strom relativ einfach gehandelt werden kann, und dadurch haben wir auch gleiche oder ziemlich ähnliche Preise in diesen Regionen. In der Schweiz ist es im Augenblick ein bisschen anders. Hier haben wir noch ein modifiziertes System, das sind die sogenannten expliziten Auktionen, und das bedeutet, dass Strom etwas schwieriger zu handeln ist, und das könnte dann dazu führen, dass die Strompreise nicht die gleichen sind zwischen der Schweiz, Deutschland und seinen Nachbarn.
Fröhndrich: Was hätte das denn jetzt ganz konkret für uns Stromkunden für Folgen, wenn wir es jetzt konkret machen?
Preise relativ synchron
Egenhofer: Im Augenblick hätte es eigentlich gar keine Folgen für die Stromkunden, weil schon unter dem gegenwärtigen System sind die Preise zwischen der Schweiz, Deutschland und seinen Nachbarn relativ synchron. Deswegen ist es auch nicht ganz einfach einsehbar, was jetzt tatsächlich das für Auswirkungen haben würde, wenn dieses Stromabkommen ausgesetzt werden würde. Allerdings was passieren würde - und das ist etwas überraschend, dass die EU dann diesen Bereich der Strommärkte herausgesucht hat, um Druck auf die Schweiz auszuüben -, was passieren würde ist, dass vor allem Italien Leidtragender sein wird, weil die Preise in Italien sind im Vergleich zu den anderen Märkten, Deutschland und seinen Nachbarn, viel höher, und ohne dass sie die Schweiz in diesen größeren Markt, diese Marktkoppelung einbeziehen, ist es nicht vorstellbar, dass tatsächlich die italienischen Preise sinken und so an das westeuropäische Niveau herangeführt werden.
Widerspruch aus Italien?
Fröhndrich: Das heißt, da wird es dann vielleicht aus Italien auch noch mal Widerspruch geben, dass man sich jetzt ausgerechnet den Energie- beziehungsweise den Strommarkt rausgepickt hat als Reaktion auf die Volksabstimmung in der Schweiz?
Egenhofer: Ja ich kann mir nicht vorstellen, dass es von italienischer Seite widerspruchslos aufgenommen wird, und es ist wahrscheinlich ein Schnellschuss. Man versucht, jetzt mal alle verschiedenen Möglichkeiten zu testen und auszuloten, wo dann tatsächlich die Schweizer allergisch sind, beziehungsweise wo auch ein Konsens innerhalb von Europa möglich ist. Ich denke mir, dass diese Sache relativ schnell in eine andere Richtung gehen wird. Wenn man ein bisschen weiterdenkt, ist es auch schwer vorzustellen, dass sie tatsächlich einen gekoppelten integrierten Markt längerfristig bekommen, der jetzt auch Deutschland, Frankreich, seine Nachbarn, Österreich, dann reden wir über Slowenien, Kroatien und dann auch Italien, dass wir einen integrierten Markt haben können ohne die Schweiz. Durch die Schweiz gehen sehr viele Leitungen. Die Schweiz hat vor allen Dingen auch sehr, sehr wertvolle Wasserkraft, die sehr wichtig ist, um auch als Backup-Kapazitäten für die erneuerbaren Energien zum Beispiel in Deutschland zu funktionieren. Das heißt, die Schweiz ist eigentlich ein unverlässlicher Teilnehmer in diesem ganzen europäischen Markt und hat auch auf seiner Seite viel mehr den Europäern, der EU zu bieten als umgekehrt.
Fröhndrich: Die EU setzt Gespräche über den Strommarkt mit der Schweiz aus und schießt sich damit womöglich ein Eigentor. Einschätzungen waren das vom Energieexperten Christian Egenhofer.
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