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Gegen Propaganda und Manipulation
Strengere EU-Regeln für politische Werbung im Netz

Politischer Wahlkampf in TV und Radio ist streng reguliert. Doch im Netz gibt es dafür bislang kaum Regeln. Deshalb hat sich die EU jetzt auf neue Maßnahmen geeinigt: Politische Anzeigen sollen transparenter - und die User so besser geschützt werden.

Von Carolin Born |
Das beleuchtete Gebäude der EU-Kommission in Brüssel bei Nacht.
Die EU will mit neuen Regeln Nutzer vor politischer Propaganda im Netz schützen. (Imago / NTB / Cornelius Poppe)
Die neue Verordnung ist eine Lehre aus dem Skandal um Cambridge Analytica - der britischen PR-Agentur, die Nutzerdaten von Facebook für Donald Trumps siegreichen Präsidentschaftswahlkampf 2016 und die Leave-Kampagne zum Brexit genutzt hat. Basierend auf den Profilen der Nutzer wurde gezielt politische Werbung geschaltet.

Die Lehren aus dem Skandal um Cambridge Analytica

Die zuständige Kommissionsvizepräsidentin Vera Jourova sagt, sie habe das neue Regelwerk vor zwei Jahren vorgeschlagen, "um die Wähler vor Manipulation und vor versteckter Online-Werbung zu schützen."
Der eine Teil des Regelwerks zielt auf Akteure außerhalb der EU. So soll verhindert werden, dass Wahlen oder Abstimmungen beeinflusst werden - beispielsweise durch Desinformationskampagnen aus dem Ausland.

EU will politische Einmischung aus dem Ausland verhindern

Der SPD-Europaabgeordnete René Repasi: "Die wichtigste Regel, um eine ausländische Einmischung bei der politischen Werbung zu verhindern, ist das Totalverbot der Finanzierung politischer Werbung durch Unternehmungen oder Einrichtungen aus Drittstaaten drei Monate vor einem Wahltag. Dann dürfen nur noch in der EU niedergelassene Unternehmen oder Personen eine politische Werbung finanzieren."
Gibt es in einem EU-Mitgliedsland bereits strengere Vorschriften, bleiben diese bestehen. Darüber hinaus soll es künftig in der EU eine ganze Reihe von Transparenzvorschriften geben. Denn, so die EU-Kommission: vielen würde es im Internet schwerfallen, bezahlte Anzeigen zu erkennen - also dass es sich dabei um politische Werbung handelt.

Klare Kennzeichnung politischer Werbung im Netz

Deshalb soll politische Werbung im Netz künftig klar gekennzeichnet werden, und zwar, so René Repasi, unter anderem bei einer Anzeige selbst:
"Diese soll jetzt einen Warnhinweis enthalten: 'Diese Werbung ist eine politische Werbung'. Und darunter eine Kennzeichnung: Wer hat die Werbung eigentlich finanziert? Das findet jetzt etwa auch schon bei Instagram statt."
Außerdem soll es für Nutzer unkompliziert weitere Informationen geben - zum Beispiel, wie viel für eine Anzeige gezahlt worden ist.

Register für Auftraggeber von Online-Anzeigen

Zudem will die EU-Kommission eine Datenbank aufbauen, in der die Auftraggeber und die Finanzierung für Online-Anzeigen aufgelistet sind – und auch, warum Nutzern eine bestimmte Reklame angezeigt wird. Das könnte Wissenschaftlern helfen, die Desinformationskampagnen untersuchen.
Was wir online klicken, suchen, kommentieren oder liken – daraus werden Profile entwickelt und unsere vermeintlichen Interessen abgeleitet, auf deren Grundlage wir dann durch Werbung im Netz angesprochen werden. Solche Anzeigen sind ein lukratives Geschäft für große Online-Plattformen.
Mit dem Digitale Dienste Gesetz setzt die EU den Tech-Giganten bereits Grenzen für Werbung, die auf unseren persönlichen Daten basiert.

"Spaltung der Gesellschaft vermeiden"

Mit der neuen Verordnung gilt für einen größeren Kreis von Werbeanbietern: Maßgeschneiderte politische Botschaften dürfen nicht auf der Grundlage sensibler Daten ausgespielt werden. Dazu zählen sexuelle oder politische Orientierung, Religion sowie Gesundheitsdaten.
Das sei wichtig, so die Grünen-Politikerin Alexandra Geese, "um die Spaltung der Gesellschaft zu vermeiden. Um zu verhindern, dass beispielsweise Menschen mit Angststörungen systematisch besonders verängstigende Inhalte zugespielt bekommen. Allerdings geht die Einschränkung nicht weit genug: Parteien können immer noch widersprüchliche Botschaften an unterschiedliche Personengruppen senden."

Wird Verantwortung auf Nutzer abgewälzt?

Nur für Minderjährige ist die zielgerichtete Werbung aufgrund persönlicher Merkmalen tabu. Nutzer über 18 Jahre müssen hingegen ausdrücklich zustimmen, dass Werbung auf sie zugeschnitten werden darf. Wer explizit nicht nach seiner Zustimmung gefragt werden will, soll sich mit der „Do not track“-Einstellung im Browser davor schützen können.
Für die EU-Abgeordnete Geese ein Fortschritt. Piraten-Politiker Patrick Breyer kritisiert, dass dadurch die Verantwortung auf den einzelnen Internetnutzer abgewälzt wird.
Die neuen Regeln werden nicht mehr für die Europa-Wahlen im kommenden Juni greifen - sie gelten erst 18 Monate, nachdem die Verordnung in Kraft getreten ist. Dafür müssen das EU-Parlament und die Mitgliedsstaaten noch final zustimmen – das gilt als Formsache.