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EU-Reise für Lokaljournalisten
Europa als Stadtgespräch

Entscheidungen der EU sind nicht nur für die Mitgliedsländer, sondern auch für die Städte und Landkreise wichtig. Wie man Europa auf lokaler Ebene erzählen kann, dazu haben sich Lokaljournalisten in Brüssel Anregungen geholt.

Von Kai Rüsberg |
Flaggen vor dem Europäischen Parlaments in Brüssel, mit Blick von der Rue Wiertz.
Lokaljournalisten aus Deutschland waren in Brüssel zu Gast. (picture alliance / Daniel Kalker)
Um 07.30 Uhr am frühen Morgen sammeln sich 25 Lokaljournalisten auf dem Flur der Landesanstalt für Medien (LfM) in Düsseldorf. Bis hierhin haben die meisten Redakteure bereits zwei Stunden Anreise aus allen Ecken von NRW hinter sich. Für einen Kaffee ist keine Zeit, der Bus nach Brüssel wartet schon.
Organisatorin Nele Nieuwenhuis von der LfM ist froh, dass die Tour ausgebucht ist: "Uns ist natürlich bewusst, unter welchem großen Druck der Lokaljournalismus steht und wie hoch der Druck in den Redaktionen ist und wir wissen das sehr zu schätzen, wenn sich Journalisten Zeit nehmen, auch für solche Fortbildungsformate außerhalb der Redaktion unterwegs zu sein."
Die Journalisten arbeiten in vielen kleinen Lokalredaktionen. Die meisten von ihnen haben keinen Brüsselkorrespondenten. Sie wollen sich daher ein eigenes Bild von den Entscheidungswegen machen. Sabrina Peters arbeitet bei den Niederrhein-Nachrichten, einem kostenlos verteilten Wochenblatt im Raum Kleve. Das ist eine Grenzregion zu den Niederlanden - ganz europäisch orientiert, wo die Grenzbäume schon lange verschwunden sind.
EU-Themen mit lokaler Perspektive
"Deshalb ist es uns ein besonderes Anliegen darüber zu berichten, auch wenn leider kein Kandidat aus unserem Verbreitungsgebiet stammt und wir aber trotzdem darüber berichten wollen und dafür die nötigen Quellen benötigen, Ansprechpartner, wie wir das auch auf unsere Region münzen können."
Die kleine achtköpfige Redaktion hat sich entschieden, vor der Europawahl mit Themen über die EU und die lokalen Auswirkungen der Entscheidungen aus Brüssel bei den Lesern zu punkten: "Wir wollen schon auch kritisch berichten und auch im Hinblick auf die Konkurrenz auch einfach eigene Geschichten schreiben, die woanders nicht erscheinen, um uns davon abzuheben."
Stau auf der Strecke, und der Busfahrer verfährt sich auf dem Weg in die Brüsseler Innenstadt. Als Sabrina Peters den Tagungsort erreicht, ist sie bereits sechs Stunden unterwegs. Einer der Gesprächspartner ist der Europaabgeordnete Jens Geier. Der Essener ist Chef der SPD-Gruppe im EU-Parlament. Gegenüber den Journalisten lässt er erst mal Dampf ab. Er zitiert genervt Stereotype und Vorurteile aus der Presseberichterstattung über die EU.
Journalisten sollen differenzieren
"Hier sitzen nur Vollidioten oder Opas, wir produzieren nur Bürokratie und werfen das Geld zum Fenster heraus und wenn wir mal nicht Bürokratie produzieren, machen wir sinnlose Regelungen." - Was wie eine Standpauke klingt, mündet in Ratschlägen, die der EU-Abgeordnete Geier den Journalisten für ihre künftige Berichterstattung mitgeben will. Er verlangt, dass die Journalisten differenzieren, wer da gerade handelt – genauso wie sie es bei Berichten aus NRW tun würden.
"Hört doch mal auf, bitte zu schreiben oder zu senden: 'Brüssel tut' oder 'die EU hat'. Sie sagen ja nicht: 'Düsseldorf hat beschlossen' oder 'das Land hat beschlossen'. Sie sagen: 'Die Landesregierung hat beschlossen' und 'die Opposition ist anderer Meinung'. Und Sie sagen: 'Diese Fraktion im Landtag ist hierfür und jene dafür'."
Doch eigentlich seien gerade die deutschen Medien oft gut über die EU informiert, sagt Christian Kerl. Er ist fester Brüssel-Korrespondent der Funke-Mediengruppe: "In Frankreich oder Italien, dort klagen unsere Journalisten-Kollegen hier in Brüssel schon darüber, dass ihre Kunden wenig Interesse haben an Europa-Berichterstattung. Bei uns ist das anders, es gibt eine Aufgeschlossenheit, was nicht heißt, dass nun alle EU-Berichte einem aus den Händen gerissen werden - in Teilen gibt es schon eigentlich eher eine freundliche Gleichgültigkeit."
Lokale Auswirkungen von EU-Entscheidungen
Den 25 angereisten Lokaljournalisten empfiehlt er, sich verstärkt um Themen der EU zu kümmern. Viele Entscheidungen hätten direkte Auswirkungen auf die Städte und Gemeinden in Deutschland.
"Es gibt unglaublich viele EU-Entscheidungen, die sehr direkte Auswirkungen haben auf das Leben in Deutschland, auf das Leben jedes einzelnen Bürgers. Von der Stickoxid-Gesetzgebung, über Plastik-Richtlinie. Also es gibt wahnsinnig viel, was lokal behandelt, erörtert, diskutiert werden kann."
Als es im Bus wieder auf den Rückweg geht, hat Sabrina Peters aus Kleve schon elf Stunden Reisezeit hinter sich. "Also ist man doch mal einmal rund um die Uhr unterwegs, aber ich habe den Horizont erweitern können und deshalb war das dann doch ein Tag, der viel gebracht hat."
"Lokaljournalismus ein zentraler Bestandteil"
Auch Nele Nieuwenhuis von der LfM zeigt sich während der Rückfahrt zufrieden: "Für uns sind die beiden Themen Journalismus und Europa zentral in unserer Arbeit, wir freuen uns, dass wir das zusammenbringen können. Der Lokaljournalismus ist für uns ein ganz zentraler Bestandteil der Demokratie, der dafür sorgt, dass die Leute sowohl in den Dingen, die sie ganz unmittelbar zu Hause betreffen, als auch darüber hinaus gut informiert sind und ich denke, dass ist ein zentraler Job von Journalisten, Europa auch im Lokalen relevant zu machen."
Um 21.30 Uhr ist der Bus zurück in Düsseldorf und Sabrina Peters macht sich auf den Heimweg. Bis sie zurück in Kleve ist, werden 17 Stunden vergangen sein.