Es ist eigentlich eine gute Idee: Die Europäische Union will Verbraucher davor schützen, Kredite aufzunehmen, die sie am Ende nicht tragen können. Das ist eine Lehre der Immobilienkrise etwa in Spanien, wo sich viele Verbraucher über ihre Belastungsgrenzen hinaus verschuldet hatten. Doch bei der Umsetzung der "Wohnimmobilienkreditrichtlinie" in deutsches Recht ist der deutsche Gesetzgeber so gründlich vorgegangen, dass bestimmte Bevölkerungsgruppen sich nun schwertun, überhaupt einen Immobilienkredit von ihrer Bank zu erhalten. Die Immobilie selbst spielt bei der Besicherung des Kredits keine besondere Rolle mehr. Es geht vor allem darum, ob der Kunde den Kredit langfristig tilgen kann, ob also die statistische Lebenserwartung dazu ausreicht. Das hat Folgen für bestimmten Kundengruppen, erklärt Uwe Fröhlich, Präsident des BVR, des Bundesverbands der Volks- und Raiffeisenbanken.
"Das führt insbesondere bei Investitionen oder Finanzierungen für altersgerechtes Wohnen oder Wohnraummodernisierung tatsächlich dann zu Problemlagen. Denn wir dürfen als Bank oder Sparkasse eben tatsächlich nicht mehr den Wert des Objektes, gegebenenfalls sogar im Rahmen eines geplanten Verkaufs in ferner Zukunft berücksichtigen. Sondern an dieser Stelle wäre es gut gewesen, wenn tatsächlich die entsprechende Ausnahmeregelung bzw. Öffnungsklausel der europäischen Richtlinie auch vom deutschen Gesetzgeber umgesetzt worden wäre."
Auch junge Paare betroffen
Solche Ausnahmeregeln wären auch für die Anschlussfinanzierung bei älteren Kreditnehmern hilfreich, sagt Fröhlich. Auch junge Familien sind betroffen: Wenn etwa ein Paar mit Kinderwunsch eine Immobilie kaufen möchte und absehbar ist, dass das Familieneinkommen in Zukunft sinkt, kann es ebenfalls sein, dass der Kreditwunsch abgelehnt wird. Die Sparkassen in Baden-Württemberg klagen schon, im zweiten Quartal sei das Volumen der Darlehenszusagen um ein Fünftel gegenüber dem Vorjahreszeitraum gesunken. Das kann Niels Nauhauser, Finanzexperte der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg, nicht bestätigen:
"Nach unserer Beobachtung bekommen die Verbraucher weiterhin ein Darlehen, das ist kein generelles Problem, das der Gesetzgeber verursacht hat, sondern eher eines, das die Banken mit einer Auslegung des Gesetzes herstellen."
Denn die Banken werden jetzt direkt in die Haftung genommen, erläutert Michael Voigtländer, Immobilienexperte des IW, des Instituts der Deutschen Wirtschaft:
"Natürlich sind die Banken schon immer angehalten gerade auch in Deutschland, die Bonität genau zu prüfen. Aber bisher war es eben eine Frage der Aufsicht, d.h. die BaFin hat eben die Banken kontrolliert und im Zweifelsfall den Banken auf die Finger geklopft. Nun ist es so, dass es im BGB verankert ist, d.h. es gibt ein Klagerecht der Bürger, falls sie sich falsch beraten fühlen oder falls sie davon ausgehen, dass die Kreditvergabe nicht verantwortlich war. Und das ist ein ganz neuer Tatbestand."
Viele können sich keine Immobilie leisten
Die Banken sind ja generell bei der Kreditvergabe deutlich vorsichtiger geworden. Mit den neuen Kriterien aber haben etwa auch Arbeitnehmer mit nur befristeten Verträgen kaum Chancen auf einen Immobilienkredit. Die Frage des Eigenkapitals wird deshalb umso bedeutender – und führt dazu, dass viele Menschen sich den Kauf einer Immobilie trotz der aktuell niedrigen Zinsen gar nicht mehr leisten können. Die eigene Immobilie aber ist gerade für die Altersvorsorge ein wichtiger Baustein.