Ob Gasheizung, Warmwasserboiler oder Gasherd – fast 40 Prozent des in Deutschland verbrauchten Erdgases fließt aus Russland zu uns. Doch so politisch brisant die Ukraine-Krise momentan ist: Verbraucher müssen sich aktuell keine Sorgen machen, dass der Gashahn zugedreht wird. An den Märkten ist die Lage in den letzten Monaten stabil geblieben. Der Grund: Etwa die Hälfte des Gases beschaffen sich die Versorger über langfristige Verträge, der Rest wird an den Märkten über Termin- oder Tagesgeschäfte besorgt. Zwar reagierten diese Handels-Börsen, sagt Rainer Wiek vom Energie Informationsdienst ...
" ... gleichwohl ist die Versorgungssituation komfortabel. Es fließt viel Gas nach Deutschland, aus allen möglichen Richtungen in einer Situation, wo wir diese Mengen gar nicht so brauchen."
Gas-Handelsvolumen verdreifacht
Und obwohl der Verbrauch in den Sommermonaten sinkt, langen die Großhändler und Versorger am Markt weiter kräftig zu. An der Energiebörse EEX in Leipzig hat sich das Handelsvolumen im ersten Quartal im Vergleich zum Vorjahr verdreifacht. Dieser Effekt, so die EEX, hänge auch mit der politischen Unsicherheit zusammen. Allerdings gebe es auch marktinterne Faktoren. So gebe es schlicht mehr Handelsteilnehmer am Markt. Russland gilt noch immer als verlässlicher Partner:
"Die russische Gasversorgung läuft seit Jahrzehnten – und man sollte tatsächlich nicht so tun, als sei diese Abhängigkeit einseitig. Denn mancher sagt: Russland ist noch viel abhängiger von Westeuropa als Kunden und von einem Komplettausfall möglicherweise viel stärker betroffen wäre, als das die Abnehmerländer wären. Gleichwohl: Sollte es da zu größeren Störungen kommen, wird das beide Seiten mit Schmerzen treffen, das ist ganz klar."
Für Erdgas-Kunden würde das laut Rainer Wiek vorerst keine Knappheit bedeuten – aber steigende Preise. Denn die Handelsinfrastruktur mit Russland ist sehr gut ausgebaut, könnte dann aber nicht genutzt werden. Der Wettbewerb um andere Quellen würde steigen, um Gas aus dem Mittleren Osten etwa - und damit auch die Preise. Die Vorkommen in Deutschland würden da erst einmal nicht weiterhelfen. Hier wird überwiegend L-Gas gefördert – eine Gasart mit niedrigerem Brennwert. Solche Anschlüsse haben fast nur noch Kunden im Rheinland und Ruhrgebiet. Der Rest der Kunden wird mit H-Gas versorgt – also Gas mit höherem Brennwert.
"Man könnte jetzt meinen, da russisches Gas auch H-Gas-Qualität ist, dass daraus eine gewisse Dramatik entstehen könnte. Aber auch das nimmt der Markt nicht so wahr."
Denn H-Gas wird weltweit gefördert, nicht nur in Russland. Hinzu kommt die Situation am US-amerikanischen Markt: Haben die Vereinigten Staaten früher Erdgas importiert, decken sie ihren Bedarf jetzt durch Fracking zunehmend selbst. Das führt auch in Europa zu einem großen Angebot und günstigen Preisen.
Dass sich die Großversorger momentan mit Erdgas eindecken, hat also insgesamt eher marktwirtschaftliche als politische Gründe. Und in den Speichern ist noch Platz: Die deutschen Erdgas-Lager – die größten in ganz Europa – sind aktuell zu etwa 60 Prozent gefüllt.
Übrigens: Den größten Einzelspeicher Deutschlands übernimmt bald der russische Gazprom-Konzern von BASF. Er steht in der Nähe von Bremen. Der Speicher macht rund ein Fünftel der gesamten deutschen Lagerkapazitäten aus. Allerdings, so Rainer Wiek, würden die Speicher bei einem langfristigen Handelsstopp zwischen Russland und Europa sowieso nicht lange weiterhelfen. In die Lager passt etwa ein Viertel des jährlich in Deutschland verbrauchten Erdgases.