In einem kleinen Park direkt vor dem portugiesischen Parlament sitzt ein Student auf einer schattigen Bank und schüttelt - auf Europa angesprochen - den Kopf: Portugal brauche jetzt keine Peitschenhiebe, sagt er, sondern ein bisschen Unterstützung aus Brüssel. Ein paar Meter weiter äußert sich ein älterer Herr besorgt über die Zukunft:
"Es ist ja klar, dass wir uns an die Verträge halten müssen, aber wenn jetzt die EU-Gelder gekürzt werden, wäre das ganz schlecht für die Wirtschaft."
Und in einem angrenzenden Café macht die Besitzerin ihrem Unmut über mögliche Sanktionen Luft:
"Wir haben gerade unseren Kopf aus der Schlinge gezogen, da kriegen wir wieder eins übergebraten."
In Portugal stößt die Entscheidung der Eurogruppe, Sanktionen gegen das Land zu verhängen, auf großes Unverständnis. Selbst der konservative Staatspräsident Marcelo Rebelo de Sousa nannte das Brüsseler Verhalten "halsstarrig". Und im 21-köpfigen Staatsrat soll nur der wirtschaftsnahe Ex-Präsident Cavaco Silva Verständnis für das Urteil gezeigt haben. Der Lissabonner Politologe António Costa Pinto erklärt, warum die Aufregung in Portugal über das Brüsseler Votum so groß ist.
"Wie kann das sein, fragen sich die Portugiesen. Nach drei Jahren harter Sparpolitik, deren Umsetzung von den internationalen Institutionen kontrolliert wurde. Und nachdem das Haushaltsdefizit tatsächlich deutlich zurückgegangen ist. In Portugal herrscht deshalb ein Gefühl der Ungerechtigkeit."
Wenn Portugal üppige Strafen oder die Kürzung der EU-Gelder verhindern will, muss es in den kommenden Tagen einen Plan vorlegen, wie das Defizit im laufenden Jahr unter der Drei-Prozent-Marke gehalten werden kann. Die Prognosen für die portugiesische Wirtschaft sind seit Jahresbeginn immer wieder nach unten korrigiert worden. Der Export schwächelt, weil wichtige Märkte wie Angola oder Brasilien in der Krise stecken. Und auch die Auslandsinvestitionen ziehen nicht richtig an.
Regierung hat sich bisher geweigert, weitere Sparmaßnahmen vorzulegen
Dennoch hat die sozialistische Minderheitsregierung sich bisher geweigert, den zu erwartenden Ausfall bei den Staatseinnahmen mit neuen Sparmaßnahmen zu kompensieren. Das hat vor allem innenpolitische Gründe. Die Regierung stützt sich auf drei kleine Linksparteien. Paula Santos, Abgeordnete der Kommunisten im portugiesischen Parlament, stellt klare Bedingungen, welche Politik ihre Partei unterstützt:
"Wir haben mit den Sozialisten ein Abkommen unterschrieben und darin die Punkte festgehalten, für die wir gemeinsam eintreten wollen: Gehalts- und Lohnkürzungen müssen zurückgenommen und die verlorenen Rechte für die Arbeiter wiederhergestellt werden. Wir wollen die Lebensbedingungen der Arbeiter, Rentner und der ganzen Bevölkerung verbessern. Alle Schritte, die diese Ziele umsetzen wollen, unterstützen wir. Aber alle Maßnahmen, die sich gegen die Arbeiter und das Volk richten, lehnen wir ab."
Die aktuelle Debatte um die Sanktionen und mögliche neue Sparmaßnahmen deckt die ideologischen Unterschiede zwischen den gemäßigten proeuropäischen Sozialisten und den kleineren Linksparteien auf. Aus den Reihen der Kommunisten wird sogar der Ruf laut, dass Portugal jetzt die Gelegenheit ergreifen und den Wachstums- und Stabilitätspakt ganz aufkündigen solle.
Traditionell haben die beiden Volksparteien, die Sozialisten und die Mitte-Rechts-Partei PSD, in wichtigen europäischen Fragen immer wieder zusammengearbeitet. Doch die Annäherung der Sozialisten an die radikaleren Linksparteien hat das Verhältnis zur PSD zerrüttet. Deshalb sei der Spielraum für Premierminister António Costa nun sehr eingeschränkt, auf das Strafverfahren aus Brüssel zu reagieren, sagt der Politologe Pinto:
"Wenn Brüssel neue Sparmaßnahmen fordert, kann Premierminister Costa diese eigentlich gar nicht umsetzen. Vielleicht kann er in Bereichen, die nicht direkt Gehälter oder den Arbeitsmarkt treffen, ein bisschen an den Schrauben ziehen. Aber ob das reicht, bleibt fraglich. Und wenn es für Brüssel nicht genug ist, dann ist die Gefahr groß, dass die Regierung in Portugal scheitert."