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EU-Sondergipfel
Viel Zündstoff in Brüssel

Ursprünglich sollte der EU-Gipfel den Erdgaskonflikt zwischen Griechenland und der Türkei in den Blick nehmen. Doch die Liste der Themen ist gewachsen. Mögliche Sanktionen in Belarus, die Vergiftung von Alexej Nawalny oder der Bergkarabach-Konflikt erfordern eine gemeinsame Linie der Staats- und Regierungschefs.

Von Bettina Klein |
Bundeskanzlerin Angela Merkel spricht mit dem französischen Präsidenten Emmanuel Macron, der finnischen Ministerpräsidentin Sanna Marin und dem schwedischen Ministerpräsidenten Stefan Lofven am zweiten Tag des EU-Gipfels.
Archivbild vom EU-Gipfel im Juli 2020 (Reuters Pool/ AP/ Francois Lenoir)
Die EU-Staats- und Regierungschefs kommen heute (1.10.) zu einem zweitägigen Sondertreffen in Brüssel zusammen. Die Liste der Themen ist immer weiter angewachsen, nahezu täglich. Das hängt mit aktuellen Entwicklungen zusammen, wie der Vergiftung von Alexej Nawalny oder den neuen Gefechten zwischen Armenien und Aserbaidschan. Andererseits aber auch damit, dass es den Außenminister nicht gelungen war, selbst Entscheidungen zu treffen und Sanktionen gegen das Regime in Belarus zu verabschieden. Die notwendige Einstimmigkeit wurde nicht erreicht, der Außenbeauftragte Josep Borrell überantwortete das Thema den Staats- und Regierungschefs.
Unterschiedliche Konflikte werden miteinander verknüpft
Obwohl es im Grundsatz Sanktionen gegen Belarus befürwortet, will Zypern nicht eher zustimmen, bis auch Sanktionen gegen die Türkei verhängt werden. Doch dafür gibt es im Rat ebenfalls keine einheitliche Meinung. Zwei wichtige Themen, zwei unterschiedliche Konflikte werden miteinander verknüpft.
Oft steht ein Europäische Gipfel vor einem politischen Handel, vor allem, wenn es wie bei Zypern für ein Land um existentielle Fragen geht, sagt Marc Pierini, früherer EU Botschafter in der Türkei. Es muss ein sehr schwieriger Ausgleich gefunden werden zwischen den Reaktionen auf Belarus, den Fall Nawalny und das Verhalten der Türkei.
Ziel ist es laut Charles Michels Einladungsschreiben zum Gipfel, einen Raum für Dialog mit der Türkei zu schaffen – dies werde jedoch nur gelingen, wenn die Türkei sich konstruktiv zeigt. Von einem Zeitfenster bis zum Gipfel sprach Außenminister Heiko Maas vergangene Woche: "Wir haben jetzt noch ein diplomatisches Fenster bis zum Rat in dieser Woche und das wollen wir nutzen, um damit die Voraussetzungen zu schaffen, dass es eine diplomatische Lösung gibt."
Die Bundesregierung hatte versucht, zu vermitteln, immerhin soll es nun wieder Gespräche zwischen Griechenland und der Türkei über die umstrittenen Bohrungen im östlichen Mittelmeer geben.
Mahnung von Ursula von der Leyen
Dennoch liegen auch mögliche Sanktionen als eine Option auf dem Tisch. Mit der Krise um Nagorny-Karabach ist die Türkei in einen weiteren Konflikt involviert. Weshalb werden selbst einfache Stellungnahmen in Europa häufig verzögert, verwässert oder instrumentalisiert, fragte Ursula von der Leyen in ihrer Rede zur Lage der EU?
"Allen denen es zu langsam geht, sage ich, fasst euch ein Herz und geht über zur Qualifizierten Mehrheit wenigstens bei Menschenrechten und Sanktionen." Doch Ratspräsident Charles Michel hält den Abschied vom Einstimmigkeitsprinzip nicht für das Allheilmittel. Bei einem Vortrag in Brüssel begründete er seine Bedenken. Einige Staaten könnten sich übergangen und unbedeutend fühlen, so der Ratspräsident, und sich mit den Entscheidungen nicht identifizieren. Die strategische Autonomie, die Charles Michel für Europa erreichen und über die er bei diesem Gipfel diskutieren will, erfordert im Bereich der Außenpolitik auf absehbare Zeit noch jede Menge Geduld.
Macron steht unter Bäumen an einem Rednerpult mit den französischen Farben, spricht in ein Mikrofon und gestikuliert mit der erhobenen Hand. Er ist von der Seite fotografiert.
SWP-Expertin: "Türkei entwickelt sich zu einem antieuropäischen Partner"
Im Konflikt um die Region Bergkarabach versucht der französische Staatspräsident Macron zu vermitteln. Er konfrontiere dabei gezielt die Türkei, welche ebenfalls interveniert, sagte Ronja Kempin von der Stiftung Wissenschaft und Politik im Dlf.