Brüssel
EU-Sondergipfel zu Ukraine und Verteidigungsausgaben

Die Staats- und Regierungschefs der Europäischen Union beraten heute in Brüssel über die weitere Unterstützung der Ukraine und die Verteidigungsfähigkeit der EU. An dem Treffen nimmt auch der ukrainische Präsident Selenskyj teil. Für Deutschland reist Bundeskanzler Scholz nach Belgien.

    Mehrere Europa-Fahnen wehen vor dem Berlaymont-Gebäude in Brüssel, dem Sitz der Europäischen Kommission.
    Bei einem Krisentreffen wollen die EU-Staaten sich über eine gemeinsame Verteidungspolitik und Unterstützung der Ukraine verständigen. (picture alliance / Goldmann / Goldmann)
    Zur Debatte steht unter anderem ein Entwurf der Europäischen Kommission zur gemeinsamen Aufrüstung mit dem Namen "ReArm Europe" (etwa: Europa wieder aufrüsten). Der Plan sieht vor, die Verteidigungsausgaben in Europa massiv zu erhöhen. Mit mehreren Maßnahmen könnten insgesamt fast 800 Milliarden Euro mobilisiert werden, hofft Kommissionspräsidentin von der Leyen.
    Der CSU-Europaabgeordnete Ferber sagte im Deutschlandfunk, mit Blick auf den Investitionsbedarf sei die Summe durchaus realistisch. Man brauche vor allem eine schlagkräftige Luftverteidigung, das sei die oberste Priorität. Ferber betonte, Europa könne sich nicht mehr hundertprozentig auf die USA verlassen und müsse sein Schicksal selbst in die Hand nehmen.
    Der CDU-Außenpolitiker Hardt sagte ebenfalls im Deutschlandfunk, man müsse den USA als EU und als europäische NATO-Partner klarmachen, dass man bereit sei, mehr finanzielle Mittel aufzuwenden. Wörtlich sprach er von einem Ungleichgewicht, das auszugleichen sei.

    Geld für Aufrüstung gesucht

    Für viele Regierungen stellt sich allerdings die Frage, woher das Geld dafür kommen soll. Zur Finanzierung schlägt die Brüsseler Behörde unter anderem vor, dass die einzelnen Mitgliedstaaten eine Sonderregel zu den EU-Schuldenregeln für Verteidigungsausgaben nutzen können. Auch soll es EU-Darlehen in Höhe von bis 150 Milliarden Euro etwa für die Anschaffung von Luft- und Raketenabwehr, Artilleriesystemen und Drohnen geben.
    Schwierig ist dabei, dass weitreichende EU-Entscheidungen einstimmig getroffen werden müssen. Der ungarische Ministerpräsident Orban und sein slowakischer Amtskollege Fico signalisierten bereits ihren Widerstand gegen eine gemeinsame Gipfelerklärung zugunsten der Ukraine. Beide befürworten den Kurs von US-Präsident Trump im Ukraine-Konflikt. Sie pflegen auch enge Beziehungen zu Russlands Präsidenten Putin.

    Macron ergreift die Initiative

    Ein weiteres Thema dürften die Erwägungen von Frankreichs Präsident Macron sein, verbündete Staaten unter den atomaren Schutzschild seines Landes zu stellen. Macron sagte am Abend in einer Fernsehansprache, Frankreichs nukleare Abschreckung habe seit 1964 ausdrücklich immer eine Rolle bei der Wahrung des Friedens und der Sicherheit in Europa gespielt. "Als Antwort auf den historischen Aufruf des zukünftigen deutschen Kanzlers habe ich beschlossen, die strategische Debatte über den Schutz unserer Verbündeten auf dem europäischen Kontinent durch unsere Abschreckung zu eröffnen." Die Entscheidungshoheit über die französischen Atomwaffen bleibe aber in den Händen Frankreichs. Macron plant zudem in der kommenden Woche ein internationales Treffen zur möglichen Entsendung von Friedenstruppen in die Ukraine.
    Der wahrscheinliche künftige Bundeskanzler und CDU-Chef Merz hatte im Wahlkampf Gespräche mit den europäischen Atommächten über eine nukleare Teilhabe von Deutschland angeregt. Neben Frankreich wäre dies Großbritannien. Neu ist der Vorstoß Macrons zur Einbeziehung von Partnerländern in die nukleare Abschreckung Frankreichs nicht. Erstmals hatte Macron 2020 in einer viel beachteten Grundsatzrede eine Ausweitung des nuklearen Schutzschirms Frankreichs auf europäische Partnerländer angeregt.
    Merz kommt heute ebenfalls in der belgischen Hauptstadt mit Regierungschefs der konservativen EVP-Parteienfamilie zusammen. Gestern hatte er bereits NATO-Generalsekretär Rutte, EU-Kommissionspräsidentin von der Leyen und die EU-Außenbeauftragte Kallas getroffen. An dem Sondergipfel selbst nicht er aber nicht teil.

    Ukraine und USA planen neues Treffen

    Die USA hatten am Dienstag die Militärhilfe für die Ukraine vorübergehend ausgesetzt. Auslöser war ein Streitgespräch von Präsident Trump mit dem ukrainischen Präsidenten Selenskyj in Washington. Trump und dessen Vize Vance hatten Selenskyj schwere Vorwürfe gemacht. Das Treffen wurde vorzeitig abgebrochen, ein geplantes Rohstoffabkommen nicht unterzeichnet. Gestern hatten Selenskyj und die US-Regierung dann übereinstimmend erklärt, sich wieder angenähert zu haben. Demnach wird ein neues Treffen vorbereitet. Wer daran teilnehmen soll, blieb offen.
    Diese Nachricht wurde am 06.03.2025 im Programm Deutschlandfunk gesendet.