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EU-Spitzenposten
"Geschachere ist von der SPD begonnen worden"

Der CSU-Europaabgeordnete Markus Ferber hat in der Debatte um die Vergabe der EU-Spitzenämter die SPD kritisiert. Parteichef Sigmar Gabriel sei nur bereit gewesen, auf einen Kommissarsposten für Martin Schulz zu verzichten, wenn das Europaparlament diesen wieder zum Präsidenten wähle. Doch diese Personalie sei nicht von Gabriel im Willy-Brandt-Haus zu entscheiden, sage Ferber im DLF.

Markus Ferber im Gespräch mit Jürgen Liminski |
    Der CSU-Europaabgeordnete Markus Ferber
    Der CSU-Europaabgeordnete Markus Ferber (dpa/Karl-Josef Hildenbrand)
    In die Personaldebatte hatte sich gestern auch Bundeskanzlerin Angela Merkel, CDU, eingeschaltet. Sie sicherte der SPD zu, dass die konservativen deutschen Europa-Abgeordneten die Wahl von Martin Schulz zum Parlamentspräsidenten mittrügen - im Gegenzug dafür, dass die SPD der Union den Posten eines EU-Kommissars überlässt.
    Im Hinblick auf die Besetzung des Postens des Kommissionspräsidenten sagte Ferber, es deute sich an, dass es schon beim regulären EU-Gipfel am Wochenende eine ausreichende Mehrheit für Jean-Claude Juncker gebe. "Das ist das, was zwischen Rat und Parlament zu entscheiden ist." Der Parlamentspräsident dagegen sei eine reine Angelegenheit des Europäischen Parlaments.

    Das Interview in voller Länge:
    Jürgen Liminski: Macht ohne Missbrauch verliert ihren Anreiz, meinte sarkastisch der französische Schriftsteller Paul Valérie, und er dachte natürlich an sein Land, nicht an Europa. Aber Europa scheint noch reizvoller zu sein als ein einzelnes Mitgliedsland, vielleicht weil man den Machtbrauch in Brüssel nicht erklären muss! Diesen Eindruck könnte man gewinnen, wenn man sich das öffentliche Postengeschacher um die Präsidentschaft der Kommission und des Europaparlaments anschaut. In den Kommuniqués der etablierten Parteien sprach man gestern von einem Kompromiss, von einer Vereinbarung, einer Absprache, in den Kommentaren der Presse von heute heißt es Kuhhandel, Postengeschacher, Hinterzimmerpolitik. Aber das scheint die Parteien und ihre Kandidaten nicht zu kümmern, die Posten sind verteilt.
    Und wie man das im Europaparlament selber sieht, darüber wollen wir nun reden mit Markus Ferber. Er war Chef der nach den Wahlen arg dezimierten CSU-Gruppe im Europaparlament, ist heute Mitglied in diesem Parlament. Guten Morgen, Herr Ferber!
    Markus Ferber: Schönen guten Morgen, Herr Liminski!
    Liminski: Herr Ferber, das Geschiebe ist beendet, jeder hat sein Pöstchen, die Etablierten sind zufrieden und das verbliebene Wahlvolk vermutlich angewidert. Wie fühlen Sie sich als Stimmvieh im Europaparlament?
    Ferber: Zunächst einmal möchte ich schon festhalten, dass hier das Hinterzimmer des Willy-Brandt-Hauses die Entscheidungslinie geführt hat in der Art und Weise, dass man sich als Stimmvieh fühlen kann. Herr Gabriel hatte die Forderung aufgestellt, er verzichtet auf Herrn Schulz als Kommissar, wenn das Europäische Parlament ihn zum Präsidenten wählt. Das ist wirklich keine Personalie, die im Willy-Brandt-Haus von Herrn Gabriel zu entscheiden ist, und das stört mich schon an der ganzen Geschichte.
    "Hätte man auch in einem würdigeren Verfahren erreichen können"
    Liminski: Konnte denn dieses Geschacher diesmal nicht auch wenigstens im Hinterzimmer auch der anderen stattfinden? Der Schaden für das Ansehen wäre geringer gewesen!
    Ferber: Zunächst einmal ist wichtig, dass der Wahlsieger auch Kommissionspräsident wird, das ist ja die eigentliche wichtige Botschaft, die in Deutschland jetzt leider ein bisschen ins Hintertreffen geraten ist. Es deutet sich jetzt an, dass es schon am Wochenende beim regulären Gipfel eine Mehrheit, eine ausreichende Mehrheit für Jean-Claude Juncker als Kandidat des Kommissionspräsidenten gibt. Das ist das, was auf europäischer Ebene zwischen Rat und Parlament zu entscheiden ist. Der Parlamentspräsident ist eine reine Angelegenheit des Europäischen Parlaments, so wie der Ratspräsident eine reine Angelegenheit der Staats- und Regierungschefs ist. Aber natürlich hängt alles mit allem zusammen. Und dieses Geschachere ist jetzt von der SPD begonnen worden, das hätte man auch in einem würdigeren Verfahren erreichen können.
    Liminski: Zeigt denn dieses öffentliche Geschacher nicht auch, dass den Etablierten die Posten wichtiger sind als die Politik?
    Ferber: Das ist ein Punkt, der mich etwas stört, weil, wir müssen ja auch Lehren aus der Europawahl ziehen. Nicht nur wir als CSU, sondern insgesamt auf europäischer Ebene. Das Erstarken insbesondere des rechten Randes, wir haben jetzt rechts von der Europäischen Volkspartei drei Fraktionen, die Konservativen, die Föderalisten und die extreme Rechte. Das heißt, hier hat sich wirklich was verschoben und darauf muss man auch inhaltlich reagieren. Und diese Diskussion ist leider viel zu kurz gekommen. Ich hoffe, dass wir sie führen können, wenn es darum geht, eine neue Kommission ins Amt zu bringen. Hier hat das Europäische Parlament ja starke Rechte, viel stärker als der Deutsche Bundestag. Jeder, der Kommissar werden will, muss sich einer Anhörung des Parlaments stellen, jeder, der Kommissar werden will, muss im Parlament eine Mehrheit finden. Und das ist jetzt die gute Chance für das Parlament, zu zeigen, dass es nicht nur um Posten, sondern auch um Inhalte geht.
    Liminski: Da ergibt sich ja die erste Chance bei der Wahl des Parlamentspräsidenten. Wo ist denn eigentlich die Legitimität für die Aussage, bei den Spitzenkandidaten ginge es auch um die Präsidentschaft der Kommission? Und mit welchem Recht bekommt Schulz die Präsidentschaft des Parlaments zugesprochen? Da besteht ja eine Abmachung und nach der müsste ein EVP-Mann Parlamentspräsident werden, eigentlich, jetzt nach diesem Rotationsprinzip. Wird hier nicht willkürlich EU-Recht geschaffen und EU-Abmachungen gebrochen?
    Ferber: Ich sage es noch mal, die Entscheidung Parlamentspräsident ist eine ureigene Entscheidung des Europäischen Parlaments. Wir haben bisher die Regel gehabt, dass die zwei großen Fraktionen sich abwechseln. Es gab auch Ausnahmen, es gab auch schon liberale Parlamentspräsidenten, zweimal insgesamt. Aber das ist der Normalfall. Wir hatten jetzt schon unabhängig von Herrn Gabriel Vorgespräche geführt zwischen Europäischer Volkspartei und Europäischen Sozialdemokraten, wo von uns aus, unabhängig von der Person, angeboten wurde, dass die Europäischen Sozialdemokraten in der ersten Hälfte der Legislaturperiode dieses Amt beziehen können und wir es für die zweite Hälfte beanspruchen. Da brauchen wir auch keine Einmischung von außen, da sind wir selber klug genug, im Parlament solche Entscheidungen zu treffen. Für den anderen Teil sage ich ganz offen: Hier geht es natürlich schon darum, dass auch der Rat seine Hausaufgaben zu machen hat, das Parlament seine eigenen zu machen hat, und dann wird man dauerhaft auch für die Menschen eine akzeptable Lösung haben.
    "Zur Zusammenarbeit verdammt"
    Liminski: Nun ließe sich ja auch einwenden, dass es ohnehin egal ist, ob ein Unionspolitiker oder ein Sozialdemokrat Kommissar oder Parlamentspräsident wird, es geht ja eh alles in einer Großen Koalition unter. Wo machen Sie denn Unterschiede aus?
    Ferber: Ich glaube, der Wählerauftrag ist ja auch eindeutig. Wir hatten nach der Bundestagswahl auch die Situation, dass zwar die Union Wahlsieger war, aber alleine nicht regieren konnte, und es aus verschiedenen, auch durch die Gespräche mit verschiedenen Gruppierungen nur die Große Koalition am Ende gegeben hat. Wenn Sie sich heute die Konstellation im Europäischen Parlament anschauen, gibt es überhaupt keine andere Mehrheit außer der Großen Koalition. Wenn das Parlament nicht will, dass wir fünf Jahre keine Rolle spielen und alles nur im Ministerrat entschieden wird, sind auch wir hier zur Zusammenarbeit verdammt, im positiven wie im negativen Sinne. Es geht aber jetzt darum, eine vernünftige Agenda zu entwickeln, nicht jedes Detail in Europa zu lösen, miteinander dafür zu sorgen, dass die Menschen wieder Vertrauen in diese Europäische Union fassen. Und dazu gehört auch, dass Regeln, die verabredet wurden, nicht aufgeweicht werden. Ich halte schon für abenteuerlich, was heute in Paris stattfinden soll, dass etwas, was wir gerade erst beschlossen haben, nämlich die Verschärfung des Stabilitäts- und Wachstumspakts, wieder aufgeweicht werden soll. Mehr Schulden ohne Reformen, das kann nicht die Agenda in Europa sein.
    Liminski: SPD-Chef Gabriel spricht von einer starken Achse Schulz-Juncker. Gegen wen richtet sich diese Achse, wenn man jetzt mal gerade dieses Thema, was Sie aufgegriffen haben, nämlich die Stabilitätskriterien sieht?
    Ferber: Da muss man die Kirche im Dorf lassen, ein Parlamentspräsident bestimmt ja nicht die Politik des Parlaments, das macht das Parlament über seine arbeitenden Ausschüsse in den Fraktionen. Ein Parlamentspräsident hat die Aufgabe, diese Ergebnisse zu vertreten, ob sie ihm persönlich passen oder nicht. Und deswegen sollte Herr Schulz, wenn er wieder Parlamentspräsident werden sollte, sich auch darauf konzentrieren und nicht so tun, als wenn er der Überparlamentarier wäre. Das war sicherlich eines der Probleme, die wir auch als CDU/CSU mit ihm in den letzten zweieinhalb Jahren hatten, dass er sich in viele Gesetzgebungsverfahren eingeschaltet hat, ohne die Legitimation aus dem Parlament heraus zu haben, weil er mit Fachausschüssen ja nicht mitgearbeitet hat. Und das wird sicherlich eine der Bedingungen sein, Parlamentspräsident hat nicht jede Gesetzgebung selber zu beeinflussen, sondern hat die Ergebnisse gegenüber den Mitgliedsstaaten zu vertreten.
    Liminski: Die Briten wehren sich noch gegen diese Postenverteilung. Was will man den Briten sagen, wie kann man sie besänftigen? London will ja die Entscheidung über Juncker verzögern.
    Ferber: Ich würde mich halt freuen, wenn die Briten auch mal sagen würden, was konkret ihre Wünsche sind. Bisher ist Herr Cameron ja sehr abstrakt geblieben und man kann ja Brücken nur hinbauen, wenn auf der anderen Seite auch irgendein Punkt ist, wohin man die Brücke schlagen kann. Solange das nur vage Reformen, hier muss sich was ändern heißt, kann man wenig machen. Ich gehe davon aus, dass man auch die Briten mit ins Boot holen kann, wenn man sich auf bestimmte Dinge verständigt, die die Politik der Kommission der nächsten fünf Jahre beinhalten, Konzentration aufs Wesentliche, die Stichworte sind ja allgemein bekannt. Ob das dem Herrn Cameron jemals ausreichen wird aufgrund der innenpolitischen Situation - das macht die Sache ja so schwierig -, aber je klarer Herr Cameron hier Forderungen benennt, umso eher kann man darüber diskutieren, was man auch erfüllen kann und was nicht. Da ist aber Herr Cameron erst mal in der Bringschuld.
    Liminski: Europas Spitzenplätze werden und sind verteilt. Das war der Europaparlamentarier Markus Ferber. Besten Dank für das Gespräch, Herr Ferber!
    Ferber: Gerne, Herr Liminski!
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.