Noch bis gestern Abend wurde hinter den Kulissen über Posten und Zuteilungen der neuen EU-Kommission gefeilt. Ohnehin kocht seit Tagen die Gerüchteküche, wer am Ende welchen Posten und mit welchen Zuständigkeiten erhalten wird. So könnte es heute immer noch Überraschungen geben, auch wenn sich an einigen Stellen bereits der Nebel gelichtet hat.
Demnach wird der designierte EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker die Behörde umbauen. An der Spitze werden künftig sieben Stellvertreter stehen, die zentrale Projekte der neuen Kommission verantworten sollen, wie etwa Energie, Währung, Wachstum und Investitionen oder auch den Bürokratieabbau. Die restlichen 20 gewöhnlichen Kommissare müssen dem jeweiligen Projektchef zuarbeiten. Das sei eine gute Idee, meint dazu der Chef der CDU-Abgeordneten im Europäischen Parlament, Herbert Reul:
"Wenn Kommissionsbereiche wie Klima und Energie zu einem zusammengefasst werden, wenn die digitale Frage zusammengefasst wird, wenn bei Bürokratieabbau auch die Frage von Subsidiarität und anderes gebündelt wird, dann ist das für mich ein Zeichen, dass die Struktur zumindest effektiver sein kann. Ich glaube, dass diese neue Konstruktion der Kommission mehr Effektivität und Zielgenauigkeit bedeuten kann."
Zwei-Klassen-Struktur bei den Kommissaren?
Freilich ist die Idee nicht ganz neu. Denn spätestens seit der letzten Erweiterungsrunde leidet die Kommission unter einem Personalüberhang bei gleichbleibenden Aufgaben. Immer wieder gab es deshalb Überlegungen, die Strukturen in sogenannten Clustern zu bündeln. Juncker wagt jetzt diesen Schritt - nimmt dabei aber in Kauf, dass es künftig eine Zwei-Klassen-Struktur unter den Kommissaren geben wird:
"Das Parlament hat immer verlangt, dass die Kommission schlanker wird, dass sie sichtbarer wird und handlungsfähiger. Diese Vizepräsidenten mit den großen Themen sind ein Versuch, es ist ein Experiment, man muss natürlich in der Praxis sehen, ob das funktioniert",
sagt der SPD-Abgeordnete im EU-Parlament, Jo Leinen. Immerhin hat Juncker zuletzt Stehpotenzial, aber auch politisches Geschick bewiesen. Denn zunächst hatten die Mitgliedsstaaten nur wenige weibliche Kandidaten für Brüssel benannt. Dabei lautete die Vorgabe von Juncker und EU-Parlament - mindestens neun Frauen müssen es sein, genauso viele wie in der noch amtierenden Barroso-Kommission. Die Zahl wurde erreicht - deshalb auch Lob von der Fraktionschefin der Grünen, Rebecca Harms:
"Zumindest erst mal auf der Ebene der Berücksichtigung der Anzahl der Frauen hat sich diese Harte Linie, die harte Haltung des Parlaments und auch das Durchhalten von Jean-Claude Juncker gelohnt."
Oettinger im Rennen als Kommissar für digitale Agenda
Die Bundesregierung hat allerdings erneut den bisherigen Energiekommissar Günther Oettinger ins Rennen geschickt. Welchen Posten der Schwabe am Ende bekommen wird, auch darüber gibt es heftige Spekulationen. Als sicher gilt jedoch, dass Oettinger künftig ein anderes Dossier - etwa das für die digitale Agenda - übernehmen wird, jedoch nicht in der Position eines Vizepräsidenten. Der Deutsche also nur ein Frühstücksdirektor in der neuen Kommission? Parteifreund Reul weist das strikt zurück:
"Ich gehe davon aus, dass er sich um den ganzen Bereich der digitalen Zukunftsentwicklung kümmern wird, und zwar nicht nur um die technologischen Fragen, sondern auch um die rechtlichen und poltischen Fragen. Da der Kommissionspräsident in seinem Wahlkampf schon das zu einem der zentralen Fragen der nächsten Periode erklärt hat, finde ich ist das eine Auszeichnung für Günther Oettinger, wenn es so kommt."
Die französische Regierung hat sich offenbar geschickter angestellt. Demnach dürfte der ehemalige französische Finanzminister Pierre Moscovici neuer Währungskommissar werden - und wäre damit auch zuständig für ein mögliches Defizitverfahren gegen Frankreich. Ein Trost aus Sicht der Bundesregierung: auch Moscovici wird als normaler Kommissar gehandelt und nicht als Vizepräsident.