Energiekonferenz
EU-Staaten werben in Brüssel für Atomenergie

Regierungsvertreter aus 35 Ländern, die an der Kernenergie festhalten, haben bei einem Gipfeltreffen in Brüssel eine globale Rolle der Atomkraft bei der Energiewende und der Stromversorgung hervorgehoben. Gegen das Treffen gab es Protestaktionen von Umweltaktivisten.

    Staats- und Regierungschef von Staaten, die Atomenergie nutzen, während eines Atomgipfels der IAEA in Brüssel
    Staats- und Regierungschef von Staaten, die Atomenergie nutzen, während des Atomgipfels der IAEA in Brüssel (AFP / KENZO TRIBOUILLARD)
    Es ist der erste Atomenergie-Gipfel in Brüssel. Organisiert wird er von der Internationalen Atomenergiebehörde IAEA und Belgien. Auch Akteure aus Wissenschaft und Industrie waren eingeladen. Weil sich Greenpeace-Aktivisten vom Dach abseilten, mussten Statements der eintreffenden Staats- und Regierungschefs unterbrochen werden. Angaben der Veranstalter zufolge wurde auch die Annahme einer gemeinsamen Erklärung zur globalen Bedeutung der Nuklearenergie wegen des Protests am Konferenzzentrum verschoben.

    "Potenzial der Nuklearenergie voll ausschöpfen"

    In dieser dann am Nachmittag verabschiedeten Erklärung heißt es: "Wir verpflichten uns dazu, das Potenzial der Nuklearenergie voll auszuschöpfen." Strom aus Atomkraftwerken sei für die Verringerung klimaschädlicher CO2-Emissionen unerlässlich. Die Unterzeichner sprechen sich nicht nur für den Bau neuer Kernkraftwerke aus, sondern auch für die Verlängerung der Lebenszeit bestehender Anlagen. Weiter plädieren sie für den raschen Einsatz neuerer und kleinerer Reaktoren. Die Teilnehmer rufen zudem internationale Finanzinstitutionen wie die Weltbank auf, Atomprojekte verstärkt zu unterstützen.
    EU-Ratspräsident Michel hatte zuvor betont, Kernkraft sorge für Energiesicherheit in der EU und könne "helfen, den Klimawandel zu bekämpfen". An dem Treffen nehmen unter anderem Vertreter aus Frankreich, den USA und China teil. Frankreichs Präsident Macron betonte: "Unsere Priorität muss sein, aus Kohle und dann aus Gas auszusteigen und auf Atomkraft und erneuerbare Energien umzustellen."

    Europäisches Atomkraft-Bündnis

    Neben Frankreich, das rund 65 Prozent seines Stroms aus Kernkraft bezieht, setzten lange vor allem osteuropäische Länder wie Tschechien, die Slowakei und Rumänien auf Atomenergie. Paris hat weitere Verbündete in Schweden, Belgien und den Niederlanden gefunden. Eine knappe Mehrheit von 14 EU-Staaten ist inzwischen Mitglied eines Atomkraft-Bündnisses unter französischer Führung.
    Länder wie Deutschland, Österreich und Dänemark lehnen Atomkraft derzeit ab. Sie wurden im Rat der EU-Mitgliedstaaten allerdings mehrmals überstimmt, wenn es etwa um Förderungen für die Kraftwerke oder neue nukleare Technologien ging.
    Im europäischen Recht gilt Atomenergie als eine der Technologien, mit denen die EU ihre Klimaziele erreichen will. Ihre Zukunft hänge jedoch von "der Disziplin der Kernkraftindustrie" ab, sagte EU-Kommissionspräsidentin von der Leyen. So sei der Bau von Kernkraftwerken viel zu oft mit erheblichen Mehrkosten und Verzögerungen verbunden.

    Viele neue Reaktoren geplant

    Mehrere EU-Staaten planen oder bauen aktuell neue Reaktoren. Der Bau eines Atomkraftwerks kostet in der Regel mehrere Milliarden Euro und dauert zwischen zehn und 15 Jahren. Wegen schleppender oder fehlender Genehmigungsverfahren und Lieferengpässen ziehen sich die Bauarbeiten in vielen Ländern zusätzlich in die Länge. In Finnland wurde der Bau eines Reaktors abgebrochen.
    In der französischen Normandie soll in diesem Jahr mit zwölf Jahren Verspätung das Kraftwerk Flamanville ans Netz gehen. Die Baukosten belaufen sich nach Angaben des Betreibers EDF inzwischen auf 13,2 Milliarden Euro, viermal so viel wie ursprünglich geplant.
    Diese Nachricht wurde am 21.03.2024 im Programm Deutschlandfunk gesendet.