Es ist früher Morgen, am Strand von Mogadischu glitzert das Meer. Vom Rauschen des Wassers ist allerdings nichts zu hören, die Motoren der schweren Militärfahrzeuge übertönen alles andere. Ein Konvoi der Europäischen Ausbildungs- und Trainingsmission EUTM ist abfahrbereit, vier gepanzerte Fahrzeuge gehören dazu. Hauptfeldwebel Friedrichs ist soweit: Die Fahrt zum Trainingsgelände Al-Jazeera kann beginnen.
"Ja, ich habe einen Plattenträger, eine Schutzklasse-vier-Weste an, also mit Kevlar-Keramik Verbundplatten drin, Stichschutz, Splitterschutz, die ganze Weste wiegt so ungefähr 15 Kilo, dann habe ich noch hinten auf dem Rücken einen Wasserbeutel mit drei Litern Wasser drin, dann die Munition, die Sanitätsausrüstung, kommen wir so auf ungefähr 20, 21 Kilo. Zusatzgewicht."
Obwohl sie komplette Schutzkleidung tragen und außerdem bewaffnet sind, dürfen die Soldaten nur in gepanzerten Fahrzeugen fahren. Das zeigt, wie gefährlich Somalia immer noch ist. Hauptfeldwebel Friedrichs ist trotzdem entspannt. Er ist rund sechs Wochen für eine Ausbildungseinheit in Mogadischu.
"Ich war in Afghanistan und da war es auch nicht viel sicherer, und in Afghanistan war ich 180 Tage am Stück, und von daher muss ich sagen: Für mich persönlich ist es sicher genug, also ich kann da täglich rausgehen und ausbilden."
Ein Kilometer trennt die gesicherte Unterkunft der 120 EUTM-Mitglieder von dem ebenfalls gesicherten Trainingsgelände. Der Konvoi fährt an einem Flüchtlingslager vorbei, hier hausen Tausende in halb zerrissenen Zelten - ein kurzer Einblick in das "richtige Somalia"", wie einer der Soldaten es nennt. Er meint damit: eine Welt aus Vertreibung und Not. Folge der Gewalt, die Somalia seit über 20 Jahren zerreißt.
Standard ist ausgesprochen niedrig
Von den somalischen Soldaten sind nur einige korrekt gekleidet, andere sind halb in zivil gekommen - nicht jeder besitzt eine Uniform. Einer der Männer trägt ein buntes Wickeltuch um die Hüfte. Vor Friedrichs stehen zwölf Männer stramm, ihrerseits Ausbilder der somalischen Armee. Das sind die Azubis des Deutschen. Friedrich schätzt, dass insgesamt rund 150 Somalier an dieser Ausbildungseinheit teilnehmen, weitere werden folgen. Der Standard bei Ausbildung und Ausrüstung der somalischen Armee ist ausgesprochen niedrig.
"Ja, um das jetzt ganz vorsichtig auszudrücken: Wir bringen ihnen bei: Disziplin, Selbstachtung, und dann, sofern sie Uniformen tragen, dass die Uniform akkurat sitzt.
Beim täglichen Exerzieren fliegen die Beine der somalischen Soldaten durch die Luft, die Hände am Hosenbund. Friedrichs beobachtet, was der somalische Ausbilder korrigiert, und gibt dann seinerseits Tipps.
In den kommenden Tagen soll es etwas anspruchsvoller werden. Auf dem Programm stehen dann Waffentraining, taktisches Training, Menschenrechte und humanitäres Völkerrecht.
"Bis jetzt sind alle hoch motiviert, die machen mit, und es macht bis jetzt Spaß, und das ist wichtig, denke ich."
Abdullahi Nur Osman hat ernste Augen und ein hageres Gesicht. Er weiß: Soldaten gehören zu den bevorzugten Attentatszielen der islamistischen Shabaab-Miliz.
"Ja, aber hier lernen wir ja gerade Taktiken, um uns gegen die Kämpfer der Shabaab-Miliz zu verteidigen. Sei es in einem Gefecht, sei es im Fall eines Attentats."
Mehr will er nicht sagen, aus Sicherheitsgründen. Vor der Mittagspause singen die Somalier dann auch noch ihre Nationalhymne.
"Alles sehr improvisiert"
Die Europäische Union hat schon vor vier Jahren mit der Ausbildung somalischer Soldaten begonnen. Aus Sicherheitsgründen wurde bis Ende vergangenen Jahres in Uganda trainiert. Anfang 2014 zog die EUTM nach Mogadischu, die Lage in der somalischen Hauptstadt erscheint nun sicher genug. Somalia soll sich künftig selbst verteidigen können. Auf dem Programm der EUTM stehen Kurse in Verwaltung, Fernmeldewesen, Führungswesen, dem Aufbau von Kommandostrukturen. Zusätzlich berät die EUTM jetzt auch die somalischen Streitkräfte und die Regierung beim Aufbau der Armee. Einer der Berater ist der deutsche Oberstleutnant Johannsen.
"Die somalischen Streitkräfte, die wir hier vorgefunden haben am Beginn dieses Jahres, verdienen eigentlich nicht den Begriff "Streitkräfte" in unserem europäischen Sinne. Die haben zwar eine Bewaffnung, Munition ist sehr eingeschränkt, keine Fahrzeuge, oder nur sehr wenige Fahrzeuge, um Mobilität zu haben, keine Kommandostruktur, wie wir sie kennen, keine Hauptquartiere, wie wir sie kennen, ist alles sehr improvisiert."
Funkgeräte gibt es auch nicht, die Armee kommuniziert über Handys. Abhörsicher ist das nicht, außerdem ist die Netzabdeckung in Somalia nicht flächendeckend. Es kann also sein, dass ein Kommandant seine Männer im Ernstfall gar nicht erreicht.
Regelmäßiger Sold als Anreiz
Ein weiteres Problem ist die Zusammensetzung der somalischen Armee. Bei der Auswahl der Trainingsteilnehmer kann die EUTM nicht mitreden. Schon jetzt hat die Truppe den Ruf, nicht ganz neutral zu sein. Das ist gefährlich, wenn eine Gruppe zu stark dominiert, wird die nationale Armee womöglich nur noch als Clanmiliz wahrgenommen. Tatsächlich haben einige Clan-Milizen auch jetzt schon ihre Kämpfer an die Armee gleichsam ausgeliehen. Johannsen sieht durchaus das Risiko, dass die Soldaten nach der Ausbildung samt ihrer Waffe desertieren, und vielleicht sogar zu den Islamisten überlaufen. Aber dank der Beratung durch die EUTM sei das Soldsystem reformiert worden, sagt der deutsche Berater. Theoretisch bekamen früher alle Soldaten im Monat 100 US-Dollar, unabhängig von ihrem Rang. Faktisch bekamen sie allzu häufig nichts. Neuerdings unterscheidet sich der Sold nach dem Rang der Soldaten.
"Die somalischen Streitkräfte sollen jetzt regelmäßig Sold erhalten, das wird sicherlich dazu auch führen, dass die Loyalitäten sich ändern, und die somalischen Soldaten eher ihrer Kommandostruktur gehorchen, aber nichts desto trotz wird es auch offen zugegeben, auch von dem Chef des Generalstabs, dass er nicht über alle seine Kräfte uneingeschränkten Einfluss hat, Kommandogewalt hat, sondern viel auf Milizenchefs, auf Clanchefs, Zusammenarbeit angewiesen ist."
Aber wenn die Armee in Zukunft besser zahlt als Islamisten oder Milizen, werden die Soldaten womöglich wirklich bleiben. Wer die Kursteilnehmer beobachtet, hat jedenfalls tatsächlich den Eindruck, dass sie die Ausbildung ernst nehmen.