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EU-Türkei-Gipfel
"Dieses Abkommen ist ziemlich problematisch"

Giorgios Chondros sieht ein Abkommen zwischen der EU und der Türkei skeptisch. "Wir diskutieren nur über Syrer. Flüchtlinge aus dem Irak, Afghanistan oder Eritrea sind ausgenommen", sagte der Politiker der griechischen Syriza-Partei im DLF. Doch auch diese Menschen hätten ein Recht auf ein Asylverfahren. "Das ist das, was die Genfer Flüchtlingskonvention vorschreibt."

Giorgos Chondros im Gespräch mit Jasper Barenberg |
    Der Syriza-Politiker Giorgos Chondros.
    Der Syriza-Politiker Giorgos Chondros. (picture alliance / dpa / Uwe Zucchi)
    "Die Folge ist, dass diese Menschen entweder in Griechenland oder der Türkei gefangen bleiben", sagte Chondros. "Dieses Abkommen ist ziemlich problematisch. Was macht man wirklich mit diesen Menschen? Ich sehe nicht ein, dass man in dieser Richtung Einschnitte macht." Chondros kritisierte außerdem, dass viele Abkommen, die bei anderen Gipfeltreffen getroffen wurden, kaum umgesetzt worden seien.
    Chondros sagte mit Blick auf die Türkei und Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan, dass die EU und Bundeskanzlerin Angela Merkel in der Flüchtlingspolitik "alles auf eine Karte setzen". Die Erfahrung zeige, dass "die Türkei immer bis zum letzten Moment verhandelt. Wir müssen uns wirklich Gedanken machen, wie die Flüchtlinge zu einem Spielball der Geopolitik werden konnten."

    Das Interview in voller Länge:
    Jasper Barenberg: Am Telefon begrüße ich jetzt Giorgos Chondros, Mitglied im ZK der griechischen Regierungspartei Syriza. Schönen guten Morgen auch Ihnen.
    Giorgos Chondros: Schönen guten Morgen auch nach Deutschland.
    Barenberg: Begrüßen Sie auch den absehbaren Deal mit der Türkei?
    Chondros: Ich denke, wir müssen ihn erstens abwarten, und zweitens müssen wir vor allem abwarten, wie er in die Tat umgesetzt wird. Weil das, was wir bis jetzt wirklich erlebt haben bezüglich solcher Abkommen, ist das eigentlich nicht sehr hoffnungsvoll, weil Abkommen, die getroffen wurden vor ein paar Monaten bei anderen Gipfeltreffen, sind bis jetzt kaum umgesetzt worden. Insofern ist das gut, dass wir gestern und heute das Treffen EU mit der Türkei haben. Wir müssen aber abwarten, was wirklich rauskommt und wie vor allem es umgesetzt wird.
    Barenberg: Wenn Sie sagen, abwarten wie es umgesetzt wird, dann zielt das vor allem auf die Fragen der Einhaltung von Menschenrechten in diesem Verfahren der Ansprüche, der Rechte der Flüchtlinge auf Schutz?
    Chondros: Vor allem! - Vor allem, und es bleiben leider noch sehr, sehr große Fragen offen. Wir sprechen immer noch nur von den Syrern. Wir sprechen immer noch von einem ganz kleinen Teil der Syrer. Sie haben ja vorher gesagt, über zweieinhalb Millionen Syrer sind in der Türkei. Die Diskussion ist aber um ein paar tausend jetzt, die in der EU aufgenommen werden. Und es werden immer noch die Flüchtlinge aus Afghanistan, aus Irak, aus Eritrea und anderen Teilen der Welt ausgenommen.
    Barenberg: Was soll mit denen geschehen?
    Chondros: Im Moment in diesem Verfahren steht nichts explizit drin. Sie werden entweder in Griechenland gefangen bleiben, oder in der Türkei.
    Barenberg: Und das ist in Ordnung so?
    Chondros: Ich finde nicht, dass es in Ordnung ist, weil die sollen auch dasselbe Verfahren genießen wie alle anderen, wie Syrer, und sie sollen auch die Möglichkeit haben, ordnungsgemäß einen Asylantrag zu stellen, dort wo sie ihn stellen möchten.
    "Dieses Abkommen erscheint für mich ziemlich problematisch"
    Barenberg: Nun zeichnet sich genau das nicht ab, denn unsere Korrespondentin hat vorhin ja erläutert, dass Teil der Lösung sein soll, dass die Syrer Anspruch haben sollen und da soll geprüft werden der Anspruch auf Asyl und Schutz in der EU. Alle anderen sollen aber zurückgeführt werden.
    Chondros: Ja deswegen sage ich, dass dieses Abkommen für mich ziemlich problematisch erscheint, weil was macht man wirklich mit diesen Menschen.
    Barenberg: Was wäre die Alternative? Das habe ich vorhin ja auch mit Elmar Brok besprochen.
    Chondros: Die Alternative wäre, dass sie genau dasselbe Asylrecht genießen wie die Syrer.
    Barenberg: Das sehen Sie aber nicht?
    Chondros: Das ist ganz einfach. Es ist auch eigentlich das, was die Genfer Konvention vorschreibt. Und ich sehe das nicht ein, warum man in dieser Richtung jetzt Einschnitte macht.
    "Die Türkei verhandelt immer bis zum letzten Moment"
    Barenberg: Insofern sind Sie eigentlich der Auffassung, die auch der Vorsitzende der Linksfraktion im Bundestag, Dietmar Bartsch, im Bundestag geäußert hat. Mit so einem Partner kann es keine Lösung für Europa geben.
    Chondros: Das würde ich auch für richtig finden und ich verstehe es wirklich nicht, warum die gesamte Europäische Union, allen voran Bundeskanzlerin Frau Merkel, die gesamte Flüchtlingsproblematik auf eine Karte legt, vor allem auf die Karte von Herrn Erdogan und der Türkei. Die Erfahrung in der Geschichte zeigt, dass die Türkei immer bis zum letzten Moment verhandelt. Und vor allem: Wir müssen uns als Europäer wirklich Gedanken machen, wie kommt es dazu, dass aus europäischer Sicht die Flüchtlinge zu einem strategischen Spiel gemacht werden vor allem für die geopolitischen strategischen Überlegungen der Türkei.
    Barenberg: … sagt Georgos Chondros, Mitglied im ZK der Syriza-Partei. Vielen Dank für das Gespräch heute Morgen.
    Chondros: Danke auch.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.