Die Statistik klingt gut: Die Zahl der Migranten, die sich quer durchs Transitland Niger auf den Weg nach Libyen machen - die sei um 90 Prozent gesunken. Also ein massiver Rückgang bei den Migranten, die - möglicherweise - nach Europa wollten. Möglicherweise. Genau weiß das niemand. Aber man hindert sie in Niger gewissermaßen vorsorglich daran, durch die Wüste Richtung Libyen zu reisen. Ein Erfolg, meint die Europäische Union.
Clotilde Warin, die für das Clingendael Institut in Holland intensiv zum Thema Migration arbeitet, sieht das anders.
"Die Leute sind nach wie vor unterwegs, aber es ist teurer, schwieriger und gefährlicher für sie geworden."
Migranten-Transporteure brauchen Jobs
Die Transporteure und Menschenhändler suchen andere Routen durch die Wüste, gefährlichere, abseits der Kontrollpunkte. Die Migranten müssen mehr bezahlen für die Höllenfahrt mit hohem Risiko.
Niger hatte vor zwei Jahren auf Drängen der Europäischen Union den Transport von Migranten verboten. Die Europäer versprachen dafür Hilfe: Ausrüstung für Grenzschutz und Armee. Unterstützung bei der Ausbildung der Sicherheitskräfte. Und: Geld für Projekte, die Arbeitsplätze schaffen sollen. Jobs für diejenigen, die bisher Migranten durch die Tenéré-Wüste Richtung Libyen transportierten, jetzt aber Geldstrafen und Gefängnis riskieren, wenn sie damit weitermachen. Betroffen ist vor allem die Stadt Agedez, im Norden von Niger. Mohamed Anacko, Präsident des dortigen Regionalrates, hat oft gemahnt:
"Wir haben den Europäern gesagt: Nur wenn die Transporteure der Migranten andere Jobs finden, kann der Kampf gegen die Migration gelingen", sagte Anacko dem französischen Sender RFI.
"Alle, die direkt oder indirekt vom Migranten-Transport leben, haben wir identifiziert", sagt der Präsident des Regionalrates. "Aber wir warten immer noch darauf, dass ihr Problem gelöst wird."
Niger: bettelarm, enorme Geburtenraten
Umfangreiche Programme zur Ausbildung und Ausrüstung der Sicherheitskräfte laufen schon lange. Aber Entwicklungsprogramme, die neue Jobs nach Agadez bringen sollen, die kommen nur mühsam in Gang.
Nigers Präsident Mahamadu Issoufou ist einer heiklen Lage. Sein Land ist bettelarm, hat enorme Geburtenraten und ein miserables Bildungssystem. Hinzu kommen gravierende Sicherheitsprobleme: Die Terrormiliz Boko Haram wütet im Süden, kriminelle Milizen attackieren immer wieder den Westen, an der Grenze zum Nachbarland Mali. Issoufou setzte darauf, dass die Abschottungspolitik der Europäer gegen die Migration Chancen für Niger bietet. Mehr Ausrüstung für die Armee, mehr Geld für Entwicklungsprojekte. Tatsächlich kamen auch hunderte Millionen Euro.
Nigerianer haben wenig von der Zusammenarbeit
Aber die Entwicklungsprojekte lahmen, die Zusagen, europäische Staaten würden einen Teil der Migranten aufnehmen, gelten teilweise nicht. Italiens Regierung weigert sich rundweg. Und Issoufou mahnt:
"Alle haben Verpflichtungen und die müssen respektiert werden. Von den europäischen Ländern, die Ziel der Migration sind. Von Durchgangsländern wie Niger und von den Herkunftländern. Es ist eine gemeinsame Verantwortung und daran müssen sich alle halten."
Die Migrationspartnerschaft hat Nigers Präsidenten zum Musterknaben der Zusammenarbeit mit der Europäischen Union gemacht. Seine Armee profitiert, der Präsident ist gern gesehener Gast in Brüssel und Paris. Die Bevölkerung spürt bisher wenig von dem, was die Partnerschaft bringen sollte.
Und afrikanische Migranten nehmen wegen der veränderten Lage in Niger jetzt auch längere Wege in Kauf: Sie versuchen jetzt über den Sudan und den Tschad nach Libyen zu kommen.