Es war das erste Mal seit dem Putschversuch in der Türkei Mitte Juli, dass die EU-Außenminister ihre Sicht der Dinge mit einem türkischen Minister besprachen. Dass das eine gute Nachricht ist, betonten anschließend beide Seiten: "Wir haben zum Ausdruck gebracht, dass dieses Gespräch vielleicht auch ein Signal ist, dass wir aus der Phase des Übereinander-Redens wieder eintreten in die Phase des Miteinander-Redens." An diesem Punkt widersprach das, was der türkische Minister Celik über die Begegnung sagte, der Einschätzung von Bundesaußenminister Steinmeier nicht.
Einig waren sich die EU-Minister und der türkische Minister auch, dass man die Zusammenarbeit bei vielen existentiellen Themen braucht – Flüchtlingskrise, Kampf gegen den internationalen Terrorismus, in Syrien, im Irak. Ansonsten konnte der Eindruck entstehen, dass man, wiewohl miteinander, so doch viel aneinander vorbei geredet habe.
Wie nach Anschlägen auf Charlie Hebdo Hand in Hand durch Ankara gehen
Enttäuscht sei die Türkei, dass sie nach dem versuchten Militär-Putsch nicht im erwarteten Maße Unterstützung aus der EU erfahren habe. Solidarität habe es, gefühlt, im Verhältnis 1 zu 9 zu völlig unangemessener Kritik gegeben.
Statt wie nach den Anschlägen auf Charlie Hebdo in Paris nun Hand in Hand gemeinsam durch Ankara zu gehen, habe es aus Europas Hauptstädten vor allem Lektionen über Rechtsstaatlichkeit gegeben, derer die Türkei nicht bedürfe, so Celik.
"Vielleicht müssen wir sogar selbstkritisch zugeben, dass die Empathie und die Emotionalität dieser Solidaritätsbekundung nicht in der notwendigen Intensität in der Türkei angekommen ist", sagte Bundesaußenminister Steinmeier. Dessen ungeachtet bleibt Unbehagen bei ihm und seinen EU-Amtskollegen, was die Reaktionen Ankaras auf den Putschversuch angeht.
Es ist bei vielen Punkten heute in Bratislava nicht gelungen, dieselbe Sprache zu sprechen. Der luxemburgische Außenminister Jean Asselborn: "Wir wollen politisch-diplomatisch wieder auf ein normales Gleis kommen. Wir können aber nicht einfach die Augen zu machen, was die Rechtsstaatlichkeit angeht."
"Immerhin habe man die Putschisten nicht erschossen"
Unverständnis, Entsetzen fast, bei den EU-Ministern, als der türkische Europaminister davon sprach, dass als ein Zeichen für Rechtsstaatlichkeit und Achtung der Menschenrechte in der Türkei zu sehen sei, dass man die Putschisten nicht erschossen habe - obwohl sie Parlamentariern und Regierungsmitglieder ans Leben wollten und für den Tod von Zivilisten verantwortlich seien. Aber man wolle, so Ömer Celik keine Rache, sondern Gerechtigkeit.
Trotz allem gegenseitigen Unverständnis gilt, was der Bundesaußenminister hervorhob: "Mit Blick auf die vielen Reibungsflächen, die es im europäisch-türkischen Verhältnis, im deutsch-türkischen Verhältnis zurzeit gibt – wir müssen uns bewusst sein: Die Türkei bleibt für uns in jeder Hinsicht ein Schlüsselland."
Was den Flüchtlingsdeal angeht, machte der türkische Europaminister klar, dass die Türkei an ihm festhalten werde. Man werde weiter aus humanitären Gründen weiter den "1 zu 1"-Mechanismus umsetzen, der die Rücknahme von Flüchtlingen aus Griechenland vorsehe. Allerdings werde man ohne die versprochene Visa-Freiheit für türkische Bürger in der EU keine neuen Vereinbarungen zur Bewältigung der Flüchtlingskrise treffen.
Anpassung von Terror-Gesetzen erst nach Ende der Terrorgefahr durch PKK und IS
An die für die Visa-Liberalisierung geforderte Anpassung der Anti-Terror-Gesetze an EU-Standards sei aber erst zu denken, wenn es in der Türkei keine terroristische Bedrohung durch die kurdische PKK oder die Terrormilizen des IS mehr gebe.
In der kommenden Woche wird der türkische Außenminister in Straßburg mit Vertretern des Europarats sprechen, dem die Türkei angehört. Dabei könnte diskutiert werden, ob mit Hilfe des Europarats eine Lösung in Bezug auf die umstrittenen Anti-Terrorgesetze gefunden werden kann. Und auch, ob und wie der Europarat in die juristische Aufarbeitung des Putsches einbezogen werden kann.
Eine Wiedereinführung der Todesstrafe steht nicht unmittelbar auf der Agenda. Das war wiederholt von der EU als "Rote Linie" bezeichnet worden, die zum Abbruch der Beitrittsverhandlungen mit der Türkei führen werde. Die Verhandlungen auszusetzen, forderte heute - mit Ausnahme des österreichischen - keiner der EU-Außenminister.