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EU-Urheberrechtsreform
Verschont die Nutzer besser damit!

Die EU ringt derzeit darum, wie mit Texten oder Videos im Netz umzugehen ist. Bei den Verhandlungen über Leistungsschutzrecht und Upload-Filter steht viel auf dem Spiel, im Zweifel müssen die umstrittenen Artikel gestrichen werden. Anmerkungen von Paul Vorreiter.

Von Paul Vorreiter |
    Bildnummer: 56893699 Datum: 16.01.2012 Copyright: imago/Xinhua (120116) -- STRASBOURG, Jan. 16, 2012 (Xinhua) -- A plenary session is held to announce the three nominees competing for new president of the European Parliament in Strasbourg, France, on Jan. 16, 2012. A new president of the European Parliament will be elected Tuesday by secret ballot during a plenary session in Strasbourg. (Xinhua/Zhou Lei) FRANCE-STRASBOURG-EUROPEAN PARLIAMENT-NEW PRESIDENT-NOMINEES PUBLICATIONxNOTxINxCHN Politik Europaparlament EU Parlament Plenarsaal Totale xjh x0x premiumd 2012 quer 56893699 Date 16 01 2012 Copyright Imago XINHUA Strasbourg Jan 16 2012 XINHUA a Plenary Session IS Hero to Announce The Three NOMINEES competing for New President of The European Parliament in Strasbourg France ON Jan 16 2012 a New President of The European Parliament will Be Elected Tuesday by Secret Ballot during a Plenary Session in Strasbourg XINHUA Zhou Lei France Strasbourg European Parliament New President NOMINEES PUBLICATIONxNOTxINxCHN politics European Parliament EU Parliament Chamber long shot XJH x0x premiumd 2012 horizontal
    In den Verhandlungen zwischen Rat, Kommission und Parlament der Europäischen Union treffen Überzeugungen und weniger pragmatische Erwägungen aufeinander. (imago/Xinhua)
    Die EU-Urheberrechtsreform ist ins Stocken geraten und der rumänischen Ratspräsidentschaft steht eine fast unlösbare Aufgabe bevor: Sie muss Kompromisslinien ausloten zwischen zwei Philosophien, wie im digitalen Zeitalter mit urheberrechtlich geschützten Inhalten umgegangen werden soll.
    Wie auch immer ein Kompromiss jetzt noch gefunden werden sollte, er muss sorgsam ausgearbeitet werden – denn dafür geht es bei der Reform um zu viel! Mit Blick auf die Europawahl sollte keine falsche Eile entstehen. Im Zweifel sollten die beiden umstrittenen Artikel 11 und 13 einfach gestrichen werden.
    Es ging um nichts Geringeres als das Internet
    Aber erstmal ein Schritt zurück: Schon seit 2016 befindet sich die Reform auf dem Weg und hat eine beispiellose Aufmerksamkeit erhalten. Das Ziel ist es, das Urheberrecht ans digitale Zeitalter anzupassen, die Möglichkeiten für Rechteinhaber zu verbessern, angemessen vergütet zu werden, wenn ihre Texte, ihre Musik, ihre Videos im Netz geteilt und verwertet werden. Die Notwendigkeit liegt auf der Hand. Soziale Medien sind zum neuen Umschlagplatz für Information und Unterhaltung geworden und schließlich verdienen die Plattformen auch daran, dass Inhalte auf ihren Seiten zirkulieren.
    Vor allem mit Blick auf die umstrittenen Artikel 11 und 13 der Reform hatten Interessensvertreter bemerkenswerte Kampagnen geführt, Abgeordnete massenhaft mit Emails bombardiert und auf diese Weise Druck ausgeübt. Zivilgesellschaft, Rechteinhaber, Plattformen, alle mischten mit: Es ging um nichts Geringeres als das Internet, das - so wie wir es kennen – bedroht sei, aufgrund von Zensurmaschinen und Upload-Filtern und anderen nicht immer ganz ehrlichen Argumenten: Die andere Seite argumentierte, Künstler müssten endlich auch in der digitalen Welt angemessen bezahlt werden, Qualitätsjournalismus geschützt werden. In dem Streit sind die Lager verfestigt, Überzeugungen gebildet. Doch wer die Urheberrechtsreform jetzt noch als Ganzes retten will, muss im jetzigen Stadium anhand des Details argumentieren, warum Artikel 11 und 13 so problematisch sind, und weniger den großen Kampf führen.
    Die es treffen soll, denen ist egal
    Bei Artikel 11 soll ein Leistungsschutzrecht auf europäischer Ebene geschaffen werden. Erstaunlich genug, dass ein solches Recht, das sich in Deutschland bereits nicht bewährt hat und Rechteinhabern keine nennenswerte Vorteile gebracht hat, nun auch auf europäischer Ebene kommen soll. Es geht um die Frage, welche Art von "Schnipseln" von Presseartikeln bereits lizenziert werden müssen, wenn sie kommerzielle Anbieter wie zum Beispiel Google News auf ihren Seiten anzeigen. Der Konzern hat in der jetzt entscheidenden Phase nochmal den Druck erhöht und erneut in Aussicht gestellt, seinen Dienst in der EU abzuschalten. Der Streit dreht sich darum, was als "Schnipsel" zu verstehen ist: Sollten inhaltliche Kriterien zählen oder quantitative? Sind bereits zwei aneinander gereihte Wörter lizenzpflichtig? Es mutet absurd an, dass diese schon lizenzpflichtig sein könnten. Und vor allem: Kann man Gerichten und Rechteinhabern derartige Rechtsstreitigkeiten zumuten? Verschont besser beide damit!
    Bei Artikel 13 werden Plattformbetreiber grundsätzlich haftbar gemacht für die Inhalte, die ihre Nutzer auf die Seiten laden. Die härtesten Kritiker des Artikels sagen: Wenn Betreiber das sicherstellen wollen, kommen sie nicht umhin, Upload-Filter zu nutzen; also eine Software über Inhalte drüber laufen zu lassen, die Alarm schlägt, falls sie geschützt sind, dabei auch Fehler macht, zulässige Parodien oder nicht länger geschützte Inhalte mit tatsächlich geschützten Inhalten verwechselt. Immerhin sollen Nutzer das Recht erhalten, sich schnell und unkompliziert dagegen zu wehren. Diese Software ist teuer, deswegen wird über Haftungsausschluss für Firmen diskutiert, die weniger als 20 Millionen Euro Jahresumsatz machen, statt wie ursprünglich vorgesehen 10 Millionen Euro.
    Diejenigen, die der Artikel eigentlich treffen soll, die großen Konzerne – denen kann das egal sein. Deren Umsätze liegen ohnehin weit darüber. Der Streit ist daher eher symbolisch, demonstriert guten Willen, auf Startups zuzugehen, die man nicht in den Ruin treiben will. Aber nicht nur diejenigen haben etwas zu verlieren. Wie realistisch ist es denn, dass sich Nutzer gegen zu Unrecht geblockte Inhalte immer zur Wehr setzen werden? Dass das verbriefte Recht, Memes und Verfremdungen zuzulassen, auch wirklich praxistauglich sein wird. Auch hier sollte im Zweifel gelten: Verschont die Nutzer besser damit! Und übrigens: Selbst europäische Verbände der Kreativwirtschaft gehen inzwischen auf Distanz zu dem Artikel.