Falk Steiner: Herr Dobrindt, die EU-Kommission hat in dieser Woche ein Vertragsverletzungsverfahren gegen die Bundesrepublik eingeleitet. Die Sanktionsregelungen, die die Verwendung von Abschalteinrichtungen bestrafen sollen, seien nicht angemessen angewandt worden, so sagt die Kommission. Haben Sie schlicht zu wenig gemacht?
Alexander Dobrindt: Nein, wir haben das gemacht, was notwendig ist, was im Sinne der Verbraucher ist. Wir haben mit unserer "Untersuchungskommission Volkswagen" ja all die Fahrzeuge auch untersucht, haben die illegalen Abschalteinrichtungen ja auch nachgewiesen und haben deswegen einen verpflichtenden Rückruf dieser Fahrzeuge – es handelt sich ja um 2,4 Millionen Fahrzeuge in Deutschland – angeordnet. Der läuft ja zurzeit auch.
Und die Fahrzeuge werden umgerüstet, werden mit einer anderen Software versehen und haben einen deutlich geringeren Schadstoffausstoß. Und – ja – es ist Aufgabe von VW, nach unserer Anforderung dafür zu sorgen, dass der Kunde genau das Auto auch hat, was er gekauft hat. Und deswegen muss der Schaden von Volkswagen beseitigt werden.
Steiner: Nun ist Artikel 13 der EU-Kfz-Emissionsrichtlinie von 2007 ja doch auf den ersten Blick zumindest eindeutig: Sanktionen müssen nicht nur wirksam und verhältnismäßig, sondern auch abschreckend sein. Was an Ihren Maßnahmen ist denn tatsächlich abschreckend für die Autohersteller?
Dobrindt: Es ist ja erst mal klar, dass es wirksam ist, dass es verhältnismäßig ist und logischerweise müssen diese Sanktionen auch abschreckend sein. Das hat aber auch damit zu tun, dass man in Fällen von Betrug beispielsweise ja staatsanwaltschaftliche Ermittlungen hat. Das ist ja auch bei Volkswagen der Fall. Und darüber entscheiden dann auch die Gerichte, was aus diesen Ermittlungen rauskommt, ob sich daraus dann noch zusätzliche Sanktionen ergeben. Das ist eben auch dann Aufgabe von Gerichten.
Steiner: Aber ja nicht nur, es ist auch Aufgabe der entsprechenden Aufsicht, wenn ich die EU an der Stelle richtig verstehe. Das heißt, theoretisch könnten Sie auch noch mal das Sanktionsbesteck letzten Endes zücken, oder?
Dobrindt: Man muss ja immer verhältnismäßig bleiben. Und unser Grundsatz war, dass der Kunde, der ein Auto gekauft hat, auch das Auto bekommen muss, was er bestellt hat. Das ist das, was wir Volkswagen auferlegt haben. Und genau das wird ja auch umgesetzt. Da kommt ja immer gerne dann der Verweis auf: 'Aber in USA ist doch dies alles anders'. Ja, Amerika hat ein anderes Rechtssystem als Deutschland dies hat. Die Fahrzeuge in den USA konnten auch in keinen regelkonformen Zustand versetzt werden. Von daher sind dann andere Maßnahmen notwendig. Bei uns können diese Fahrzeuge in einen regelkonformen Zustand gebracht werden und deswegen müssen sie auch in einen regelkonformen Zustand gebracht werden.
"Wir machen deutlich mehr als die anderen Länder"
Steiner: Sie verweisen häufiger auf andere europäische Länder und auch darauf, was die tun oder auch nicht tun. Würden Sie sagen, Deutschland hat da eine Spitzenstellung?
Dobrindt: Wir machen deutlich mehr als die anderen Länder. Darauf haben wir ja auch in der Vergangenheit hingewiesen und fordern ja von den anderen europäischen Ländern, dass sie nachziehen. Wir haben ja nicht nur den Fall Volkswagen, in dem wir einen verpflichtenden Rückruf haben, sondern wir haben ja in unserer Untersuchungskommission aufgedeckt, dass es andere Maßnahmen der Abgasbeeinflussung bei anderen Herstellern gibt, bei denen wir klar Zweifel haben, ob sie mit dem europäischen Rechtssystem in Einklang stehen.
Und deswegen haben wir auch denen ja auferlegt, dass es einen freiwilligen Rückruf gibt, diese Fahrzeuge auch optimiert werden müssen, damit sie weniger Schadstoffausstoß haben. Auch diese Rückrufe im Rahmen einer Serviceaktion laufen ja bereits an. Das ist unsere dringende Bitte, dass auch die anderen europäischen Länder, bei denen es ja sehr viele Typzulassungsbehörden gibt, ähnlich agieren.
Und wir haben zusätzlich gesagt, wir brauchen auch eine Rechtsänderung in Europa. Die einschlägige Richtlinie, die über diese Fragen Abschalteinrichtung Auskünfte gibt, lässt leider zu viele Ausnahmen zu. Das haben wir auch der Europäischen Kommission mitgeteilt, dass wir eine Regelverschärfung brauchen, damit es Autobauern nicht so einfach gemacht wird, Abgasreinigungssysteme zu beeinflussen und sich auf die sogenannten Motorschutzgründe berufen. Heißt, die sagen: Ich darf eine Abschalteinrichtung dann verwenden – das ist auch die europäische Regel –, wenn ich meinen Motor schützen muss. Ich kritisiere das, weil ich sage, wenn das einfach so stehenbleibt, dann heißt das: Der, der den schlechtesten Motor konstruiert, der Ingenieur, der am wenigsten Innovation reinpackt in seinen Motor, der kann sich auf das Höchstmaß der Ausnahmen dann verlassen. Das ist falsch.
Es geht darum, wir haben eine technologische ständige Weiterentwicklung und deswegen sollte Ausnahmen nur der für sich in Anspruch nehmen können, der auch State of the Art, das heißt, die modernste Technologie verwendet. Ich glaube, das ist in unser aller Interesse. Autos müssen immer sauberer werden, und deswegen ist es auch notwendig, moderne Technologien dann zu verwenden, wenn sie da sind. Heute ist es so, man kann sie schlichtweg weglassen und dann sagen: Mein Motor ist halt schlichtweg nicht besser und deswegen darf ich Ausnahmen in Anspruch nehmen. Das ist eine falsche Regelung.
Das ist jetzt auch gar keine Kritik an der EU-Kommission, sondern das ist eine Regelung, die aus 2007 stammt. Wer heute mal einen Motor von 2007 mit einem Motor von 2016 vergleicht, der weiß, dass man ganz andere Steuerungsmöglichkeiten über die digitalen Techniken hat, die auch nutzt. Deswegen muss sich einfach das Gesetz dieser technologischen Weiterentwicklung anpassen. Und das ist die Bitte auch an die Europäische Kommission, genau da zu handeln. Die Franzosen unterstützen uns übrigens in diesem Anliegen und sagen: Ja, das ist jetzt der richtige Weg, die Regeln zu verschärfen.
Steiner: Nun ist es so, dass die Automobilhersteller bereits Einwände vorgebracht haben, dass letzten Endes die Änderungen, die jetzt bereits vorgesehen sind zum September 2017 die Verfahren zu ändern, dass die jetzt nicht kommen sollten, denn die könnte man gar nicht umsetzen. Sind das berechtigte Einwände aus Ihrer Sicht oder sind das Vorwände?
Dobrindt: Wir haben ja klare Regeln inzwischen vereinbart – das ist auch auf Druck von Deutschland in Europa geschehen –, nämlich, dass wir mit den Messmethoden näher an das reale Autofahren rankommen, an das reale Fahrverhalten des Autofahrers rankommen, weg eigentlich von dem Test, den wir auf der Rolle haben – beispielsweise beim NOX, auf den Rollentestsystemen –, in den Realverkehr hinein. Und das ist der richtige Weg. Den haben wir so beschlossen und so umgesetzt. Das schafft auch natürlich Vertrauen, übrigens auch deutlich mehr Transparenz. Und deswegen ist es notwendig, den auch genauso umzusetzen.
Steiner: Und das heißt, Sie sagen, die Einwände, die nun vorgebracht werden von der Automobilindustrie, denen würden Sie jetzt nicht folgen wollen?
Dobrindt: Nein. Wir haben ja sehr klar formuliert, dass wir mit diesen neuen Regelungen es schaffen wollen, dass die Testverfahren eindeutiger und näher an dem, was man real auch auf der Straße dann feststellt, kommen. Und deswegen ist die Umsetzung konsequent und richtig und wir bleiben auch dabei.
Steiner: Jetzt klingt das ein bisschen so, als ob Sie mit der Kommission total einig wären in den Dingen, die Sie vorhaben. Aber gleichzeitig ist es so, dass dieses Vertragsverletzungsverfahren eingeleitet wurde, zugleich wirft die Kommission Ihnen auch vor, nicht in vollem Umfang mit ihr kooperiert zu haben, dass Sie Unterlagen zurückgehalten hätten. Was sagen Sie dazu?
Dobrindt: Also, erstens, wir sind uns natürlich nicht mit der Kommission total einig, weil die Kommission ja auch darauf hinweist, sie will die Regeln nicht ändern, weil sie glaubt, die Regeln von 2007 seien ausreichend. Ich glaube, die aktuelle Situation, die Diskussion, auch die Untersuchungsberichte – übrigens nicht nur von Deutschland, auch die Untersuchungsberichte aus Frankreich oder aus England, die ja zu keinem anderen Ergebnis kommen als wir dies tun – weisen ja eindeutig darauf hin, dass es hier eine große Interpretationsfähigkeit der bestehenden gesetzlichen Regelungen gibt. Und wenn man das erkennt, dann muss man die Regeln verschärfen. Die Kommission ist da bis jetzt noch nicht so weit, dass sie diesen Weg mit uns geht. Aber wir sind ja in der Diskussion und hoffen, dass vielleicht auch in Zukunft ein Erkenntnisgewinn stattfindet und der dann möglich ist.
"Ich habe von Anfang an diese Untersuchungsausschüsse begrüßt"
Steiner: Die Opposition wirft Ihnen ganz konkret aktuell vor, dass Sie nicht aufgeklärt, sondern vertuscht hätten. Wo immer möglich, seien Teile des Untersuchungsberichtes des Kraftfahrtbundesamtes entschärft worden. Im Februar werden Sie selber vor dem Abgasuntersuchungsausschuss aussagen. Wie wollen Sie das dort erklären, was dort passiert ist?
Dobrindt: Na ja, die Vorwürfe sind natürlich abwegig. Ich habe ja nicht nur den Untersuchungsausschuss in Deutschland, sondern auch den in Brüssel, bei dem ja ganz, ganz viele auch vorgeladen werden. Ich habe von Anfang an diese Untersuchungsausschüsse begrüßt, weil ich sage, sie bringen auch Transparenz in das ganze Geschehen mit hinein. Wir unterstützen das Arbeiten in den Untersuchungsausschüssen vollumfänglich, weil wir hoffen, dass genau diese Arbeit in den Untersuchungsausschüssen dazu beiträgt, auch zu erklären, warum die rechtlichen Rahmenbedingungen in Europa angepasst werden müssen und im Ergebnis dieser Untersuchungskommissionen dann auch steht, welche Änderungen man gemeinschaftlich vornehmen will.
Steiner: Als ein Ergebnis der ganzen Abgasaffäre, würden Sie sagen, es bedarf grundsätzlicher Änderungen am Verhältnis von Automobilwirtschaft und Politik in Deutschland? War man naiv? Hat man einfach nicht genau hingeguckt? Hat man einfach darauf vertraut, dass das alles schon passt?
Dobrindt: Wir haben zumindest stärkere Kontrollen jetzt eingeführt. Auch da ist meine Bitte, dass die europäischen Nachbarländer dies nachvollziehen. Wir haben zusätzlich zu den bestehenden Regelungen jetzt eingeführt, dass jeder, der ein Auto in Deutschland typzulassen will, uns Auskunft darüber geben muss, ob er Motorschutzmaßnahmen verwendet. Und wenn er die verwendet, wenn er das bejaht, dann muss er uns Einblick in die Software, in die Motorsteuerung geben, die wir dann auch im Detail prüfen können. Das ist für mich ein wichtiger Beitrag, der notwendig ist, damit wir auch Kontrolle verschärfen können.
Das wird in anderen europäischen Ländern so bisher nicht durchgeführt. Und ich glaube, ja, das ist der Weg, der für die Zukunft auch wegweisend ist, schlichtweg stärker darauf zu schauen, was die Automobiler konstruieren. Da ist Vieles ja heute noch gar nicht vorhersehbar, was in Zukunft mit modernster Motorsteuerung, mit digitaler Motorsteuerungstechnik möglich sein wird. Und das geht auch nur dann, wenn wir im Detail auch in die Softwarelösungen reinschauen können.
Steiner: Und das heißt, das Vertrauen ist aufgebraucht?
Dobrindt: Das heißt, dass das Vertrauen natürlich stark beschädigt worden ist in der Vergangenheit und deswegen schärferer Kontrollmaßnahmen heute auch greifen müssen. Und wir lassen auch keinen Zweifel gegenüber der Automobilindustrie, dass wir deutlich mehr erwarten als wir in der Vergangenheit gesehen haben.
"Die Reise geht weiter zu deutlich schnelleren Bandbreiten"
Steiner: Sie hören das Interview der Woche im Deutschlandfunk. Zu Gast ist Alexander Dobrindt, CSU, der Minister für Verkehr und digitale Infrastruktur. Herr Dobrindt, die Bundesregierung hat den Bürgern versprochen, dass Ende 2018 jeder einen Internetzugang mit 50 Megabit Geschwindigkeit nutzen kann. Für viele wird das absehbar der Fall sein, für einige aber auch nicht, trotz Milliardenförderung. Sie haben lange mit den Unternehmen verhandelt. Wer ist daran schuld, dass es auch 2018 noch Breitband-unterversorgte Regionen geben wird: Die Politik oder die Unternehmen?
Dobrindt: Ja, das ist erst mal eine Prognose, die ich so nicht teile. Wir haben uns im Koalitionsvertrag ja die Aufgabe gegeben, bis 2018 überall in Deutschland 50 Mbit ausgebaut zu haben. Wir sind da auf einem exzellenten Weg und wir werden das auch schaffen. Wir werden das in weiten Bereichen sogar übererfüllen. Auch das ist richtig, weil es ja keinen Endpunkt bedeutet 2018, 50 Mbit zu haben. Die Reise geht natürlich weiter zu deutlich schnelleren Bandbreiten.
Und wir haben mit unserem Förderprogramm – wir haben ja inzwischen vom Bund vier Milliarden Euro zur Verfügung gestellt zum Ausbau der Breitbandinfrastruktur in Deutschland – die Grundlage dafür gelegt, dass wir auch deutlich schnellere Bandbreiten umsetzen können. Viele, die im Förderprogramm jetzt den Ausbau unternehmen, haben schon 100, 200 und mehr Mbit in ihrer Versorgung vorgesehen.
Steiner: Wenn man sich das anschaut, eben diese Versorgung mit sehr schnellen Anschlüssen ist das eine Ende, aber natürlich diese anderen Flecken sind da. Droht da nicht erneut eine Spaltung, eine Benachteiligung von eben diesen Regionen, die auch 2018 dann eben vielleicht nicht 50, sondern vielleicht nur 20, 25 Megabit – wenn überhaupt – haben werden?
Dobrindt: Es gilt ja genau das zu vermeiden. Die Digitalisierung ist ja jetzt nicht ein Prozess, der irgendwann abgeschlossen ist, sondern der wird uns ja viele, viele Jahrzehnte noch begleiten und immer neue Technologien werden auch neue Geschwindigkeiten vorsehen, wenn man daran denkt, dass wir an 5G heute arbeiten, also der neue Mobilfunkstandard, der ja dann Echtzeitdaten möglich macht. All das ist für die Zukunft für alle zugänglich auszubauen, weil wir eben keine digitale Teilung in Deutschland wollen, die mitten durch unser Land geht, die Städte bevorzugt, die ländliche Regionen dann möglicherweise benachteiligt.
Genau diesen Nachteil gilt es mit Förderinstrumenten auch auszugleichen, damit jeder eine Chance hat, an Innovation teilzunehmen. Das ist, was ich Innovationsgerechtigkeit nenne. Jeder muss die Gelegenheit haben, an der Digitalisierung, an der Gigabit-Gesellschaft, wie wir das nennen, teilzuhaben.
Steiner: Hat man an der Stelle nicht auch – wie auch bei der Automobilwirtschaft – vielleicht zu lange Rücksicht genommen auf vor allem einen sehr großen Player? Hat man einfach zu lange gezögert, den Glasfaserausbau entsprechend voranzutreiben und damit die Kupferkabel der Telekom geschützt?
Dobrindt: Nein, wir haben halt sehr unterschiedliche Technologien, die in Deutschland auf dem Markt befindlich sind. Wir haben ja nicht nur Glasfasertechnologien, wir haben ja auch Kabeltechnologien, die ja auch heute schon ganz deutlich höhere Bandbreiten mit zur Verfügung stellen, wir haben Hybridtechnologien. Das ist etwas anderes als in Ländern, die vor wenigen Jahrzehnten noch gar keine Infrastruktur diesbezüglich hatten und dann von Anfang an in Glasfaser investiert haben. Wir haben eine unterschiedliche Situation und wollen technologieoffen alles weiterentwickeln. Am Schluss wird natürlich immer die zukunftsfähigste Technologie die Glasfasertechnologie sein. Aber auf den Weg, bis das überall hin aufgebaut ist, können wir sehr hohe Bandbreiten mit den bestehenden Infrastrukturen auch darstellen und wollen dies auch nutzen.
"Das war von Anfang an klar, dass es eine schwierige Aufgabe ist"
Steiner: Verglichen mit dem Breitbandausbau sind Sie bei anderen Projekten dem Ziel noch deutlich nähergekommen. Als Sie Verkehrsminister wurden, hieß es oft, Sie hätten eine "Mission impossible" angenommen: Die PKW-Maut. Nun sind Sie sich kurz vor Ende der Legislaturperiode mit der EU-Kommission einig geworden. Zu einem Zeitpunkt, als die meisten Deutschen die Maut vielleicht bereits vergessen hatten. Die PKW-Maut für alle Fahrzeughalter kann also kommen und Halter in Deutschland profitieren parallel von einer Steuerentlastung. Herr Dobrindt, hat sich dieser lange Kampf wirklich gelohnt?
Dobrindt: Ja. Viele haben ja über die Quadratur des Kreises gesprochen bei dem Thema Maut. Ich glaube, wichtig ist einfach zu erwähnen, dass wir dieses dicke Brett auch gebohrt haben. Das war von Anfang an klar, dass es eine schwierige Aufgabe ist, unter den Bedingungen, die der Koalitionsvertrag ja auch gestellt hat. Aber es ist eine notwendige Aufgabe, um langfristig sicherzustellen, dass das hohe Niveau der Infrastrukturinvestitionen – das ich ja auch erreicht habe jetzt in dieser Wahlperiode mit dem Investitionshochlauf –, dass das gesichert bleibt. Und das kann man genau mit der PKW-Maut auch schaffen. Das sind immerhin 3,7 Milliarden Euro Einnahmen, die wir jedes Jahr damit erzielen, die jetzt zweckgebunden in die Infrastruktur investiert werden müssen.
Das ist auch der große Wert an sich – bisher ist die Kfz-Steuer, die ja beim Bundesfinanzminister, also im allgemeinen Finanzhaushalt landet, nicht zweckgebunden, kann also für alles verwendet werden. Wir haben auch in der Vergangenheit natürlich festgestellt, dass immer dann, wenn man andere Ausgabepräferenzen hat, dann hat die Investition gelitten, vor allem die Investition in die Infrastruktur – die Investitionsschwäche ist ja offensichtlich gewesen in den vergangenen Jahren.
Das können wir beheben, wenn wir Zweckbindung schaffen, das heißt, die Mittel, die wir jetzt über die Infrastrukturabgabe, über die Maut einnehmen, zweckgebunden beim Bundesverkehrsminister für die Infrastruktur zur Verfügung zu stellen. Und von daher, ja, man sieht, dass es sich lohnt, wenn man von einer Sache auch überzeugt ist, hart daran zu arbeiten und die am Schluss auch zum Erfolg zu führen.
Steiner: Die Maut war im Wahlkampf das, was die Obergrenze während des vergangenen Jahres war: Ein Symbol der Unabhängigkeit der CSU. Jetzt ist es bequem, das aus Bayern heraus zu fordern, Sie aber sitzen mit der Kanzlerin am Kabinettstisch und müssen mit ihr arbeiten. Wie sehr haben Sie die Forderungen aus Bayern im vergangenen Jahr genervt?
Dobrindt: Also, erstens einmal würde ich die beiden Sachen nicht zwingend vergleichen wollen. Das sind sehr unterschiedliche Sachen, ob ich auf der einen Seite Gerechtigkeit auf unseren Straßen schaffen will und dafür sorgen will, dass jeder, der unsere Straßen nutzt, auch einen Anteil an der Finanzierung mit beiträgt – das schaffen wir jetzt übrigens ganz selbstverständlich, so wie das in allen unseren Nachbarstaaten auch schon der Fall ist, in den meisten zumindest. Und ich fahre selber ja immer gerne in Urlaub nach Italien und dann muss ich durch Österreich, das Pickerl kaufen, die Brenner-Maut bezahlen. Ich mache dies ganz selbstverständlich, weil ich auf guten Straßen sicher an meinen Urlaubsort komme und zurück. Aber die gleiche Selbstverständlichkeit verlange ich auch von denen, die aus dem Ausland kommen nach Deutschland und durch Deutschland durchfahren, wenn sie unsere guten Autobahnen benutzen.
Und der andere Teil ist die Frage, wie geht man mit einem Thema um, das sich niemand so gewünscht hat – die Flüchtlingsthematik aus dem vergangenen Jahr hat uns ja vor große Probleme gestellt. Und jetzt ist die Frage: Wie kann man für die Zukunft so ein Jahr, wie wir es 2015 auch erlebt haben, vermeiden. Und deswegen sagen wir klar, dazu gehört auch eine Obergrenze. Das ist wichtig, weil unter dieser Obergrenze dann auch ein Maßnahmenpaket steht, eben zu vermeiden, dass nochmal eine Million Flüchtlinge nach Deutschland kommen. Ja, und wir haben das auch ganz offen thematisiert, auch hier in Berlin.
Es macht auch überhaupt keinen Sinn, dass man über Unstimmigkeiten, die zwischen den Unionsparteien, zwischen CDU und CSU herrscht, versucht, weiße Salbe zu schmieren. Da ist es doch deutlich sinnvoller zu sagen, da besteht ein Dissens. Ja, und wir bleiben dabei, eine Obergrenze wäre eine und ist eine richtige Maßnahme.
Steiner: Aber hätten Sie für Ihre Arbeit im Kabinett sich nicht manchmal gewünscht, dass die Töne aus Bayern vielleicht etwas moderater sind?
Dobrindt: Nein. Wir haben hier eine harte Auseinandersetzung – die ist auch auf allen Ebenen geführt worden, nicht nur in München, nicht nur in Berlin, sondern auch in Brüssel. Das hat die CSU natürlich auch gemacht, und deswegen bleiben wir ja auch bei unserer Haltung. Und ich glaube, es war ein ganz wichtiger Beitrag, den wir geleistet haben. Wir haben ja eine ganze Reihe von Veränderungen auch in der Koalition dann im Bereich der Flüchtlingsthematik mit umgesetzt. Und das ging nur mit dem Beitrag der CSU.
Steiner: Auch die CDU entdeckt ja jetzt die Möglichkeit, der regierenden Opposition, das Thema "Doppelpass", bei dem sie mehrheitlich knapp auf CSU-Kurs eingeschwenkt ist. Aber weder für die Rückabwicklung der Doppelpass-Lösung noch für die Obergrenze, die Horst Seehofer zur Vorbedingung jeder künftigen Koalitionsbeteiligung erhoben hat, wird es absehbar eine realistische Umsetzungsoption geben, da das außer der AfD niemand unterstützt – und mit der wollen auch Sie, glaube ich, nicht koalieren. Viele Wähler fragen sich also: Was soll das? Warum fordert man Dinge, die absehbar keine Realisierungschance haben? Was antworten Sie denen?
"Diese Konsens-Soße lässt manche Leute an der Politik verzweifeln"
Dobrindt: Die CDU hat erstmal auf ihrem Parteitag ja sehr deutliche Positionen bezogen. Das ist richtig. Wir gehen in ein Wahlkampfjahr hinein, die Wähler wünschen sich Orientierung von den politischen Parteien. Und ich glaube, es ist sinnvoll, erstmal zusagen, was ist die eigene Position und nicht schon immer vorweg zu denken, was ist denn die Position von möglichen Koalitionspartnern und wie kann ein Kompromiss ausschauen. Diese Konsens-Soße ist ja das, was manche Leute auch manchmal an der Politik verzweifeln lässt, weil man einfach nicht mehr hundertprozentig weiß, wo steht denn eigentlich jeder. Und deswegen kann ich nur sagen, dass der CDU-Parteitag hier auch sehr klare Positionen gezeigt hat, die wir alle dringend auch brauchen, wenn wir im nächsten Jahr für unsere Position werben wollen.
Steiner: Sie hören das Interview der Woche im Deutschlandfunk, mit dem Bundesminister für Verkehr und digitale Infrastruktur, Alexander Dobrindt, CSU. Ihr Noch-Parteivorsitzender, der Bayerische Ministerpräsident Horst Seehofer, hat gefordert, dass der künftige CSU-Vorsitzende nach Berlin gehen müsse. So richtig zu wollen scheint das aber aus Bayern heraus niemand. Das wirkt ein bisschen wie Angela Merkels lange Suche nach einem geeigneten Bundespräsidentschaftskandidaten. Hat Horst Seehofer Sie gefragt?
Dobrindt: Erst mal ist die Analyse richtig, dass ein Parteivorsitzender zukünftig in Berlin sein sollte. Wir stellen ja fest, dass immer mehr Verhandlungen zwischen den Koalitionspartnern stattfinden und dass nicht alles am Kabinettstisch, sondern eben auch in Koalitionsrunden entschieden wird. Das ist möglicherweise auch verstärkt für die Zukunft zu erwarten. Ja, und dass man da mit einer hohen Präsenz in Berlin dann auch leichter seine eigenen Positionen umsetzen kann, ist, glaube ich, der ganz natürliche Prozess.
Und um wen es da geht und welche Personen und wie man sowas organisieren kann, ist eine ganz zweite Frage. Jetzt geht es erstmal um die strategische Frage: Wie will man sich selber für eine Bundestagswahl und die Zeit danach mit aufstellen. Und nein, es ist über Personen nicht gesprochen worden, auch nicht mit mir.
Steiner: Herr Dobrindt, als CSU-Generalsekretär fielen Sie ja durchaus mit steilen Thesen auf. Sie sprachen zum Beispiel Anfang 2012 davon, dass Griechenland 2013 außerhalb der Eurozone sein werde – was Ihnen von Andrea Nahles die Bezeichnung "Stammtischkasper" einbrachte und sogar Kritik aus dem CSU-Lager, allerdings von Europaebene. Nach drei Jahren zwischen Bundesverkehrswegeplan, Leerrohrverlegung für den Breitbandausbau, digitalen Standardmodellen für Bauvorhaben und Thermofenstern bei Abschalteinrichtungen, hat Sie die Realpolitik gezähmt?
Dobrindt: Nein. Jeder hat natürlich seine Aufgabe erstmal zu erledigen. Meine Aufgabe ist, jetzt im Bundesverkehrsministerium dafür zu sorgen, dass wir die Investitionen bereitstellen für unsere Wasserstraßen, für die Schienen, für die Straßen, dass wir den Digitalausbau mit vorankriegen, dass wir einen Bundesverkehrswegeplan aufsetzen und jetzt dann umsetzen, der ein Gesamtvolumen von 270 Milliarden Euro hat, mit über tausend Projekten, die überall in Deutschland realisiert werden sollen. Und Vieles, Vieles mehr, bis zum autonomen und hochautomatisierten Fahren im Bereich der Digitalisierung, was wir natürlich ja auch mit der Automobilindustrie mitentwickeln wollen.
Das ist eine andere Aufgabe als die des Generalsekretärs, der natürlich die Speerspitze der politischen Auseinandersetzung sein muss. Ich habe dieses Amt in der Vergangenheit mit großer Freude ausgeübt und ich übe das Amt heute mit großer Freude aus. Es gibt ab und zu mal Parallelen, gerade wenn es um Auseinandersetzungen dann mit der Opposition geht, aber in der Regel ist natürlich die Sacharbeit das, was überwiegt beim Amt des Verkehrsministers.
Steiner: Und das heißt, Sie sind auch ein bisschen in der "Konsens-Soße", wie Sie es eben genannt haben, angekommen?
Dobrindt: Nein. Ich weiß gar nicht, ob die Themen, die ich so üblicherweise bearbeite, mit so viel Konsens zu tun haben. Die haben doch eher was mit heftigem Ringen zu tun, aber nicht jedes Ringen wird dabei so öffentlich ausgetragen, wie man das in einer vergangenen Zeit als Generalsekretär gemacht hat.
"Ich habe noch Einiges vor in der Politik"
Steiner: Viele Ihrer langjährigen Wegbegleiter aus der CSU haben die aktive Politik verlassen, sind ins Verbändeumfeld gewechselt. Werden Sie der Politik dauerhaft erhalten bleiben?
Dobrindt: Na, ich weiß nicht, was dauerhaft bedeutet, aber ich habe zumindest vor, jetzt für die nächste Bundestagswahl in meinem Wahlkreis wieder anzutreten. Ich werde in meinem Wahlkreis wieder antreten und wenn ich das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger bekomme, dann sitze ich auch wieder im nächsten Deutschen Bundestag. Das habe ich zumindest fest vor. Und – mein Gott – in der Zukunft gibt es eine ganze Reihe von vielen anderen tollen Berufen, die man sich vorstellen kann. Also, wenn ich irgendwann mal auf einer Almhütte in den Alpen als Almwirt meinen Dienst tun kann, dann ist das ja auch eine charmante Vorstellung. Aber bis dahin ist sicher noch ganz viel Zeit, die vergeht. Ich habe noch Einiges vor in der Politik.
Steiner: Herr Dobrindt, vielen Dank für das Gespräch.
Dobrindt: Gerne.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.