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EU-Verfahren wegen Polens Justizreform
Warschau voller Selbstbewusstsein

Steht der EU-Kommission eine Niederlage bevor? 22 EU-Staaten müssen zustimmen, damit das bereits eingeleitete Verfahren gegen Polen fortgesetzt werden kann. Denn die Justizreform des Landes verstößt gegen EU-Recht. Doch Polen hat sich Verbündete unter den Mitgliedern gesucht.

Von Florian Kellermann |
    09/05/2017 Der neue Ministerpräsident Polens im Mai 2017 auf dem Economic Forum in Krynica-Zdroj (damals als Finanz- und Wirtschaftsminister).
    Der polnische Regierungschef Mateusz Morawiecki hat die Frist verstreichen lassen, innerhalb derer seine Regierung Vorschläge zur Nachbesserung der Justizreform machen sollte (picture alliance / dpa / Alexey Vitvitsky)
    Die polnische Regierung fährt mit breiter Brust zum EU-Gipfel. Außenminister Jacek Czaputowicz, seit Januar im Amt, sagte bei seiner Grundsatzrede gestern im polnischen Parlament:
    "Die EU-Kommission ist keine Über-Regierung und das Europäische Parlament kein Über-Parlament. Die beiden Organe haben nicht das Recht, den nationalen Parlamenten und Regierungen Anweisungen zu geben. Nichts schadet der Integration der EU-Länder so sehr, wie die faktische Ungleichheit der Mitgliedsländer. Wie die Doppelmoral in der EU. Wie die Tatsache, dass die EU-Kommission zum Instrument in den Händen einiger Staaten geworden ist."
    Damit sprach der Außenminister vor allem das Verfahren an, das die EU-Kommission vor drei Monaten gegen Polen eingeleitet hat. Sie hat damit zum ersten Mal den Artikel 7 des EU-Vertrags ausgelöst. In ihren Augen besteht die Gefahr, dass Polen einen wichtigen Wert verletzt, auf den sich die EU gründet - die Rechtsstaatlichkeit. Denn die Justizreform, die vor kurzem in Polen in Kraft getreten ist, gibt den Regierenden erheblichen Einfluss auf die Richter.
    Mehr Verbündete unter den EU-Ländern als angenommen
    Bis Dienstag sollte Polen erklären, wie es die Reform abändern will - entsprechend den Empfehlungen der Kommission.
    Doch die Regierung hat die Frist verstreichen lassen, innerhalb derer sie konkrete Vorschläge zur Nachbesserung der Justizreform machen sollte. Ihr selbstbewusstes Auftreten vor dem EU-Gipfel hat verschiedene Gründe. Der wichtigste: Polen hat in der Streitfrage mehr Verbündete unter den EU-Ländern als bisher angenommen, am deutlichsten stellten sich Ungarn und Litauen an die Seite Warschaus. Jerzy Haszczynski, Außenpolitik-Chef der konservativen Tageszeitung "Rzeczpospolita":
    "Eine ganze Reihe von Staaten aus unserer Region hat weitgehende Zweifel angemeldet. Ich habe mal gezählt - das gilt für mindestens sieben Staaten. Und wenn deswegen droht, dass die ganze Sache scheitert, dann sagen sich auch andere: Lassen wir das Ganze lieber, bevor es scheitert."
    Alle Länder außer Polen müssten Sanktionen zustimmen
    Im nächsten entscheidenden Schritt müssten vier Fünftel der Staaten erklären, dass sie die Sicht der EU-Kommission teilen. Das entspräche 22 Stimmen im EU-Rat. Wenn Jerzy Haszczynski Recht hat und derzeit sieben Stimmen fehlen, dann würde die EU-Kommission schon hier eine Niederlage einstecken.
    Sanktionen würden Polen erst in einem darauffolgenden Schritt drohen. Ihnen müssten alle Länder zustimmen - außer Polen selbst.
    Ein weiterer Grund, warum Polen sich derzeit kaum Sorgen machen muss: Wichtigere Themen haben sich auf die Agenda der Gemeinschaft gedrängt. Dazu gehören die Vergiftung eines ehemaligen Spions in Großbritannien, die Brexit-Verhandlungen - und die Importzölle, die der US-Präsident Donald Trump angekündigt hat.
    Dialogbereitschaft der polnischen Regierung
    Die polnische Regierung versucht, zusätzlich Druck aus dem Kessel zu nehmen, indem sie weitere Dialogbereitschaft ankündigt, so der Vize-Außenminister Konrad Szymanski:
    "Die EU-Mitgliedslieder erwarten, dass Polen gemeinsam mit der EU-Kommission nach Kompromissen sucht. Die Erwartungen dieser Länder gehen aber nicht so weit wie die der Kommission, sie sind realistischer."
    Doch auch wenn es vorerst keine weiteren Schritte gegen Polen geben sollte: Vom Tisch ist das Thema damit noch nicht. Die EU-Kommission und führende EU-Länder wollen weiterhin klar machen, wie wichtig die Rechtsstaatlichkeit für die Gemeinschaft ist.