Extreme gesundheitliche Gefahren reduzieren - aber den Teller nicht mit Regelungen vollpacken. So formulierte Bundesernährungsminister Christian Schmidt seine Zielvorstellungen vor Kurzem im Bundestag. Besonders die Allergenkennzeichnung bei loser Ware sei "spannend":
"Zwischen dem Beipackzettel auf der einen Seite und einer viel zu kursorischen, nicht tief greifenden Information. Ich denke, wir haben gute Maßstäbe gefunden."
Seit dem 13. Dezember 2014 müssen in ganz Europa die 14 Hauptallergene gekennzeichnet sein - und zwar auch für sogenannte "lose", also unverpackte Ware. Zu diesen Hauptallergenen gehören: glutenhaltiges Getreide wie Weizen und Roggen, Milcheiweiß und Nüsse. Aber auch Eier, Fische, Krebstiere, Sojabohnen, Sellerie, Sesam und Senf. Die Europaparlamentarierin Renate Sommer von der CDU, maßgeblich am Zustandekommen der neuen Regelungen beteiligt, lobt die Lebensmittelinformationsverordnung als "Meilenstein für die Verbraucher".
"Ich könnte also als Allergiker hingehen und fragen: Sagen Sie mal, ist in der Wurst das und das? Mein Allergen? Dann kann mir der Metzger (in Zukunft) die Auskunft dazu geben, er muss es auch noch schriftlich vorlegen, in der Regel wird es eine Kladde sein, die am Verkaufstresen liegt."
Die Möglichkeit, die Kunden nicht nur schriftlich, sondern auch mündlich zu informieren - das war ihr und vielen Unionskollegen mit Blick auf viele kleine Betriebe wichtig. Praxisgerecht und flexibel sollte die neue Regelung sein. Verbraucherschützer und Allergikerbund kämpften dafür, dass eine schriftliche Dokumentation vorhanden sein muss.
Erforderliche Kennzeichnung noch lückenhaft
Kiel. Gudrun Köster von der Verbraucherzentrale Schleswig-Holstein macht einen kleinen Marktcheck: Wie haben die örtlichen Bäckereien die neue Allergenkennzeichnung umgesetzt?
"Als Erstes wäre jetzt entscheidend, ist irgendwo ein Hinweis für die Allergiker, dass die Informationen vorliegen. Der müsste gut sichtbar sein, als Aushang oder auf dem Tresen vielleicht. Sehe ich so auf den ersten Blick nicht."
Die Verkäuferin bei "Steiskal", einer regionalen Kette, holt auf Nachfrage eine Kladde hinterm Tresen hervor, in der das Warenangebot aufgelistet ist, bei den jeweiligen Allergenen sind Kreuzchen.
"Brote, Brötchen, Kuchen, alles Mögliche, was wir hier verkaufen. Nur Bistro nicht, und belegte Ware."
Gudrun Köster runzelt die Stirn.
"Wir sind jetzt nicht die Lebensmittelüberwachung, aber das müsste natürlich dafür auch. Für die Gastronomie ist es ja auch erforderlich und das ist ja auch ein gastronomisches Angebot."
Nächste Station: eine überregionale Bäckerkette. Die Allergene sind auf den Preisschildern vermerkt. Thomas Schwab, der Leiter der Filiale, hatte wenig Arbeit mit der neuen Kennzeichnung.
"Ja, kam von der Zentrale. Aber grundsätzlich ist es, glaube ich, die einfachere Lösung. Ist für jeden ersichtlich, ohne dass er in irgendeinem Verzeichnis wühlen muss."
Klar, sagt Gudrun Köster. In solchen Ketten werde nicht mehr die klassische handwerkliche Tradition gepflegt wie in kleinen Bäckereien, aber:
"In so einem Fall macht es jetzt sicherlich diese Kennzeichnung einfacher, weil die Produkte sind da einfach standardisiert. Da gibt es keinen Rezepturwechsel oder diese Vielfalt, die dann vielleicht auch eine kleine Bäckerei ausmacht. Aber für dieses Problem dann sicherlich einfacher."
Die Gastronomen dagegen klagen - noch Wochen nach der Einführung. Axel Strehl, Präsident des Hotel- und Gaststättenverbandes Schleswig-Holstein, führt ein Landgasthaus in Ahrensburg, im Nordosten Hamburgs. Er fühlt sich in seiner Spontaneität eingeschränkt.
"Wenn Sie wirklich einen kleinen Gruß aus der Küche vorweg haben, dann müssten Sie da ja ein Zettelchen beilegen, was da für allergene Stoffe drin sind, wenn denn welche drin sind. Und mal eben zu sagen: Ich mach mal schnell so - das geht dann eben nicht, denn das müssten Sie ja wieder kennzeichnen."
Schon die reguläre Speisekarte, sagt der Gastwirt, habe ihn und seine Köche etliche Stunden gekostet. Zu recherchieren, welche Allergene in seinen Speisen drin sind und die Speisekarte dann entsprechend zu aktualisieren.
"Wenn man dann erlebt - und das war nicht nur bei mir so, sondern auch bei anderen Kollegen, dass es praktisch nicht nachgefragt wird von den Gästen, dann ist das ein Gesetz, das keiner braucht und das uns nur Arbeit beschert."
Ein Stück Freiheit für Allergiker
Das sieht Wolfgang Griesing völlig anders. Der Hamburger ist Vater eines hochallergischen Kindes - für ihn bedeutet das neue Lebensmittelrecht ein Stück Freiheit.
"Wir haben über Jahre beim Bäcker an der Ecke kein Brötchen kaufen können, weil uns keiner eine verlässliche, sichere Antwort geben konnte. Und es auch keine schriftliche Dokumentation gab, auf die eine Angestellte hätte verweisen können."
Wolfgang und Bettina Griesing haben drei Kinder: acht, sechs und vier Jahre alt. Die beiden Kleinen zeigten bislang keine Allergieneigung. Der achtjährige Anton aber reagierte schon als Kleinkind allergisch auf Milch und Hühnereiweiß.
"Einmal habe ich zum Beispiel beim Frühstücken die Flasche verwechselt. Dann habe ich Bauchschmerzen gekriegt und dann habe ich mich einfach hingelegt."
Anton reagiert schon auf kleinste Mengen; wenn er in Kontakt mit Milch oder Eiprodukten kommt, kann das im schlimmsten Fall zum anaphylaktischen Schock führen. Bauchschmerzen, sagt seine Mutter Bettina Griesing, sind dabei nur der harmlose Auftakt.
"Dann wird die Luftröhre, werden die Bronchien enger, er bekommt schwierig Luft, und der Kreislauf kommt unter Druck, dass der Blutdruck runtergeht, er kann in Ohnmacht fallen, es könnte im Extremfall auch zu einer lebensgefährlichen Situation kommen, die einen Herz-Kreislauf-Stillstand zur Folge hat."
Deshalb gehen Bettina Griesing und ihr Mann nie ohne Notfallset aus dem Haus. Die Allergie ihres Sohnes hat das Leben der Familie völlig auf den Kopf gestellt. Zu Hause wird ohne Milch und Eier gekocht, Quark, Butter, Joghurt - all das muss für Anton unerreichbar aufbewahrt werden. Wie unter einer Käseglocke fühlt sich die Familie manchmal - und hat deshalb so hohe Erwartungen, dass ihr die nun verbindliche Allergenkennzeichnung mehr Bewegungsfreiheit verschafft.
"Wir sind die letzten Jahre vielfach nur in diese Schnell-Fastfood-Burger-Ketten gegangen, weil dort seit Jahren die Allergene gekennzeichnet sind. Und wir wussten, wir können den Burger bestellen und diese Pommes. Aber für unsere Kinder war der Gang ins Restaurant gleichgestellt mit den Fast-Food-Ketten. Die kannten kein Restaurant, weil wir uns nicht getraut haben, in ein normales Restaurant zu gehen, weil wir dort keine Informationen gekriegt haben."
Fast ein Drittel der Bevölkerung ist betroffen
Familie Griesing ist mit ihren Problemen nicht allein. Der Anteil der Menschen, die in Deutschland mit Allergien und Unverträglichkeiten auf Lebensmittel reagieren, steigt ständig - Mediziner schätzen, dass mittlerweile fast ein Drittel der Bevölkerung betroffen ist. Bei den Kindern nehmen Allergien besonders stark zu. Das beobachtet auch Jana Witte, Allergologin am Hamburger Universitätsklinikum.
"Das ist quasi eine überschießende Reaktion des Immunsystems, das auf eigentlich nicht krankmachende Stoffe eine Überreaktion entwickelt. Also Antikörper entwickelt gegen bestimmte Stoffe, die dann zu allergischen Symptomen führen, wenn der Kontakt mit dem Stoff besteht."
Bei den Unverträglichkeiten - etwa gegen Laktose - entwickelt das Immunsystem keine Antikörper - die Symptome aber können ähnlich sein wie bei einer Allergie.
"Dagegen hilft nur das Meiden des Allergens. Man hat keine ursächliche Therapie."
Besonders bei Kindern ist Allergenvermeidung das A und O - denn dann besteht die Hoffnung, dass sich die Allergie im Erwachsenenalter wieder verliert. Auch deshalb ist es den Griesings so wichtig, dass Anton nicht mit Milch und Ei in Kontakt kommt.
Als Anton noch in die Kita ging, konnten sie sich darauf verlassen. In der Küche der Kindertagesstätte Kokopelli hängen große Zettel mit den Namen der Kinder, die Allergien oder Nahrungsunverträglichkeiten haben.
"Diese Namen sind allen hier geläufig. Nach zwei Wochen hat man´s drin, da weiß man wann man wie was machen muss", sagt Rolf Lühmann, der mit seinem Team täglich bis zu 180 Essen für Kinder und Erzieher kocht.
"Dann wird grundsätzlich der Ansatz des Essens gemacht - sag ich mal: ein Eintopf. Da kommt erst mal alles hinein, was hinein gehört. Dann wird geguckt: Wie viele Kinder dürfen zum Beispiel keine Milch. Oder Zöliakie, wo eben kein Weizen drin sein darf. Das wird dann entnommen, in einen Extratopf. Und dann wird für die jeweiligen Kinder extra gekocht."
Auch beim Nachtisch muss Rolf Lührmann eine Alternative anbieten: Grießpudding steht heute auf dem Speiseplan - auch hier also: Weizen und Milch. Für die Kinder, die das nicht vertragen, gibt es ein Sojaprodukt.
"Natürlich, es sind drei Töpfe mehr abzuwaschen und es ist am Ende natürlich ein Mehraufwand, aber es ist für uns absolut zu bewältigen."
In den Kitas der Hamburger Rudolf-Ballin-Stiftung wird schon beim Aufnahmegespräch abgefragt, ob das Kind eine Allergie hat. Eine spezielle Verordnung hätte es für seine Einrichtungen eigentlich nicht mehr gebraucht, sagt Hilmar Upleger, der Ernährungsberater der Stiftung. Allergenmanagement sei bei ihnen schon seit Jahren Routine.
"Damit werben wir, dass wir wirklich für jedes Kind auch extra kochen. Das ist so. Und wir setzen es um."
Selbstverständlicher Umgang mit Allergien nicht die Regel
Ein solch selbstverständlicher Umgang mit Allergien ist in deutschen Küchen aber längst nicht die Regel. Die Mikrobiologin Elke Jaspers hat im vergangenen Jahr landauf, landab Mitarbeiter von Großküchen und Gastronomiebetrieben geschult - und dabei viel Unsicherheit erlebt.
"Es gibt da diese Anforderung, es erscheint wie ein riesiger Berg. Und gerade zu Beginn des Seminars ist es oft spürbar, dass die Teilnehmer dann da sitzen und so ganz ratlos sind. Und das macht dann auch so ein bisschen wütend."
Meist kann Elke Jaspers ihre Schulungsteilnehmer beruhigen. Wer bislang schon eine gute Hygienepraxis in der Küche hat, der kann auch allergene Gefahren beherrschen. Außerdem ist die Deklaration von Zusatzstoffen, also zum Beispiel von Farb- und Konservierungsstoffen, schon seit Jahren gesetzlich gefordert. Betriebe, die das auf die Reihe bekommen, beobachtet Elke Jaspers, kriegen auch die Allergenkennzeichnung schnell umgesetzt - das Prinzip ist das gleiche. Nur, dass Fehler hier andere Konsequenzen haben können.
"Das ist schon eine bedeutende Änderung, dass der Betrieb jetzt dafür geradestehen muss, dass diese Kennzeichnung stimmt und sich der Allergiker wirklich darauf verlassen kann. Und er dafür auch haften muss. Das ist schon bedeutend."
Sicher, hygienisch einwandfrei und von guter Qualität - das ist hierzulande der Anspruch an Lebensmittel. Aber, sagt Elke Jaspers, wir möchten dafür in der Regel nur wenig bezahlen. Und lassen unser Essen von Menschen zubereiten, die dafür kaum ausgebildet und schlecht bezahlt sind.
"Wenn ich mir die Haare schneiden lassen möchte, von einer Friseurin oder einem Friseur, dann hat diese Person eine Berufsausbildung. Aber jemand, bei dem ich esse, der kann mir - aus meinem Gefühl heraus - mehr Schaden zufügen als jemand, der meine Haare falsch schneidet. Diese Person braucht diese Berufsausbildung nicht. Das ist eigentlich verrückt!"
Auch in den deutschen Durchführungsbestimmungen zur neuen Lebensmittelinformationsverordnung gibt es keine Vorgaben, wie Mitarbeiter in der Gastronomie zu schulen sind. Dort heißt es nur lapidar, die mündliche Angabe der Allergene könne durch den Lebensmittelunternehmer oder einen hinreichend unterrichteten Mitarbeiter erfolgen. Was aber heißt: Hinreichend unterrichtet?
Umfragen des Deutschen Allergie- und Asthmabundes haben in der Vergangenheit immer wieder gezeigt: Die meisten allergischen Reaktionen werden durch nicht vorverpackte Lebensmittel ausgelöst. Denn mehr als die Hälfte des Verkaufspersonals gibt falsche oder lückenhafte Auskünfte. Deshalb haben auch die Verbraucherschützer für eine rein schriftliche, verbindliche Information gekämpft, sagt Gudrun Köster.
"Mündliche Informationen bergen einfach doch Risiken. Natürlich, wenn die dann durch schriftliche Hintergrundinformationen, wie die ja jetzt fast überall vorhanden sind, gestützt sind, dann mag es ja gehen. Aber sonst ist es ja doch so, dass die Personen unterschiedlich qualifiziert sind und die reine mündliche Information dann doch Risiken birgt."
In anderen Ländern herrscht Schulungspflicht
Andere europäische Länder gehen bei der Allergen-Information auf Nummer sicher. Beispiel Österreich: Dort herrscht Schulungspflicht für Lebensmittelunternehmer. Informationen über Allergene dürfen dort nur von Personen weitergegeben werden, die dafür speziell geschult wurden. Und diese Schulung muss alle drei Jahre wiederholt werden.
Wie sinnvoll das auch in Deutschland wäre, erfährt Gudrun Köster auf der nächsten Station ihres Rundgangs. In der Bäckerei Lefsal hat der Verkäufer noch nichts von der neuen, verpflichtenden Allergenkennzeichnung gehört, gibt sich aber selbstbewusst.
"Wir sind alle ausgebildete Verkäufer, wir haben alle Lebensmittelfachkraft gelernt und demnach sind wir informiert. Und wenn Allergene uns zugetragen werden, dann wissen wir es. Teilweise auf Schildern steht auch drauf, so was wie laktosefrei."
Die Schilder in der Auslage weisen aber nur sechs Posten aus, davon sind die meisten Zusatzstoffe, nicht Allergene. Gudrun Köster diskutiert mit dem Verkäufer, der setzt sie schließlich an die frische Luft.
"Das war ja jetzt der Knaller. Sich dann auch noch so weit rauszulehnen und zu sagen: Das sind Zusatzstoffe und alle Farbstoffe können auch Allergien auslösen. So viel Unkenntnis auf einem Haufen."
Thomas Rutkowski überraschen solche Geschichten nicht. Der Kieler Lebensmittelkontrolleur hat in den vergangenen Wochen die gesamte Bandbreite gesehen: Betriebe, die die neue Allergenkennzeichnung schon erfolgreich umgesetzt haben, Betriebe, die daran arbeiten - und solche, die noch nie davon gehört hatten.
"Wir haben uns das so vorgestellt, dass wir jetzt ermahnen, verwarnen, bei der nächsten Kontrolle würden wir dann - in Anführungsstrichen - einen Gang höher schalten, eine gebührenpflichtige Nachkontrolle machen, kurzfristig angesetzt. Und wenn das dann nicht umgesetzt ist, dann würden ordnungsrechtliche Maßnahmen wie Bußgeldverfahren, gegebenenfalls Ordnungsverfügung mit Androhung von Zwangsgeld erfolgen."
Momentan allerdings lässt der Lebensmittelkontrolleur noch Nachsicht walten. Die nationale Durchführungsverordnung für das neue, europaweit gültige Lebensmittelrecht kam erst zwei Wochen vor dessen Inkrafttreten. Bund und Länder hatten sich drei Jahre Zeit gelassen.
"Dadurch, dass die nationale Durchführungsverordnung erst 14 Tage vorher gekommen ist, kann man vom Gewerbetreibenden jetzt nicht erwarten, dass am 15. komplett die Kennzeichnung vorhanden ist. Finde ich."
Noch fehlt in der Verordnung der Passus mit den Bußgeldern
Für konsequentes Durchgreifen fehlt in der deutschen Durchführungsverordnung auch noch der Passus mit den Bußgeldern. Der soll in den nächsten Wochen nachgereicht werden. Wer als Gastronom oder Bäcker keine Allergenkennzeichnung vorlegen kann, hat von den staatlichen Kontrolleuren momentan wenig zu befürchten. Zumal die das neue Recht mit dem gleichen Personal durchsetzen müssen wie bisher, nicht nur in Kiel, sondern auch andernorts. Hamburg etwa, sagt Rico Schmidt von der Gesundheitsbehörde, werde keine Sonderkontrollen anordnen.
"Die werden auch darauf ein Auge haben, die Kollegen, die das vor Ort kontrollieren, das können die leisten. Und ansonsten gilt wie bislang auch: Es wird anlassbezogen kontrolliert. Also, wenn es Beschwerden gibt, dann wird denen natürlich nachgegangen."
Thomas Rutkowski und seinen Kollegen arbeiten jetzt an einem Merkblatt, wie gekennzeichnet werden soll. Denn auch das hat die nationale Durchführungsverordnung offengelassen. Ob Allergene ausgeschrieben oder als Fußnote aufgeführt werden, bleibt der Gestaltungsfreiheit der Gastronomen überlassen. Der Kieler Lebensmittelkontrolleur Rutkowski hätte aber Wünsche.
"Wir hatten in der Vergangenheit ja auch schon die Zusatzstoffe, die kenntlich gemacht werden mussten mit Fußnoten. Dort sind Zahlen vergeben und wir versuchen es, durchzusetzen, dass die allergenen Zutaten, wenn mit Fußnoten gearbeitet wird, mit Buchstaben."
Gudrun Köster, die Verbraucherschützerin, plädiert dagegen dafür, das Allergen auszuschreiben, sodass auf einen Blick klar ist, was in Brötchen, Salat oder Auflauf enthalten ist. Denn anders als bei Farbstoffen oder Konservierungsstoffen, wo ein Irrtum noch verzeihlich sein mag, geht es bei den Allergenen um eine echte gesundheitliche Gefährdung.
"Bei diesen Ziffern oder Abkürzungen können sich dann doch leicht Fehler einschleichen. Und vor allem Verbraucher glauben dann irgendwann, sie wissen, was die Ziffer 3 bedeutet. Aber die kann in jedem Haus etwas anderes bedeuten. Es ist ja nicht wie mit diesen E-Nummern, wo wir in Europa ein einheitliches System haben. Und deshalb ist das Ausschreiben des Allergens und die komplette Benennung sicher die beste Lösung."
Die beste Lösung für den Verbraucher. Aber auch für den Gastwirt? Viele fürchten eine Überfrachtung ihrer Speisekarte. Und dass die Kennzeichnung die Kunden abschreckt. Also die Information lieber unten in den Fußnoten verstecken. Elke Jaspers, die Mikrobiologin, hält das für die falsche Strategie. Allergiker seien eine wachsende Bevölkerungsgruppe. Menschen, die zum Essen ins Restaurant gehen und Familienfeiern haben. Kurz: Kundschaft. Ihr Tipp für Gastronomen:
"Ich habe eine Speisekarte, die ist jetzt frei von den allergenen Kennzeichnungselementen, weil ich da einfach nicht so viel reinschreiben möchte. Und ich habe eine zweite Speisekarte, die hat dann den Titel: 'Unser Service für Allergiker'. Das ist eine sehr positive Aussage, finde ich. Nur, weil es ein Gesetz ist und Vorschrift, heißt das ja nicht, dass ich es nicht auch für mein Marketing nutzen kann."
Allergenkennzeichnung im Ausland übers Internet
In Großbritannien und Irland haben die nationalen Gesundheitsbehörden Vorschläge erarbeitet, wie die Allergenkennzeichnung praktisch umgesetzt werden kann - für jede Branche, abrufbar übers Internet. Das Schreckgespenst vom "bürokratischen Monster" ist dort längst durch ideenreiche Lösungen geschrumpft. Das wünscht sich Elke Jaspers auch für Deutschland.
"Das ist eine europäische Vorgabe, umgesetzt in nationales Recht und wir müssen es machen. Wir können jetzt ganz viel diskutieren und wir können auch ganz viel Energie in den Widerstand dagegen setzen, aber wir kommen nicht umhin, es zu tun."
"Wir geben Ihnen gerne Auskunft über Inhaltsstoffe und Allergene in unseren Backwaren." Das kleine Schild in der Kieler Bäckerei Tackmann liegt versteckt in der Auslage. Darauf angesprochen, zögert die Verkäuferin nicht lange. Sie holt das Schild aus der Auslage und platziert es in einem Aufsteller - gleich vorne am Eingang, sodass jeder es sehen kann.