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EU verstärkt Kampf gegen Schleuser
Erfolg der Operation "Sophia" bleibt ungewiss

Die Europäische Union will jetzt verstärkt gegen diejenigen vorgehen, die für viel Geld Menschen illegal über die Grenzen schmuggeln oder auf wenig seetauglichen Booten über das Mittelmeer Richtung Europa schicken. Das hört sich gut an, ändert aber nichts an den Gründen, warum die Menschen nach Europa wollen.

Von Jan-Christoph Kitzler |
    Flüchtlinge werden im Mittelmeer von Bundeswehrsoldaten auf zwei Speedbooten von ihrem Holzboot abgeholt und anschließend zur Fregatte Schleswig-Holstein gebracht. Im Hintergrund ist die britische HMS Enterprise zu sehen.
    Auch die Bundesmarine soll jetzt verstärkt im Mittelmeer gegen Schlepper vorgehen. (picture alliance / dpa / Gioia Forster)
    Neulich in Rom hat Federica Mogherini, die italienische EU-Außenbeauftragte, den Namen verkündet, den die europäische Militärmission im Mittelmeer ab heute tragen soll: "Sophia". Nach einem kleinen Mädchen, dessen Eltern aus Somalia Ende August vor der libyschen Küste gerettet wurden. Sophia kam an Bord eines Militärschiffes zur Welt.
    Heute beginnt Phase II des Militäreinsatzes, an dem 22 Nationen mit Schiffen, Fluggerät oder Personal beteiligt sind. Deutschland hat sein Engagement jetzt noch einmal aufgestockt, der Bundestag hat vor einigen Tagen beschlossen, bis zu 950 Soldaten zu entsenden.
    Sie sollen auch weiterhin Menschen retten wie Sophias Eltern, die auf dem Mittelmeer in Seenot geraten. Neu ist der verstärkte Kampf gegen die Schleuserkriminalität, sagt Mogherini: "Das ist sicher eine Abschreckungsmission, aber auch eine Operation, die die Schleuser vor Gericht bringt, die wir in internationalen Gewässern aufgreifen. Die Verbrecherorganisationen zu bekämpfen, ist nur ein Teil, aber ein grundlegender, um zu verhindern, dass Menschen sterben, und um ein Phänomen zu bewältigen, dass auch diese Seite hat."
    Stand bisher die Aufklärung im Vordergrund, sollen jetzt also die Schleuser verfolgt und festgenommen werden. Die Soldaten haben den Auftrag, ihre Boote aufzubringen und im Zweifelsfall zu versenken. Ob das wirklich eine neue Qualität im Kampf gegen die Schlepper ist, wird allerdings von einigen bezweifelt. Auch von Flavio di Giacomo von der International Organisation for Migration, IOM. "In Wirklichkeit passiert beides schon seit einigen Monaten. Schon vorher wurden die Boote nach der Rettung der Migranten zerstört. Und das gilt auch für die Schleuser: Wenn ein Boot mit Flüchtlingen in Italien ankommt, steigt zuerst die Polizei an Bord, um die mutmaßlichen Bootskapitäne zu identifizieren und fast immer werden sie festgenommen."
    Hunderte dieser Bootskapitäne sitzen in italienischen Gefängnissen. Aber ein wirklicher Schlag gegen die großen Schleppernetzwerke ist das nicht. Auf dem Mittelmeer fängt man nur die kleinen Fische. Die Hintermänner sitzen in Libyen, in Ägypten und der Türkei und verdienen weiter das große Geld mit der Flucht nach Europa. Auch bisher schon wurden Boote versenkt, auf denen die Flüchtlinge ihre gefährliche Reise antreten. Aber oft sind sie ohnehin nicht mehr seetüchtig und Hindernisse für die Schifffahrt.
    Und wer glaubt, dass die Operation "Sophia" die Flüchtlingsströme aufhalten könnte, sieht sich getäuscht, sagt zumindest Christopher Hein, der Sprecher des Italienischen Flüchtlingsrates: "Ich bin außerordentlich skeptisch über den möglichen Erfolg dieser ganzen Operation, denn solange die Ursachen des Schmugglerwesens nicht angegriffen werden, wird, um es zynisch zu sagen, der Markt nach wie vor da sein. Es geht bei solchen Operationen leider immer nur darum, die Ströme umzulenken, häufig die Reisen noch gefährlicher, noch teurer, noch schwieriger zu machen für die Menschen, die auf der Flucht sind."
    So könnte es gut sein, dass die Operation "Sophia" zwar den Schleuserbanden das Leben schwerer macht, aber gleichzeitig ihre Profite erhöht. Vor allem, weil die Menschen, die nach Europa wollen, die vor Kriegen, Terror oder bitterer Armut fliehen sich von neuen Hindernissen nicht aufhalten lassen: "Die Menschen haben keine Alternative. Und solange das so ist, kann man auch die Boote zerstören, das wird alles einen sehr beschränkten Erfolg haben. Das ist eine dieser Operationen, die dem Publikum vorgestellt werden, jetzt machen wir mal was, jetzt krempeln wir mal die Ärmel hoch, aber der Erfolg wird nicht da sein, solange nicht die wirklichen Beweggründe, warum die Menschen auf diese Weise versuchen, nach Europa hereinzukommen, bekämpft werden."
    ... und dafür braucht es dann mehr, als eine erweiterte europäische Militärmission.