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EU-Ziel ist es, "einen grünen Energiemarkt zu schaffen"

In Brüssel trifft sich heute zum Milliardenprojekt "Solarstrom aus Afrika" die EU-Kommission mit Politikern und Forschern aus EU-, Mittelmeer- und Golf-Staaten. Außenkommissarin Ferrero-Waldner erhofft sich eine "Win-Win-Situation" für die EU, die Mittelmeeranrainer - und Afrika.

    Christoph Heinemann: Am Telefon begrüße ich die Außenkommissarin der Europäischen Union. Guten Morgen, Benita Ferrero-Waldner.

    Benita Ferrero-Waldner: Guten Morgen, Herr Heinemann.

    Heinemann: Frau Ferrero-Waldner, welchem Ziel dient das heutige Treffen?

    Ferrero-Waldner: Das heutige Treffen ist ein nicht unwichtiges. Es ist ein einzigartiges Forum, das die europäischen Unionsländer, die Mittelmeerländer und die Golf-Kooperationsländer zusammenbringt, um einen grünen Energiemarkt zu errichten. Es geht um alle Arten von erneuerbaren Energien, aber in erster Linie natürlich Solarenergie und Windenergie, und dann geht es darum, dass man Elektrizitätsmärkte integriert und Energieeffizienz durch eben erneuerbare Energie schafft.

    Heinemann: Nun plant die Wirtschaft längst, es gibt ein großes Konsortium, das eben dieses Projekt verfolgt. Ist das Ganze für Sie ein politisches, oder ein wirtschaftliches?

    Ferrero-Waldner: Es ist für mich zuerst einmal ein politisches Projekt, weil es ja darum geht, die Rahmenbedingungen zu schaffen. Wir wollen eigentlich drei wesentliche Punkte bei dieser Konferenz ansprechen. Erstens eben, einen Rahmen zu schaffen für Politiken, für Gesetzgebung und überhaupt für Vorschriften, um so einen grünen Energiemarkt zu schaffen. Das heißt, gemeinsame Ziele für erneuerbare Energie zu bringen, dann auch die Frage eines gemeinsamen Marktes für Investitionen und für Handel in erneuerbarer Energie, und dann den grünen Energiemarkt mit Transparenz auszustatten. Das wäre Nummer eins. Nummer zwei, wirkliche Infrastruktur, notwendige Infrastruktur zu schaffen, die dann für das Netzwerk notwendig ist. Hier geht es um zusätzliche Kapazitäten für Interkonnektionen zwischen der Europäischen Union, den südlichen Mittelmeerländern und dem Golf. Und drittens, gemeinsame Bemühungen zu schaffen auch in Innovation und in Entwicklung und wissenschaftlicher Forschung, um gemeinsam wirklich erneuerbare Energie zu bringen, die dann auch wirtschaftlich überhaupt machbar ist.

    Heinemann: Beispiel Infrastruktur, von der Sie gesprochen haben, das heißt die Übertragung des Stroms. Sollte das privatwirtschaftlich, oder von der Europäischen Union geleistet werden, aufgebaut werden?

    Ferrero-Waldner: Schauen Sie, wir sind manchmal bei dem einen oder anderen Fall bereit, sozusagen eine Machbarkeitsstudie zu finanzieren, oder wir sind bereit, mit diesen einzelnen Konsortien zu sprechen. Wir sind bei dem Solarenergieprojekt auch bereit, circa fünf Millionen Euro einzusetzen. Das ist dieses Projekt der Mittelmeer-Union. Aber im Wesentlichen müssen das wohl Konsortien und wirtschaftliche Unternehmen selber machen.

    Heinemann: Frau Ferrero-Waldner, die Bevölkerung in Nordafrika wächst stetig und damit auch der Energiebedarf vor allem bei Kühlsystemen. Benötigen diese Staaten die Sonnenenergie nicht eines Tages für eigene Zwecke?

    Ferrero-Waldner: Selbstverständlich zum Teil, aber zum Teil brauchen sie auch Exporte, um dann wieder Einkommen zu schaffen. Das heißt, es sollte eigentlich eine Win-win-Situation sein und wir liefern Know-how und Expertise und die Mittelmeer- und die Golf-Länder liefern sozusagen die möglichen Ressourcen, aber natürlich immer so, dass beide Teile eigentlich damit zufrieden sind.

    Heinemann: Stichwort Win-win-Situation. Wenn Europa aus Afrika Rohstoffe bezieht, dann allzu oft nach den Spielregeln, die Europäer plündern die Bestände und schmieren irgendwelche Potentaten. Wie kann man sicherstellen, dass auch die Habenichtse in den Lieferstaaten in den Genuss der Zahlungen kommen?

    Ferrero-Waldner: Zum einen möchte ich das so, wie Sie das sagen, sicher nicht im Raum stehen lassen. Ich glaube, wir als Europäische Union bemühen uns um möglichst transparente Finanzierung und versuchen auch, sozusagen das bei den Empfängerländern so zu sehen. Generell, glaube ich, ist es wichtig, dass wir alles tun, um das zur Verfügung zu stellen, was wir tun können: Wie ich sagte, Know-how, Expertise, aber auch Rahmen. Und dann hängt es an den Unternehmen zu sehen, wie sie mit anderen Unternehmen in den Ländern Afrikas, also den Ländern, die die Ressourcen haben, zurechtkommen. Ich glaube nicht, dass wir hier als Europäische Kommission hineingehen können.

    Heinemann: Frau Ferrero-Waldner, was außer den Energieplänen, über die wir jetzt sprechen, hat die Mittelmeer-Union, in deren Rahmen das stattfindet, bisher gebracht?

    Ferrero-Waldner: Die Mittelmeer-Union versucht, vor allem auf Projekte zu setzen. Sie wissen: Es gab vorher den sogenannten Barcelona-Prozess, der sowohl politisch, wirtschaftlich als auch sozusagen People-to-People-Kontakte vorhatte. Die Mittelmeer-Union als solche wollte bewusst auf Projekte setzen. Das wird auch gemacht werden. Da gibt es die Projekte wie zum Beispiel das Solarprojekt, das ich angesprochen habe, oder die sogenannten Autobahnen des Meeres, oder die verschiedenen Häfen, die Möglichkeiten, hier die Verbindungen zu schaffen, oder die Säuberung des Mittelmeeres. Aber wir hatten das große Problem durch den Gaza-Konflikt. Damit haben sich viele arabische Staaten geweigert, sich mit Israel an einen Tisch zu setzen. Es gab zwar Kontakte auf der Ebene der hohen Beamten, nicht aber Kontakte auf der Ministerebene, oder nur in sehr begrenztem Maße. Wir hoffen, dass es in Istanbul im November eine solche Außenministerkonferenz wieder geben wird. Wir tun alles, damit das möglich ist. Wir haben auch in der Kommission bereits die entsprechenden Statuten vorbereitet für das Sekretariat der Mittelmeer-Union in Barcelona, aber es müssen tatsächlich alle Länder, auch die Mittelmeer-Länder – und zwar des Südens vor allem -, bereit sein, mitzugehen und diese Statuten auch abzusegnen.

    Heinemann: Frau Ferrero-Waldner, die heutige Konferenz blickt in die fernere Zukunft. Gestatten Sie mir zum Abschluss noch eine tagesaktuelle Frage. Rechnen Sie damit, dass die Präsidenten von Polen und Tschechien den EU-Vertrag von Lissabon in absehbarer Zeit unterschreiben werden?

    Ferrero-Waldner: Ich rechne damit. Zuerst einmal für Polen rechne ich ganz sicher damit und relativ rasch, und für Tschechien, sobald die Verfassungsklage im Verfassungsgerichtshof beantwortet wurde, gehe ich davon aus und ich hoffe sehr, dass das nicht in allzu ferner Zukunft ist, also noch in diesem Jahr natürlich. Dann hoffe ich doch, dass Präsident Klaus ebenfalls unterschreiben wird.

    Heinemann: Benita Ferrero-Waldner, die Außenkommissarin der Europäischen Union. Danke schön für das Gespräch und auf Wiederhören.

    Ferrero-Waldner: Sehr gerne! Auf Wiederhören.