Die Super League hat vor den Europäischen Gerichtshof (EuGH) einen Erfolg verbucht. Die Richter haben geurteilt, dass die UEFA und die FIFA ihre Monopolstellung im Fußball ausnutzen, wenn sie von Vornhinein Wettbewerbe wie zum Beispiel die Super League verhindern. Das sei "nicht verhältnismäßig" und stehe zudem im Widerspruch zur Wettbewerbsfreiheit.
2021 hatten zwölf europäische Klubs den Versuch gestartet, eine eigene Super League zu gründen – ein privatwirtschaftliches Fußball-Modell mit ausschließlich europäischen Topklubs, eigenen Investoren und vor allem am System der europäischen Fußballunion UEFA vorbei. Die Klubs scheiterten aber am Widerstand der Fans, an Politik und den Verbänden UEFA und FIFA.
Nach und nach zog ein Klub nach dem anderen seine Initiative zurück, geblieben sind nur Real Madrid, der FC Barcelona und Juventus Turin, der zuletzt im Sommer 2023 ankündigte, ebenfalls aussteigen zu wollen. Im April haben die Verfechter der Super League angekündigt, ein neues Konzept mit bis zu 80 Vereinen in drei europäischen Ligen umsetzen zu wollen, in den es Auf- und Abstiege geben soll und das auch eine Qualifikation über die nationalen Ligen beinhaltet.
Inhalt
- Was hat der EuGH entschieden?
- Was bedeutet dieses Urteil jetzt für die Pläne der Super League?
- Wer tritt vor Gericht an und was wird verhandelt?
- Welche Folgen hätte ein Urteil gegen die klagenden Klubs?
- Was befürchtet die UEFA im Falle einer Niederlage?
- Ist die ursprüngliche Idee einer Super League schon gescheitert?
- Wie ist die deutsche Sicht?
- Welche Tragweite hat die Entscheidung?
Was hat der EuGH entschieden?
Laut EuGH verstößt es gegen die Wettbewerbsregeln der Europäischen Union, wenn die Fußballverbände UEFA und FIFA vorab Wettbewerbe von anderen Anbietern, wie zum Beispiel die Super League, genehmigen müssen. Bisher gebe es keine Regeln, die sicherstellen, dass die UEFA und FIFA transparent, objektiv, ohne diskriminierung und verhältnismäßig handeln. Das sei aber notwendig, um die Monopolstellung eines Verbands oder Unternehmens zu rechtfertigen.
Die Sportagentur A22, die im Auftrag der verbliebenen Vereine weiter eine Super League vorantreibt, feierte den Urteilsspruch als "Meilenstein in der Fußballgeschichte: "Das UEFA-Monopol ist beendet. Der Fußball ist frei", heißt es in einer ersten Stellungnahme. "Klubs brauchen ab heute keine Angst mehr vor Sanktionen haben. Ideen müssen die Möglichkeit haben, zumindest diskutiert werden", sagte Bernd Reichart, Chef des Sportprojektentwicklers A22 und Vertreter der Super League nach außen im Deutschlandfunk.
Das Urteil kommt überraschend. Vor einem Jahr hatte der Generalanwalt Athanasios Tantos seine Einschätzung abgegeben, mit der er die Stellung von UEFA und FIFA gestärkt hatte. In seinem Gutachten sprach er sich zwar nicht gegen ein Gründungsverbot einer weiteren Liga aus. Die Klubs dieser neuen Liga dürften aber ohne die Genehmigung der UEFA, FIFA und den nationalen Verbänden nicht parallel an zwei organisierten Wettbewerben teilnehmen. Häufig folgen die Richter am EuGH der Einschätzung des Generalanwalts - in diesem Falle jedoch nicht.
Was bedeutet dieses Urteil jetzt für die Pläne der Super League?
Die Richter betonen in ihrer Urteilsverkündung, dass sie nicht über die Gründung einer Super League entschieden haben. Ob diese kommt, ist weiter unklar. Es ist auch möglich, dass die UEFA ihre eigenen Regeln anpasst und die Monopolstellung freiwillig etwas aufweicht, um am Ende ihre Position im Europäischen Fußball zu stärken.
Die verbliebenen Vereine hinter der Super League und die von ihnen beauftragte Sportagentur A22 haben nach dem Urteil verkündet, weitere Schritte hin zu einer Super League zu unternehmen. Sie haben sich dabei an die Fans gewandt und angekündigt, dass die Spiele der Super League frei empfangbar sein sollen. An die Klubs gewandt sprechen sie von garantierten Einnahmen und Solidaritätszahlungen. Noch am Donnerstag hat A22 ein neues Konzept für die Super League verkündet. Sie soll aus 64 Vereinen in einem dreiklassigen europäischen Wettbewerb bestehen. Innerhalb dieser Ligen soll es eine Gruppen- und eine KO-Phase geben, Auf- und Abstiege zwischen den Ligen inklusive. Die nationalen Ligen sollen dabei über Auf- und Abstieg den Einstieg in die unterste der drei Super-Ligen bilden. Damit würde etwa die Bundesliga zu einer Art "vierten Liga" auf europäischer Ebene. Vereine in der obersten der drei Super-Ligen hingegen haben ihren Platz im europäischen Fußball für mehrere Jahre garantiert, ungeachtet ihres sportlichen Erfolgs.
„Es ist ein offenes, nach dem Leistungsprinzip gestaffeltes Format, dass völlig kompatibel mit den nationalen Ligen ist", sagte Reichart im Dlf. Nach dem EuGH-Urteil habe man nun die Möglichkeit, weiter an dem Format zu arbeiten und es weiter zu entwickeln.
Die UEFA hat indes das Urteil zur Kenntnis genommen, sieht darin aber keine Unterstützung für die Super League. Vielmehr gehe es um "technische Aspekte", die in neuen Regularien der UEFA bereits berücksichtigt seien. Die Fußballpyramide mit nationalen Ligen für die Qualifikation für verschiedene europäische Wettbewerbe sei von Fans und allen Beteiligten zu einem "unersetzlichen Modell erklärt" worden, und man vertraue darauf, dass dieses Modell durch europäische und nationale Gesetze vor Abspaltungen einzelner Vereine geschützt werde.
Wer trat vor Gericht an und was wurde verhandelt?
Aus Sicht der UEFA ist eine Gründung einer Super League nicht rechtens. Die UEFA genießt im europäischen Fußballsystem eine Monopolstellung, was die Ausrichtung von internationalen Spielen angeht. Heißt: Die UEFA ist Ausrichter der Spiele - wie beispielsweise der Champions-League-Spiele. In einer neu gegründeten Super League würden die Spiele aber in der Eigenregie der Super-League-Gründer ausgerichtet werden. Deshalb hat die UEFA die Gründung einer Super League verboten und auch Geld- bzw. Ausschlussstrafen von der Champions League in Aussicht gestellt, falls gegen das Verbot verstoßen wird.
Die beiden Klubs Real Madrid und Barcelona klagen, dass diese Monopolstellung und das daraus resultierende Verbot, eine eigene Liga zu gründen, laut EU-Recht nicht rechtens sei. Laut den Artikeln 101 und 102 der europäischen Verträge darf es in der EU keine Kartelle geben und Unternehmen dürften kein Monopol ausnutzen.
Die beiden verbliebenen Super-League-Initiatoren haben deshalb erst vor einem spanischen Gericht durch ihre Sportmarketingagentur A22, dem Haupttreiber der Super League-Pläne, gegen UEFA und den Weltfußballverband FIFA geklagt. Das spanische Gericht gab den Fall an den Europäischen Gerichtshof weiter.
Was befürchtet die UEFA nach der Niederlage?
Das Urteil könnte Veränderungen für das gesamte Modell des europäischen Fußballs bedeuten. Denn verliert die UEFA ihr Monopol, sind auch diverse weitere UEFA-Regularien aufgehoben, so SZ-Journalist Thomas Kistner: „Es könnte drinstehen, dass die UEFA die abtrünnigen Klubs nicht mit hohen Geldstrafen, womöglich auch nicht mit Wettbewerbsausschluss belegen darf. Das ergäbe dann einen ungemein hohen Anreiz, für Großklubs in Zukunft erst recht alle möglichen Organisationsmodelle auszutesten – straffrei sozusagen.“
Auch könnte der UEFA das Recht genommen werden, Topspieler aus den nationalen Ligen für Spiele in der Nationalmannschaft zu sperren.
Damit wäre der Weg für Konkurrenzwettbewerbe zur Champions League frei. Nach dem Urteil hat sich die UEFA jedoch zuversichtlich gezeigt, dass die Entscheidung keine großen Auswirkungen auf das eigene Geschäftsmodell habe: Die Richter hätten vor allem technische Aspekte in der Zulassung neuer Wettbewerbe bemängelt, die man allerdings schon durch Regeländerungen behoben habe. Man sei zuversichtlich, dass das Konzept der Pyramide mit den nationalen Ligen als Fundament für europäische Wettbewerbe von europäischen und nationlaen Gesetzen geschützt werde. Bevor es einen neuen Wettbewerb geben wird, sind neue Gerichtsverhandlungen also wahrscheinlich.
Ist die ursprüngliche Idee einer Super League schon gescheitert?
Eine Super League, wie ursprünglich angedacht, scheint auch ohne das Urteil schon gescheitert zu sein. Das liegt nicht nur an den Widerständen von Fans und den bereits zurückgetretenen Klubs, sondern auch an den Großinvestoren der Ligen, sagt Journalist Kistner. Sowohl in England als auch in Frankreich werden die Ligen durch Großinvestoren unterstützt, die wohl kaum ihre besten Klubs an eine andere Liga abgegeben und damit den Wert ihrer eigenen Liga senken würden.
In England hat sich zudem eine Aufsichtsbehörde formiert, um die Faninteresse im Blick zu haben. Dort stehen die Zeichen klar gegen eine Super League.
Bernd Reichart, Chef des Sportprojektentwicklers A22 und Vertreter der Super League nach außen, will die Pläne aber weiter vorantreiben. Mittlerweile ist auch ein neues Modell entworfen: Anstatt 20 Topklubs soll die Super League 60 bis 80 Klubs in mehreren Spielklassen und mit Auf- und Abstiegsregeln umfassen - ähnlich wie die Deutsche Fußballliga, sagte Reichert gegenüber dem Kicker. Er argumentiert mit einer Einnahmenverteilung über die ganze Pyramide und damit, dass es keine dauerhaften Mitglieder geben sollte, sondern sich Klubs über ihre Leistung für die Super League qualifizieren können.
Wie ist die deutsche Sicht?
Der angestrebte Investorendeal in der deutschen Bundesliga macht den Eintritt von Klubs wie Dortmund oder dem FC Bayern München in einer Super League eigentlich unmöglich, sagt Journalist Kistner im Deutschlandfunk-Interview:
„Und diese beiden Top-Klubs sind die Kronjuwelen für jeden Investor in die deutsche Liga. Es ist völlig klar, dass sich der künftige Großinvestor in Deutschland absichern wird. Dass er nicht die beiden mit Abstand größten Zugpferde verliert.“
Beide Klubs hatten ihre Teilnahme an einer möglichen Super League auch bereits offiziell abgesagt.
Welche Tragweite hat die Entscheidung?
Die Gründung der Super League war eigentlich nur der Aufhänger für eine richtungsweisende Entscheidung, welche die Grundsätze des europäischen Fußball-Systems in Frage stellt. Durch das Urteil jetzt könnte die europäische Fußballunion Macht an die Klubs verliert.
Das Verfahren könnte ähnlich entscheidend und mit Tragweite verbunden sein wie das Bosman-Urteil 1995. Damals erwirkte der belgische Fußballprofi Jean-Marc Bosman, dass Spieler nach Vertragsende ablösefrei zu einem anderen Klub wechseln dürfen.