Feierlaune in Warschau: Von einem "großen Erfolg" sprach das polnische Außenministerium. Und der Vorstandsvorsitzende des staatlichen Gaskonzern PGNiG, Piotr Wozniak, sagte:
"Der Europäische Gerichtshof hat festgestellt, dass die Vereinbarung, die von Polen angefochten wurde, den Grundsatz der Energiesolidarität in der EU verletzt. Meines Wissens ist das der erste Fall, dass die Energiesolidarität wirkliche Gestalt annimmt und nicht nur auf dem Papier besteht. So wie sie im Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union festgelegt ist."
Das Urteil bedeutet, dass der russische Konzern Gazprom künftig wesentlich weniger Gas durch die Pipeline Opal leiten darf. Es geht um rund 12,5 Milliarden Kubikmeter jährlich.
So war es schon bis 2016. Gazprom durfte nur die Hälfte der Pipeline nutzen. Und schon das war ein Kompromiss. Denn eigentlich sollen Pipelines gar nicht von den Unternehmen betrieben werden, die auch das Gas liefern. Das ist ein Ziel des sogenannten Dritten Energiepakets der EU.
Polen klagte mit Erfolg
Der polnische Energieexperte Jakub Kajmowicz, Chefredakteur des Internetportals "Energetyka24":
"Man hat wohl gesagt: Die Opal-Pipeline ist als Fortsetzung der Gaspipeline Nord Stream 1 gebaut worden, die russisches Gas durch die Ostsee nach Deutschland bringt. Da soll Gazprom die Möglichkeit bekommen, zumindest 50 Prozent der Pipeline zu nutzen. Nicht 100 Prozent, was dem EU-Recht gänzlich zuwiderlaufen würde."
Das änderte sich 2016. Deutschland beantragte eine Neuregelung. Die EU-Kommission genehmigte sie. Von da an konnte Gazprom deutlich mehr Gas durch Opal befördern, also von der deutschen Ostsee bis nach Tschechien.
Gegen diese Änderung von 2016 klagte Polen, mit Erfolg. Warschau argumentierte: Indirekt sei es von der Nutzung der Opal-Pipeline betroffen. Denn je mehr Gazprom durch Nord Stream 1 und Opal nach Tschechien leite, desto weniger Gas schicke es auf den Alternativrouten. Gemeint ist hier vor allem die Pipeline durch die Ukraine und Polen.
Das Urteil stärkt vor allem die Ukraine
Wobei die Ukraine von dem Urteil besonders betroffen sei, so der Chef des polnischen Gaskonzerns Wozniak:
"Das Urteil stärkt vor allem die Ukraine in den bevorstehenden Verhandlungen mit Russland. Diese werde den Transit von russischem Gas vom kommenden Jahr an betreffen. Die Ukrainer können jetzt davon ausgehen, dass Russland 12,5 Kubikmeter Gas jährlich mehr durch ihr Land leiten muss."
Die Verhandlungen sollen in der nächsten Woche beginnen. Die EU-Kommission wird dabei vermitteln. Ursprünglich hatte Russland geplant, den Gastransit durch die Ukraine in den kommenden Jahren ganz zu beenden. Er sollte durch eine zweite Pipeline durch die Ostsee ersetzt werden, die Pipeline Nord Stream 2.
Kiew protestierte mit Erfolg. Die EU sicherte der Ukraine zu, dass der Transit in kleinerem Umfang bestehen bleibe.
In Polen heißt es jetzt: Durch das Urteil könne es sogar sein, dass Russland den Transit durch die Ukraine weiterhin brauchen werde. Das wäre auch für Polen von Vorteil: Das Land bliebe eine Verteilerstation für russisches Gas.
EuGH-Urteil könnte weitere Folgen haben
Das Urteil zu Opal könnte auch Auswirkungen auf das Projekt Nord Stream 2 haben. Denn ähnlich dürfte der Europäische Gerichtshof über die geplante Pipeline Eugal denken, die künftig Gas von Nord Stream 2 weiter verteilen soll.
Der Energieexperte Jakub Kajmowicz:
"Opal ist hier kein Präzedenzfall im engen Sinn. Aber das Urteil zeigt doch, wie die Bestimmungen der EU auch für Eugal ausgelegt werden dürften. Und das verändert natürlich die wirtschaftliche Kalkulation für Nord Stream 2."
Gazprom erklärte gestern, es werde jetzt die juristischen und wirtschaftlichen Folgen des Urteils prüfen.