Islandfahnen, blau-weiß-rote Wimpel und Luftballons am Flughafen, ebenso am Ingólfstorg, dem zentralen Platz von Reykjavík, wo es Public Viewing für die Spiele der Isländerinnen gibt – „unsere Mädels“ – wie die Spielerinnen genannt werden. Die Freude, beim Turnier der besten 16 europäischen Teams dabei zu sein, ist groß. Im öffentlich-rechtlichen Fernsehsender RÚV werden alle Spiele der EM übertragen, auch die ohne isländische Beteiligung - jeweils begleitet von anschließender Analyse und Einordnung. Viele Unternehmen werben mit emotionalen Momenten erfolgreicher Spielerinnen und der Bedeutung des Fußballs in Island.
Viele Nationalspielerinnen bei namhaften Vereinen
Die Hoffnung, das Viertelfinale zu erreichen, ist groß, schließlich hat die große Mehrheit der Spielerinnen Verträge bei namhaften Vereinen in Europa. In der Bundesliga spielen insgeamt fünf von ihnen beim VfL Wolfsburg, Bayern München und Eintracht Frankfurt.
Zum ersten Gruppenspiel gegen Belgien waren 12.000 Isländerinnen und Isländer nach Manchester gereist, obwohl in das Trainingsstadion von Manchester City, in dem das Spiel stattfand, nur 4.700 Plätze hat – lang vor dem Spiel versammelten sich die Fans in der Partyzone in Manchester, unter ihnen Islands Regierungschefin Katrín Jakóbsdóttir, die den Feiernden zurief: "Ich bin so unglaublich stolz einer Gesellschaft anzugehören, die so starke Spielerinnen und Spieler hervorbringt. Wir werden das Spiel gegen Belgien gewinnen und bei der Unterstützung durch die Fans sind wir schon die Gewinner.“
"Können wir uns die Premierministerin ausleihen?"
Im Stadion dominierten die isländischen Fangesänge und da war auch wieder das berühmte „Húh“. Ein Sportreporter der BBC fragte mit einem Augenzwinkern anschließend in einem Tweet, ob Großbritannien die fußballbegeisterte Premierministerin nicht für ein oder zwei Jahre ausleihen könne - und spielte damit an auf die britische Regierungskrise.
Zu Hause in Island war auch das Public Viewing bei frischen 14 Grad und wolkenverhangenem Himmel gut besucht, die Freude über die zwischenzeitliche 1:0-Führung gegen Belgien riesig, die anschließende Enttäuschung über den verschossenen Elfmeter und die vielen vergebenen Chancen dann doch zu spüren - auch bei dieser Familie, die das Spiel, das letztlich 1:1 endete, mit anderen zusammen in einem kleinen Fischerdorf gesehen hatte: "Am Ende fehlte das letzte Quäntchen, es ist ein bisschen frustrierend. "Wir hätten gewinnen müssen." "Ja, das hätten wir gewinnen müssen!"
Auch in Island noch Kritik an unvollkommener Gleichberechtigung
Bei aller Euphorie mischen sich allerdings auch kritische Stimmen, dass es trotz ausgeglichener Berichterstattung schon noch Unterschiede zwischen den Männern und Frauen gibt. "Bei den Männern gab es Angebote um zu den Spielen zu kommen, mit Flug und Hotel inklusive, das gibt es jetzt nicht und es kamen auch mehr zum Public Viewing." "Bei der EM vor sechs Jahren war hier alles voll. Ich möchte hier noch mehr Menschen sehen!" "Aber die Unterstützung ist schon groß und es wird immer mehr."
Gleichberechtigung ist in Island ein großes Anliegen und es wird sehr genau auf Ausgeglichenheit geachtet. Ob bei den nächsten Spielen noch mehr kommen, wird sicher auch davon abhängen, ob die Isländerinnen die Gruppenphase überstehen und sich wie die Männer 2016 in einen Rausch spielen können.