EURO 2024 in Deutschland
UEFA testet neue Regelungen bei EM-Spielen

Neues Turnier, neue Ideen – der Spielmodus bleibt gleich, ein paar neue Regelungen, vor allem die Schiedsrichter betreffend, will die UEFA bei der EURO 2024 in Deutschland aber einführen. Wie machbar sind sie in der Umsetzung?

Von Sabine Lerche |
    Zu sehen sind zehn Bildschirme, die als Bildschirmschoner das EURO 2024-Logo zeigen.
    Der Arbeitsplatz der Video-Schiedsrichter ist während der EURO 2024 nicht in Köln wie bei Bundesliga-Spielen, sondern in Leipzig. (IMAGO / Picture Point LE / IMAGO / Sven Sonntag)
    Bei der letzten Fußball-Weltmeisterschaft der Männer hatte unter anderem die One Love-Kapitänsbinde für Diskussionen zwischen den nationalen Verbänden und dem Weltverband FIFA gesorgt. Diesem Diskurs geht der europäische Fußballverband UEFA bei der anstehenden EM in Deutschland direkt aus dem Weg: Die UEFA stellt für alle Teams die gleichen Kapitänsbinden mit dem Wort „RESPECT“. Ein paar andere Regeländerungen der UEFA für die EURO könnten aber durchaus zu Diskussionen führen.
    Diskussionen nur noch zwischen Kapitän und Schiedsrichter
    VAR: weniger Mitsprache, aber mehr Transparenz
    Bessere Abseitserkennung mit Chip im Ball
    Wie lange wird die Nachspielzeit?
    Modus bekannt, aber kompliziert

    Diskussionen nur noch zwischen Kapitän und Schiedsrichter

    Die markanteste Regeländerung bei der EURO 2024 betrifft die Rudelbildung um die Schiedsrichter bei strittigen Entscheidungen. Bei der EM sollen nur noch die Kapitäne der Mannschaften mit dem Schiedsrichter diskutieren dürfen, so die neue Regel der UEFA. Hintergedanke ist, dass es für die Unparteiischen schwierig sei, Entscheidungen zu treffen, wenn von beiden Seiten bis zu elf Spieler auf einen einreden.
    Der deutsche EM-Schiedsrichter Daniel Siebert begrüßt die neue Regelung. Damit werde auch die Botschaft ausgesendet, dass die Unparteiischen offen für den Dialog seien, so Siebert im Rahmen eines Workshops für die EM-Schiedsrichter.
    Wer sich als Spieler nicht an die neue Regel hält, dem droht eine Gelbe Karte. Wie konsequent bei einer Rudelbildung wirklich auch jedem Spieler eine gelbe Karte gezeigt wird, muss die Praxis zeigen. Für einen Fall hat die UEFA aber schon vorgesorgt: Sollte der Torwart die Kapitänsbinde tragen, muss ein Feldspieler als Ansprechpartner für die Schiedsrichter bestimmt werden.
    Die UEFA orientiert sich bei der neuen Vorgabe an anderen Sportarten: Im Eishockey beispielsweise gibt es ebenfalls nur bilaterale Gespräche zwischen Schiedsrichter und Mannschaftskapitän. Im Fußball ist es aber ein Novum. Die International Football Association Board (IFAB), zuständig für die Regeländerungen im Fußball, wollte die Maßnahme erst in der kommenden Saison für ein Jahr testen.
    Generell sollen die Unparteiischen vor allem bei schweren Fouls strenger durchgreifen. Bundestrainer Julian Nagelsmann hat dabei Bedenken: Wenn viele Gelbe Karten verteilt werden, drohen den Spielern nach zwei und vier Gelben Karten für die nächste Begegnung eine Sperre.

    VAR: weniger Mitsprache, aber mehr Transparenz

    Zurückhaltung soll es nicht nur von Seiten der Spieler auf dem Platz geben, sondern auch der Video-Assistent soll laut UEFA eher in den Hintergrund treten. Man wolle, dass die Entscheidungen auf dem Platz getroffen werden, erklärt dazu UEFA-Schiedsrichterchef Roberto Rosetti. Dennoch sei der Video-Schiedsrichter nicht mehr wegzudenken. Man brauche ihn, um einen Beweis für einen klaren, offensichtlichen Fehler oder eine Fehlentscheidung zu haben.
    Laut dem UEFA-Reglement ist auch möglich, die Stadionbildschirme von Seiten der UEFA zu nutzen, um nach einer Videoüberprüfung relevante Grafiken oder Wiederholungen zu zeigen, die die Entscheidung des Schiedsrichters nachvollziehbar machen. Die Entscheidungsgewalt liegt dabei ausschließlich bei der UEFA.
    Rosetti betont aber kurz vor Start der EM auf einer Pressekonferenz, dass die Entscheidungen des VAR für die Zuschauer transparent und nachvollziehbar sein sollen und es dafür auch detaillierte Beschreibungen über die Video-Leinwände brauche. Deshalb soll über Texte auf den Leinwänden den Fans die Entscheidung genauer erklärt werden. Von Stadiondurchsagen wie bei der WM der Frauen will man absehen. Der VAR-Einsatz bei der EM in Deutschland ist erst der zweite VAR-Einsatz bei einer Europameisterschaft.

    Bessere Abseitserkennung mit Chip im Ball

    Für weniger Fehlentscheidungen soll auch eine Neuerung bei der Abseits-Regelung sorgen: Zum ersten Mal soll die halb-automatische Abseitserkennung bei einer EM eingesetzt werden. Mit einem Chip im Ball und zehn Spezialkameras sollen die Spieler und der Ball genauer verfolgt werden, um zuverlässiger und schneller eine Abseitsposition zu erkennen. Die Bewertung der Situation obliegt aber weiterhin dem Schiedsrichter. Die Technik kam zuletzt schon in der Champions League zum Einsatz.

    Wie lang wird die Nachspielzeit?

    Bei den letzten beiden Weltmeisterschaften war nach 90 regulären Spielminuten oft noch nicht Schluss: Sowohl bei der Frauen-Weltmeisterschaft 2023 in Australien und Neuseeland als auch bei der WM der Männer in Katar 2022 sollten lange Nachspielzeiten verlorene Spielminuten durch Unterbrechungen ausgleichen. Zum Teil kam es dann zu Nachspielzeiten im zweistelligen Minuten-Bereich.
    Solche Bilder wird es bei der EURO 2024 kaum geben. Denn beim Thema Nachspielzeit sind sich die Fußballverbände UEFA und FIFA uneinig.
    Die UEFA hatte die langen Nachspielzeiten im Rahmen der FIFA-Turniere kritisiert und vor allem mit Blick auf das Wohlergehen der Spieler als „absurd“ erklärt. UEFA-Schiedsrichterchef Roberto Rosetti plädierte daher dafür, Unterbrechungen möglichst kurz zu halten anstatt lange Nachspielzeiten aufzusummieren.
    Zwar empfiehlt die FIFA, sich an den letzten Weltmeisterschaften mit den langen Nachspielzeiten zu orientieren, wie am Ende aber mit Spielverzögerungen umgegangen wird, entscheiden die Fußballverbände und Turnierausrichter selbst, also bei der EM in Deutschland die UEFA.

    Modus bekannt, aber kompliziert

    Insgesamt treten wieder 24 Nationen in sechs Gruppen an. Die erst- und zweitplatzierten Teams in der jeweiligen Gruppe qualifizieren sich direkt für das Achtelfinale. Da daraus rechnerisch aber noch kein Achtelfinale mit 16 Mannschaften entsteht, kommen auch vier der Gruppendritten ins Achtelfinale.
    Das führt dazu, dass die Drittplatzierten trotz sportlich schlechter Leistungen die Chance haben, in die K.o.-Runde einzuziehen. Darauf müssen sie aber auch bis zum Ende der Gruppenphase warten. Wer früh sein letztes Gruppenspiel hat, ist dadurch im Nachteil: Denn es ist noch nicht abschätzbar, welches Ergebnis notwendig ist, um zu den besten Gruppendritten zu zählen. Die letzten Spiele laden hingegen dazu ein, Absprachen zu treffen oder sich zu schonen.
    Obwohl der Modus kritisiert wird, hat ihn die UEFA für diese EM noch nicht ändern oder reformieren wollen.