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Start des Euro-Bargelds vor 20 Jahren
Als das Aus für Mark und Pfennig kam

Mit Euro-Scheinen und -Münzen kann mittlerweile in 19 europäischen Ländern gezahlt werden. Und 340 Millionen Menschen tun das auch - ganz selbstverständlich. Dabei war anfangs die Aufregung groß, als der Euro am 1. Januar 2002 in Deutschland die D-Mark ablöste.

Von Ursula Mayer |
D-Mark und Euro im Vergleich: Neues Geld ab 1.Januar 2002
Der Euro löste in der Bundesrepublik die D-Mark ab (picture-alliance / dpa | Frank Kleefeldt)
"Drei, zwei, eins, der Euro ist da!“ So klang das damals an diesem Neujahrstag 2002, punkt null Uhr. Begrüßt wurde die neue Währung mit Großveranstaltungen in ganz Deutschland. Hunderttausende Menschen feierten fröhlich mit, es herrschte Aufbruchsstimmung: "Ich denke schon, dass Europa etwas näher zusammenrückt als es bisher der Fall war." „Nein, wir sind nicht skeptisch, ich nicht, überhaupt nicht, wir freuen uns.“

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Groß gefeiert wurde auch in Frankfurt, dem Sitz der Währungshüter, der Bundesbank und der Europäischen Zentralbank. Dort steht auch das leuchtende blaue Euro-Zeichen mit den zwölf Sternen. Just in dieser Neujahrsnacht 2002 wurde es zum ersten Mal eingeschaltet. Es begann die größte Währungsumstellung in der Geschichte der Bundesrepublik. In den Nachrichten hieß es: „In Deutschland war es an den meisten Geldautomaten um Punkt Mitternacht möglich, die neuen Euro-Scheine abzuheben. Dies nutzten vor allem Kunden in Großstädten. Wegen der Euro-Einführung öffneten in ganz Deutschland trotz des Feiertages hunderte Banken und Sparkassen.“

Die Nacht der zwei Geldbörsen

In dieser historischen Nacht war Hans-Peter Kratz als Taxifahrer unterwegs. Der 64-Jährige kann sich noch genau erinnern: „Selbstverständlich gab es zwei Geldbörsen, denn es konnte ja weiter in D-Mark gezahlt werden und dann auch in Euro. Da waren die Leute ja sehr begeistert von der neuen Währung und wir als Taxifahrer eigentlich auch, in der ersten Zeit, weil die Menschen hatten noch nicht so richtig das Gefühl für den Euro gehabt und haben die Trinkgelder auf D-Mark-Basis gelassen, was uns natürlich sehr gefreut hat.“
Das Archivfoto zeigt D-Mark-Münzen im Wert zwischen einem Pfennig und fünf DM.
D-Mark-Münzen im Wert zwischen einem Pfennig und fünf DM (AP Archiv)
Weil ein Euro damals 1,95583 D-Mark entsprach, gab es also oft doppelt so viel Trinkgeld. Wechselgeld gab Kratz nur noch in Euro heraus. Selbst die Preise im Taxi wurden punkt null Uhr nur noch in Euro angezeigt. „Die Dauervorträge, ach die D-Mark ist weg, die haben wir uns zwar angehört, aber da wir eine psychotherapeutische Ausbildung im Taxi haben, konnten wir das gut auffangen", sagt Kratz und lacht.
Trotz aller Begeisterung zu Beginn fremdelten in der Tat viele Deutsche mit dem Euro, bestätigt Johannes Beermann, Mitglied im Vorstand der Bundesbank und dort für Bargeld zuständig: „Denn die Deutschen haben ja die D-Mark, die eine harte Währung war, das heißt im Ausland bekam man immer viel für seine D-Mark, die haben sie geliebt. Und die D-Mark hatte einen guten Ruf in der Bevölkerung, nicht nur in Deutschland, sondern weltweit.“

Die Umrechnerei

Der Euro dagegen nicht. Dabei zahlten die Deutschen längst damit, allerdings nur in elektronischer Form. Als dann am 1. Januar 2002 das Euro-Bargeld dazu kam, war es aber mit der D-Mark nicht gleich vorbei. In einer Übergangszeit konnten die Deutschen mit beiden Währungen zahlen, ganze acht Wochen lang. Und das bedeutete wiederum für Händler wie Ludwig Spoden aus Frankfurt: „Es war immer eine Umrechnerei, wenn der Kunde in D-Mark gezahlt hat. Und das wurde dann zur Bank gebracht gegeben am anderen Morgen und dann wurde das gutgeschrieben in Euro.“
So halfen Händler wie er, die D-Mark aus dem Verkehr zu ziehen. Reibungslos klappen musste auch die Logistik dahinter. Für die war damals die Bundesbank zuständig. Stefan Hardt war als früherer Projektleiter daran maßgeblich beteiligt, heute leitet er die Abteilung Bargeld. Er spricht von der größten Währungsumtauschaktion aller Zeiten: „Wir hatten seinerzeit etwa 2,7 Milliarden D-Mark-Banknoten im Umlauf, wir hatten fast 50 Milliarden Stück D-Mark und Pfennigmünzen in Umlauf und das musste ersetzt werden durch Euro-Bargeld, wir hatten dafür vier Milliarden Euro-Banknoten drucken lassen, wir hatten 17 Milliarden Münzen prägen lassen.“
Für dieses gigantisches Projekt hatte die Bundesbank einen Masterplan ausgearbeitet. Bereits Monate vor der Euro-Einführung mussten Unmengen Scheine gedruckt, Münzen geprägt werden. Anschließend verpackten Mitarbeiter das Geld in Säcke und Holzkisten, erzählt Bundesbanker Hardt: „Es war so, dass das Geld in Riesen-Lkw nicht nur innerhalb des Bundesbank-Systems verteilt wurde, sondern auch zu den Geschäftsbanken und von den Geschäftsbanken auch zum Handel gebracht wurde, das war ein logistisches Meisterwerk.“
Nervös waren auch viele Banker, etwa die Mitarbeiter der Frankfurter Sparkasse. Dort hatte man bei der Bundesbank frühzeitig Geld bestellt und wie es dann wirklich angekarrt wurde, daran kann sich Heinz Döscher noch genau erinnern. Er war bei der Bank damals für die ganze Logistik zuständig und ist mittlerweile im Ruhestand: „Bargeldmengen in dieser Größenordnung hatte ich vorher noch nie gesehen. Mit großen Lastwagen, stark bewacht, wurden sie von einer Geldtransportfirma angeliefert. Unser Haupttresor war bis unter die Decke mit Säcken voller Banknoten bestückt.“

Neues Bargeld, altes Bargeld

Das neue Geld ging dann weiter, an die Filialen und füllte die Geldautomaten, die dann vorübergehend gesperrt wurden: „Sie starteten automatisch am 1. Januar 2002 um null Uhr. Bis zum nächsten Morgen war bereits über eine Million Euro abgehoben worden.“Bei der Währungsumstellung kam es auch zu Pannen. Das gab der damalige Bundesbank-Chef Ernst Welteke ganz offen zu: „Bei einer solchen Mammutaufgabe kann nicht alles 100-prozentig funktionieren. Ich habe gehört, hier und da gerade auch in Frankfurt in der Nähe der EZB, seien Geldautomaten nicht gleich angesprungen, und hätten nicht gleich funktioniert, hier und da seien Geldautomaten mit den Scheinen nicht zurechtgekommen.“
Der umstrittene Bundesbankpräsident Ernst Welteke während einer Pressekonferenz anlässlich der Euro-Einführung in Köln, 17. Dez. 2001
Der frühere Bundesbankpräsident Ernst Welteke während einer Pressekonferenz anlässlich der Euro-Einführung im Dezember 2001 (AP)
Aber das wichtigste Ziel, das wurde aus Sicht der Bundesbank damals erreicht, nämlich alle mit ausreichend Euro-Bargeld zu versorgen. Darüber hinaus galt es, auch die D-Mark frühzeitig einzusammeln. Ganz zentral war dafür die sogenannte Schlafmünzenkampagne, mit dem damals wie heute bekannten Moderator Günther Jauch als Zugpferd: „Pst Kinder, ich verrat euch jetzt mal was. Bei euch zuhause liegen Schlafmünzen rum, in Flaschen oder Gläsern, so wie den hier, das sucht ihr und gebt es dem Papa oder der Mama, für euer Sparbuch.“
Überall warb die Bundesbank dafür, alle Münzverstecke zu leeren. Auch über die Banken und den Handel kamen viele weitere D-Markscheine und Münzen herein. Zum Euro-Start gab es deshalb jeden Tag Telefonkonferenzen, erzählt Bundesbanker Stefan Hardt: „Die Erleichterung, die sich da breit gemacht hat, als am achten Tag die Botschaft kam vom Handel, Euro dominiert, D-Mark spielt keine so große Rolle mehr, also das war ein tolles Erlebnis, wo ich jetzt noch Gänsehaut bekomme.“
Denn bis auf wenige, kleine Pannen war der Masterplan aufgegangen. Selbst zwanzig Jahre nach der Währungsumstellung tauchen immer noch D-Mark-Schätze auf. Oft sind es 100- oder gar 1.000-Mark-Scheine. Die stecken mal zwischen Buchseiten, mal unter einer Matratze oder in einer Kiste, heißt es bei der Bundesbank. Und bis heute nimmt die Bundesbank die D-Mark an, so Bundesbank-Vorstand Johannes Beermann: „Es kommen immer noch bei uns DM-Summen an, die dann von uns als deutsche Bundesbank auch heute noch ohne Wenn und Aber umgetauscht werden.“

Der "Teuro"

Allerdings stellt die Bundesbank fest, dass immer noch D-Mark-Münzen und -Scheine im Wert von über 12 Milliarden Euro fehlen. Möglich, dass sie im Ausland herumgeistern oder schlicht verloren gegangen sind. Und der Euro? Der war in den Augen der Deutschen bald ein Teuro. Viele Verbraucher hatten damals nämlich das Gefühl, die Händler würden die Euro-Umstellung nutzen, um durch die Hintertür die Preise gleich mit zu erhöhen.
Ein Mensch streckt der Kamera auf beiden Händen Euroscheine entgegen. Sein Gesicht ist nicht zu sehen.
Für manche Kritiker war die neue Währung zu wenig wert (Unsplash/ Christian Dubovan)
Ulrich Klüh, Wirtschaftswissenschaftler der Hochschule Darmstadt räumt ein: „Rückblickend haben einige Dienstleister, Gaststätten, Kinos, Reinigungen und Frisöre die Euro-Einführung tatsächlich genutzt, um ihre Preise deutlich zu erhöhen. Nahezu jeder kann sich an einen Restaurantbesuch oder Kinobesuch erinnern, wo er erstaunt war, was da passiert. Aber insgesamt und statistisch fallen diese Effekte eben nicht ins Gewicht.“
Manches wurde nach der Währungsumstellung sogar billiger, etwa das Telefonieren, Flugreisen oder Elektroprodukte, heißt es bei der Europäischen Zentralbank. Heute wissen wir, dass der Euro entgegen vieler Befürchtungen stabiler ist als seinerzeit die D-Mark. EZB-Direktorin Doris Schneeberger sagt: „Der Euro hat in den 20 Jahren seit seiner Einführung geringere Inflationsraten gezeigt als die Vorgängerwährungen, sogar die D-Mark hatte höhere Inflationsraten.“
Die lag in Deutschland über die Jahre im Schnitt bei 2,6 Prozent, während der Euro seit seiner Einführung mit 1,4 Prozent weit darunter liegt, so dass die Skepsis vieler Deutschen unbegründet war. Allerdings sind die Preise mit der Corona-Pandemie deutlich nach oben geklettert. Die Inflationsrate hat zuletzt sogar die Fünf-Prozent-Marke überschritten. Das hat jedoch vor allem mit den Folgen der Krise zu tun, meint der Darmstädter Ökonom Ulrich Klüh: „Im Moment haben wir coronabedingt einen erheblichen Inflationsschub, und zwar in den meisten entwickelten Volkswirtschaften. Wir haben Lieferengpässe, wir haben steigende Rohstoffpreise, das macht allen Zentralbanken zu schaffen, nicht nur der EZB.“

Bewährungsproben des Euro

Denn sie müsste die steigenden Preise wieder einfangen. So hat der Euro ausgerechnet zu seinem 20. Geburtstag eine weitere Bewährungsprobe zu bestehen. Die Inflation steigt ausgerechnet jetzt, wo sich die allermeisten Deutschen wie alle Europäer mit der neuen Währung längst angefreundet haben, meint Schneeberger, Direktorin für Banknoten: „Wenn wir heute die Menschen fragen, was halten Sie vom Euro, wie stehen Sie dazu? Dann sehen Sie, dass knapp 80 Prozent sagen, der Euro ist eine gute Sache für die Europäische Union, und ungefähr 70 Prozent sagen auch, er ist eine gute Sache für mein eigenes Land.“
Mit am stärksten von der europäischen Gemeinschaftswährung profitiert hat Deutschland als Exportnation. Und auch den Menschen hierzulande kommt sie zugute, wenn sie bei Reisen in der Eurozone überall mit Euro zahlen können, meint Ökonom Friedrich Heinemann vom Leibniz-Zentrum für europäische Wirtschaftsforschung in Mannheim: „Es ist nicht nur bequem im Alltag, sondern hat auch große Symbolkraft, wir fühlen uns über das gemeinsame Geld ein Stück weit mehr als Europäer.“
Bis dorthin war es allerdings ein langer Weg: „Den Deutschen die D-Mark wegnehmen, völlig unvorstellbar.“ Sagte einst selbst der spätere Gründungsvater des Euro, Ex-Bundesfinanzminister Theo Waigel (CSU). Doch dann setzte er sich für eine gemeinsame europäische Währung ein: „Weil Länder, die eine gemeinsame Währung haben, nie mehr gegeneinander Krieg führen.“ So war der Euro auch ein Friedensprojekt. Um ihn einzuführen, unterzeichneten die europäischen Staats- und Regierungschefs 1992 den Vertrag von Maastricht.
Der CSU-Ehrenvorsitzende Theo Waigel ist im Mai 2017 zu Gast im Presseclub in München.
Der frühere Bundesfinanzminister Theo Waigel (CSU) (picture alliance / Florian Eckl/dpa)
Für Deutschland unterschieb Waigel, er gab dem Euro sogar seinen Namen: „Der Begriff Euro entspricht all dem, was der Währungsausschuss an Kriterien erarbeitet hat, identisch geschrieben, leicht aussprechbar, unter nationalen Gesichtspunkten neutral.“ So begründete Waigel damals seinen Vorschlag und konnte sich 1995 auf einem EU-Gipfel durchsetzen. Politisch gesehen war der Euro also gewollt, aber wirtschaftlich gesehen hatte er einen Geburtsfehler. Denn für eine gemeinsame Währung brauchte es eine gemeinsame Geldpolitik.
Das aber war von Anfang an schwierig, sagt die Gießener Wirtschaftswissenschaftlerin Christina Bannier:„Wir tun uns auch heute noch schwer, mit einer gemeinsamen Geldpolitik die wirtschaftliche Situation in so unterschiedlichen Ländern wie Deutschland und Italien gemeinsam anzugehen und gemeinsam konstruktiv in die Zukunft zu führen.“
Das bringt die EZB als Währungshüterin an ihre Grenzen, stellt den Euro immer wieder zur Diskussion. Der Frankfurter Wirtschaftsweise Volker Wieland: „Das Projekt der gemeinsamen Währung war immer wieder bedroht, und wurde auch schon immer wieder totgesagt, denken wir zurück an die Euro-Schuldenkrise. Damals stand es im Raum, dass Mitgliedsstaaten den Euro-Raum verlassen, dass sie gezwungen sind.“

Um ein Auseinanderbrechen des Euro-Währungsraums zu verhindern, musste der frühere EZB-Präsident Mario Draghi 2012 ein Machtwort sprechen: Draghi sagte, um den Euro zu schützen, werde die EZB im Rahmen ihres Mandates alles tun, was nötig sei. Das nahm den angloamerikanischen Spekulanten den Wind aus den Segeln, die gegen die Gemeinschaftswährung spekuliert hatten.

Damals senkte die Europäische Zentralbank die Zinsen und verteilte Milliardenhilfen. Ein Geldsegen, gerade für die hochverschuldeten, südeuropäischen Mitglieds-Länder, aber, so warnt der Mannheimer Wirtschaftswissenschaftler Heinemann: „Wir haben Länder in der Eurozone, die eigentlich ohne europäische Hilfen überhaupt kaum noch über Wasser bleiben.“

Die Rolle der EZB

Viele erwarten also von der EZB, dass sie die Geldflut nicht versiegen lässt, obwohl die Inflation stetig ansteigt. Und Euro-Scheine und -Münzen, sind die in Zukunft überhaupt noch gefragt? Die Corona-Pandemie hat da einiges in Europa verändert. Das zeigt eine Zahlungsstudie der EZB. 40 Prozent der Befragten gaben an, dass sie seitdem weniger bar und mehr mit Karte zahlen. Kein Wunder, sagt Jürgen Moormann, Professor für Bank- und Prozessmanagement an der Frankfurt School of Finance and Management: „Viele Einzelhändler nehmen inzwischen Karten, natürlich dank Corona, und damit ist die Hürde für viele Verbraucher sehr viel geringer geworden, auch einen kleineren Betrag an der Supermarktkasse mal eben mit Karte zu zahlen.“
Für Bargeld spricht allerdings auch einiges: So haben Verbraucher damit zum Beispiel ihre Ausgaben besser im Blick, meint Bankenexperte Moormann: „Dieser Schmerz, eine Zahlung zu begleichen, ist einfach höher, wenn man physisch Scheine oder Münzen aus dem Portemonnaie nimmt und damit bezahlt, als wenn man die Karte mal eben übers Terminal hält.“
Einige Menschen machen sich auch Sorgen, sie könnten dabei Datenspuren hinterlassen. Auch das ist für sie ein Grund, lieber bar und damit anonym zu zahlen. Blickt man allein auf die Banknoten, sind davon in den letzten Jahren immer mehr in Umlauf gekommen. Insgesamt sind es mittlerweile Scheine im Wert von knapp 900 Milliarden Euro. Gefragt sind sie also, nur so richtig schön findet Moormann sie nicht: „Wenn ich unsere EU-Scheine vergleiche mit Scheinen in der Schweiz oder Australien, dann sehen die designmäßig ein bisschen altbacken aus. Die sind sehr konservativ meines Erachtens, was natürlich damit zusammenhängen kann, dass sich alle beteiligten Länder, deren Interessenvertreter einigen müssen auf das Design.“
Ergebnis: Brücken, Tore und Fenster in den Stilen unterschiedlicher Epochen.
Alles frei erfunden. Mit diesem Design ist auch Reinhold Gerstetter nicht ganz glücklich, dabei hat er die Euro-Scheine selbst gestaltet, allerdings nach strengen Vorgaben: „Man hat sich dann darauf geeinigt, dass man gesagt hat, man nimmt die unterschiedlichen zeitlichen Stile, dass die alle zum Tragen kommen. Aber die Gebäude beziehungsweise auch Porträts wurden gehandelt, die sollten niemand darstellen, sondern freie Figuren sein. Nur ist das dem normalen Bürger schwer zu vermitteln, das was du da siehst, gibt es eigentlich nicht.“
Auf den ersten Euro-Scheinen war schließlich nur abstrakte Architektur zu sehen. Das genügte dem Banknotendesigner Gerstetter nicht. Als er das Design der Scheine überarbeiten durfte, sollte zusätzlich noch eine Frau drauf, nämlich die „Europa“: „Weil ich bei meinen Entwürfen, auch bei der zweiten Serie, von Anfang darauf bestanden habe, dass die Europa in jedem Fall als ganz wichtiges Symbol für unseren Kontinent eine Aussagekraft hat, die sehr verbindend ist, durch die Mythologie, die griechische.“ So wurde die „Europa“ zum neuen Gesicht des Euro. Auf den Scheinen ist sie als Wasserzeichen und im Hologramm-Fenster zu sehen. Solche Sicherheitsmerkmale wurden in den letzten Jahren immer mehr verfeinert.
So haben Fälscher kaum eine Chance, sagt Bundesbank-Vorstand Johannes Beermann: „Wenn man einfach sich die neuen Scheine anschaut, das Diamant-Diagramm links unten oder das Fenster der Europa, das Hologramm, das sind Merkmale, die sich relativ schnell einprägen und wo man relativ schnell, wenn man die Banknote kippt und sich anschaut, erkennen kann, ob sie echt ist oder nicht. Also noch nie waren die Sicherheitsmerkmale so gut wie in der aktuellen Europa-Serie.“
Gemeint ist die zweite Generation Banknoten. Das Problem sind eher die Kunden, die mit den Scheinen im Alltag umgehen, sagt Martin Münd, Falschgeldexperte der EZB. Er gibt ein Beispiel: „Sie gehen in einen Laden und kaufen Tomaten. Anschließend zahlen Sie und bekommen als Wechselgeld einen 20 Euro-Schein, der ist so viel wert wie 100 Tomaten, aber er erfährt nicht einen Bruchteil der Aufmerksamkeit, die jede einzelne Tomate erfahren hat.“

Zahl der Fälschungen geht zurück

Und weil Verbraucher eben nicht so genau hinsehen, geben sich die Fälscher auch immer weniger Mühe. Ihre Fälschungen werden immer plumper. Oft steht sogar „Movie Money“ vorne drauf, erklärt Münd: „Das heißt, das ist eigentlich Theatergeld, Filmgeld. Hier ist nicht ein einziges Sicherheitsmerkmal nachgeahmt, es ist ganz einfaches Papier auch.“
Die Zahl dieser Fälschungen geht kontinuierlich zurück. 2020 hat die Bundesbank nur noch knapp 60.000 falsche Banknoten registriert. Von 2.000 Menschen dürfte hierzulande also höchstens einer jemals mit einer solchen falschen Banknote in Berührung kommen. Damit haben sich die Euro-Scheine nach Meinung der EZB als fälschungssicher erwiesen.
Trotzdem sei es höchste Zeit für eine Verjüngungskur, sagt Doris Schneeberger, Direktorin Banknoten bei der Zentralbank: „Zu schauen, welche Werte haben die Europäer, was ist ihnen wichtig, mit was identifizieren sie sich und wie können wir die Banknoten emotional noch ansprechender gestalten.“ Ob diesmal echte Bauwerke oder Persönlichkeiten draufkommen, lässt die EZB völlig offen. Parallel dazu tüftelt die Zentralbank sogar an einem digitalen Euro, wobei Schneeberger betont: „Er soll das Bargeld nicht ersetzen, er soll es ergänzen.“
Und es fit machen für eine Zeit, in der die Menschen immer weniger vor Ort in den Geschäften und immer mehr online einkaufen. Zwanzig Jahre nach Einführung des Euro stehen also wieder große Veränderungen an: ein neues Design der Scheine und ein digitaler Euro. Die zweitwichtigste Währung der Welt ist erwachsen geworden, hat sich als stabil und fälschungssicher erwiesen. Sie wird aber weiter für Diskussionen sorgen, weil einfach viele Länder in Europa ganz unterschiedliche Interessen haben. Sie alle eint der Euro. Es ist eine Erfolgsgeschichte mit Schattenseiten.