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"Euro-Bond nicht vom Tisch"

Laut Christoph Schalast von der Frankfurt School of Finance and Management könnten Euro-Bonds langfristig die Lösung der Schuldenkrise bedeuten - allerdings nur, wenn die Anleihen an die Maastrichtkriterien gekoppelt seien.

Christoph Schalast im Gespräch mit Gerd Breker |
    Gerd Breker: Bislang hieß es immer, die Politik liefe hinter den Finanzmärkten hinterher, hat sich das nun seit gestern grundlegend geändert?

    Christoph Schalast: Ich glaube nicht. Ich glaube, diese Maßnahmen sind ein richtiger Schritt in die richtige Richtung, aber sind noch keine Maßnahmen, die letztendlich endgültig den richtigen Weg weisen. Wir haben den Begriff der europäischen Wirtschaftsregierung, den haben wir oft genug gehört, nur eine Wirtschaftsregierung entsteht nicht dadurch, dass sich zweimal im Jahr die jeweiligen Regierungen treffen, die Staats- und Regierungschefs sich beraten, das ist keine Wirtschaftsregierung. Und sie entsteht auch nicht dadurch, dass man der EU-Kommission seine Haushaltspläne modifiziert ihr vorlegt, ohne dass diese ein Genehmigungsrecht hätte. Das heißt, das sind erste Schritte in die richtige Richtung, aber es reicht noch nicht aus. Die Währungsunion hatte immer zum Ziel, dass auch darauf dann eine echte Wirtschaftsunion folgen sollte, eine Integration der Wirtschaftspolitik der Mitgliedsstaaten und nicht nur eine Koordination, die im Augenblick angestrebt wird.

    Breker: Die Finanzmärkte hatten bislang immer ein klares und unmissverständliches Signal von der Politik verlangt, kann man die Ergebnisse des gestrigen Treffens als solches bezeichnen?

    Schalast: Nein. Das, glaube ich, ist kein solches klares Signal, aber auf der anderen Seite sollte man sich auch von den Märkten nicht treiben lassen. In den Märkten sehen wir im Augenblick sehr, sehr viel Irrationalität, es wird auch übersehen, dass sich in vielen Ländern – nehmen wir mal nur Italien – Unglaubliches getan hat in den letzten Wochen. Da wurden Sparprogramme in den Weg geleitet, die man so dort vor einem Jahr kaum hätte vorstellen können. Was die Politik geschafft hat, ist, sie hat Zeit gewonnen, sie hat die Weichen richtiggestellt, und jetzt müssen sich die 17 EU-Staaten abstimmen. Merkel und Sarkozy können nicht für alle Staaten sprechen, sie müssen auch die kleinen ins Boot holen. Sie müssen die Beschlüsse dort umsetzen, sie müssen auch mehr Elemente einer echten Wirtschaftsregierung etablieren – da gibt es noch, glaube ich, einiges zu tun –, und dann werden auch die Spekulationen gegen den Euro zurückgehen. Und aus meiner Sicht ist der Euro-Bond nicht vom Tisch, der Euro-Bond, der macht Sinn, und wenn man jetzt eine Menge von Hausaufgaben macht, wenn die Staaten sich verpflichten, ihre Verfassungen zu ändern, dann kann am Ende in drei, vier Monaten der Euro-Bond stehen. Und der wäre eine langfristige Lösung – allerdings nicht, wenn er eine Vergemeinschaftung der Schulden bedeutet.

    Breker: Im Moment ist es ja so, wir haben es eben gehört, dass die Schuldenstaaten Italien, Portugal, Spanien und Griechenland noch einigermaßen günstig an Geld kommen. Das liegt nicht zuletzt daran, dass die EZB Staatsanleihen aufkauft, bis zur Lösung durch Euro-Bonds etwa. Muss die EZB das tun, also eigentlich gegen ihre Natur agieren?

    Schalast: Na ja, die EZB agiert ja schon seit einiger Zeit so und sie beruhigt damit den Markt. Sie schafft der Politik die Zeit, die sie braucht, und die Politik muss jetzt diese Zeit nutzen. Ich glaube, das haben wir ähnlich auch gesehen im Jahr 2008. Es ist eben auch leichter, dass sich die Bundesregierung hinstellt wie 2008, ein Finanzmarktstabilisierungsgesetz beschließt und eben die Spareinlagen garantiert. Das geht in einem Staat leichter, wenn man sich mit 17 oder 27 Staaten koordinieren muss, dann ist das einfach komplexer. Und das ist eben die Herausforderung der Politik, aber da sind jetzt die richtigen Weichen aus meiner Sicht ganz klargestellt worden. Man muss jetzt nur diesen Weg weitergehen, und beim nächsten Gipfel brauchen wir eine endgültige Lösung. Das kann eine aktive Geldmarktpolitik der EZB auf Dauer sein, das kann aber auch – und aus meiner Sicht sollte es sein – ein Euro-Bond mit marktwirtschaftlicher Ausgestaltung sein.

    Breker: Ein Euro-Bond sozusagen als Rettungsring, der immer noch in der Hinterhand ist?

    Schalast: Ein Euro-Bond, der aber auch an klare Bedingungen geknüpft ist. Ein Euro-Bond, der eine Refinanzierung bis maximal 60 Prozent des Bruttoinlandsprodukts der Staaten ermöglicht, ein Euro-Bond, der klar an die Maastrichtkriterien gekoppelt ist, der auch dazu führen würde, dass Staaten, die mehr Schulden machen wollen, sich auf dem Kapitalmarkt refinanzieren müssten. Die würden dann sehr hohe Aufschläge auf diese Zinsen bekommen, auf diese Staatsanleihen bekommen. Und ich glaube, wenn man einen Euro-Bond so marktwirtschaftlich ausgestaltet, dann würde er auch bedeuten, dass diejenigen, die in den Garantien stehen – das sind eben vor allem Frankreich und Deutschland – auch mitbestimmen können, weil das ist ein ganz alter Grundsatz: Wer zahlt, der bestimmt auch mit.

    Breker: Wie schätzen Sie, Herr Schallast, die Finanztransaktionssteuer ein, kann das Spekulanten abhalten, weil sie nun beteiligt sind?

    Schalast: Na ja, also die Transaktionssteuer ist natürlich zunächst einmal ein regulatorischer Eingriff. Diese Diskussion hat begonnen, weil wir eben in den letzten Wochen eine unglaubliche Menge an Transaktionen gesehen haben, auch Transaktionen wie Leerverkäufe und Ähnliches, die den Markt destabilisiert haben, und da kommt man auf diese Idee wieder. Ich persönlich aber bin auch sicher, dass die Märkte dann Umgehungsstrategien fahren – wir haben ja auch asiatische Börsen, es gibt andere Möglichkeiten. Wenn man sie einführt, muss man sicherstellen, dass ganz Europa mitzieht, also auch London hier mit dabei ist, und dass man eben die Umgehungsmöglichkeiten einschränkt. Letztendlich hilft aber Regulierung meist nicht, weil Regulierung wird dann von den Marktteilnehmern meist umgangen.

    Breker: Noch ein kurzes letztes Wort zum Schluss, Herr Schallast: Sind die Ratingagenturen von dem, was da gestern beschlossen wurde, von Merkel und Sarkozy, beeindruckt?

    Schalast: Na ja, die Ratingagenturen müssen natürlich die gesamtwirtschaftliche Auswirkung dieser Beschlüsse bewerten, und das ist im Augenblick wenig Konkretes. Aber wenn diese Ansätze weiter verfolgt werden und wenn die Zeit, die jetzt gewonnen wurde, genutzt wurde, dann müssen es auch die Ratingagenturen letztendlich berücksichtigen. Ich glaube, ein weiterer richtiger Schritt wäre es aber auch, dass wir endlich eine zertifikationsfähige europäische Ratingagentur gründen. Dafür gibt es eine ganze Menge von Konzepten, die in der Schublade liegen, leider hat die noch keiner rausgeholt. Ich glaube, das wäre sehr hilfreich.

    Breker: Vielen Dank! Das war von der Frankfurt School of Finance and Management Christoph Schallast im Deutschlandfunk. Herr Schalast, danke!

    Schalast: Sehr gerne!

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