EURO-Turnierdirektor
Philipp Lahm: "Wir müssen unsere Werte verteidigen"

Mit dem Spiel zwischen der DFB-Elf und Schottland startet die Fußball-Europameisterschaft in Deutschland. In gesellschaftlich unruhigen Zeiten sei das Turnier auch eine Bühne, um demokratische Werte zu zeigen, sagte Turnierdirektor Philipp Lahm.

Philipp Lahm im Gespräch mit Thielko Grieß | 14.06.2024
Porträt von EM-Turnierdirektor Philipp Lahm.
Turnierdirektor Philipp Lahm betont die Bedeutung eines erfolgreichen Eröffnungsspiels der DFB-Elf bei der Heim-EM, um Begeisterung und Zusammenhalt im Land zu fördern. (imago / Michael Bihlmayer)
Die deutsche Fußball-Nationalmannschaft eröffnet am 14. Juni mit dem Spiel gegen Schottland in München die Fußball-Europameisterschaft. Für die Stimmung im Land sei ein Erfolg im Eröffnungsspiel enorm wichtig, sagte EM-Turnierdirektor Philipp Lahm: "Bei den letzten drei Turnieren hat die deutsche Mannschaft das Auftaktspiel immer verloren und ist dann auch nicht weit gekommen. Und gerade bei einer Heim-EM ist so ein Auftakt noch viel bedeutender, weil es ebenso eine Begeisterung und Euphorie entfachen kann."
Nach dem "Sommermärchen" rund um die Weltmeisterschaft 2006 in Deutschland herrsche Sehnsucht danach, so etwas noch einmal zu erleben, sagte Lahm. "Also dass sich die Menschen fröhlich zeigen, einfach eine gute Zeit miteinander verbringen. Das wünschen wir uns doch in den nächsten vier Wochen." Jeder wisse noch genau, wo er 2006 war.

Lahm: "Wir alle sind Gastgeber"

Die Grundvoraussetzungen dazu habe man etwa durch eine Nachhaltigkeitsstrategie oder auch die Fan Zones in den Austragungsstätten geschaffen. "Da sollen Begegnungen stattfinden, nicht nur im Stadion, sondern auch außen herum. Und dafür haben wir eigentlich alles getan", sagte Lahm und appellierte auch an die Bürgerinnen und Bürger: "Alle gemeinsam sind wir Gastgeber", sagte er.
Dennoch dürfe man die aktuelle Situation auf der Welt nicht ausblenden, so der 40-Jährige: "Wir haben viele Herausforderungen, wir haben Kriege in Europa und weltweit. Aber auch dann darf man zusammenkommen und gemeinsam feiern."
Die vergangene Europawahl und auch verschiedene Kommunalwahlen in Deutschland haben jedoch gezeigt, dass es auch Strömungen im Land gibt, die dieses Zusammenkommen nicht unterstützen. Stattdessen haben rechte Parteien Zuwachs erfahren.

Lahm will "Fußball für unsere Werte benutzen"

Sorgen mache sich Lahm deswegen aber nicht: "Wir müssen unsere Werte verteidigen gegenüber denjenigen, die das anders sehen. Und wir sind, das zeigen die Wahlen dann auch, in der Mehrheit, die die tolerant leben wollen, die die vielfältig leben wollen, die Demokratie leben wollen." Trotzdem müssten man weiter daran arbeiten, wie schon die Generationen davor. "Man kann den Fußball im positiven Sinne für unsere Werte benutzen. Und das versuchen wir, zu tun." Die EM mit ihren rund sechs Milliarden Zuschauern sei nun eine Möglichkeit, "unsere demokratischen Werte offen zu zeigen", sagte Lahm.
Der Fußball könne hier "Brücken bauen", sagte Lahm. Ob der Fußball dabei alleine die Gesellschaft vereinen kann, vermochte Lahm nicht zu sagen. "Aber was wäre, wenn wir keine Fußballspiele hätten? Was wäre, wenn wir keine Fußballspiele auf Amateurplätzen hätten, wo Werte vermittelt werden? Kinder brauchen auch Vorbilder." Fußball-Großveranstaltungen und Fußball-Vereine seien sehr wichtig. "Und es würde etwas wegbrechen, wenn wir nicht mehr die Möglichkeit hätten, diese Turniere auszurichten."

"Fußball ist nur ein Mosaikstein"

Dabei dürfe man den Blick aber nicht nur auf die Highlights wie die Großereignisse richten, sondern auch auf den Breitensport, sagte der ehemalige Kapitän des FC Bayern München. "Insgesamt bietet der Fußball sehr, sehr viele Möglichkeiten, bestimmte Themen zu diskutieren. Aber der Fußball ist nur ein Mosaikstein in dem Ganzen. Der Fußball ist kein Allheilmittel. Er kann aber seinen Teil dazu beitragen, dass die Gesellschaft wieder etwas näher zusammenrückt."
Dazu müssten auch die Nationalspieler ihren Teil beitragen, so Lahm, der das DFB-Elf als Kapitän 2014 zum WM-Titel führte: "Die Nationalspieler müssen verstehen, dass sie Nähe zeigen müssen, dass der Fußball allen gehört und dass sich jeder mit der Nationalmannschaft identifiziert. Und so ist es dann ein Miteinander. Aber das muss jeder natürlich immer reflektieren."
Für die Zeit nach dem Turnier wünsche sich Lahm, "dass wir alle wieder ein bisschen positiver sind und mit ein bisschen mehr Mut und Vorfreude auf Dinge zugehen. Und so etwas kann ein Turnier eben schaffen, weil wir alle zusammenkommen und gemeinsam feiern. Und dann eben eine schöne Zeit auch einfach mal genießen."