Spengler: Am Telefon ist jetzt Professor Thomas Straubhaar, Wirtschaftswissenschaftler und Präsident des Hamburgischen Weltwirtschaftsarchivs. Einen schönen guten Morgen, Herr Straubhaar.
Straubhaar: Guten Morgen, Herr Spengler.
Spengler: Herr Straubhaar, gestern war also der Tag der Dementis in Berlin und Frankfurt am Main. Bundesfinanzminister und Bundesbank halten den Euro für eine Erfolgsgeschichte. Sie auch?
Straubhaar: Ja, dem stimme ich zu. Auch ich denke, dass der Euro alles in allem eine Erfolgsgeschichte ist, weil es ja letztlich Ziel der Geldpolitik und damit Ziel des Euro ist, eine harte Währung zu haben, wenig Inflation zuzulassen, damit die Menschen in Europa und auch in Deutschland Planungssicherheit haben, und dieses Ziel hat der Euro vollumfänglich erfüllt.
Spengler: Die Währungsschwankungen, die wir derzeit erleben, sind die normal?
Straubhaar: Absolut. Und das kam ja eben auch im Bericht vollständig richtig zur Erkenntnis, dass eben der Dollar-Euro-Kurs eine schwankende Geschichte ist und schon lange war. Das war bei der D-Mark übrigens keinesfalls anders, dass hier massiv auf- und abgewertet worden ist. Und von daher gesehen ist das, was wir die letzten Wochen ja schon erlebt haben, nichts anderes, als ein ganz regulärer und normaler Prozess. Bei flexiblen Wechselkursen gibt es Auf- und Abwertungen. Das ist manchmal etwas lästig, wenn man exportiert oder importiert, aber alles in allem gehört das eben zu einer offenen Wirtschaft.
Spengler: Bis wohin könnte der Kurs denn noch fallen?
Straubhaar: Ja, wir haben ja eben gehört, er war schon mal bei 82 amerikanischen Cent für einen Euro, im Oktober 2000, und war letzten Herbst weit über 1,30. Von daher gesehen ist das Band vergleichsweise breit und was wir jetzt erleben, ist eine dann vergleichsweise doch bescheidende Anpassung.
Spengler: Die politische Krise, in der die EU zur Zeit steckt nach dem Nein der Franzosen und jetzt auch dem Nein der Holländer, hat die auch etwas mit den Euro-Kurs zu tun?
Straubhaar: Das kann sein, es kann einen Prozess, der eh schon am Rollen ist, verstärken. Wir dürfen ja nicht vergessen, dass eben diese Korrektur, diese Abschwächung des Euro gegenüber dem Dollar sich eigentlich bereits seit Anfang des Jahres in der Tendenz abgespielt hat. Es mag auch sein, dass viele schon erwartet haben, was jetzt in Frankreich und Niederlande geschehen ist. Aber alles in allem, denke ich, ist erstens klarzumachen, dass es Erwartungen sind, die die Wechselkurse bestimmen, Erwartungen in Wachstum, Erwartungen in Rendite und dass eben hier die Erwartungen in den letzten Wochen korrigiert worden sind, und wir es weltweit eher den Amerikanern zutrauen, schnell zu wachsen, höhere Renditen zu erzielen, als den Europäern. Und zweitens, und das scheint mir in der Diskussion unterzugehen, darf man von Geldpolitik überhaupt gar nicht erst erwarten, dass sie es schafft, Wachstumsprozesse auszulösen. Geldpolitik ist da, um Konjunktur zu steuern, aber nicht um Wachstum auszulösen.
Spengler: Also, das stimmt dann auch nicht, was da gestern gemeldet wurde, dass der Euro in Deutschland als Wachstumsbremse wirkt?
Straubhaar: Das kann schon in einem gewissen Maße den einen oder anderen makroökonomischen, realwirtschaftlichen Prozess beeinflussen, beispielsweise kann in der Tat Deutschland gegenüber seinen anderen europäischen Euro-Partnern jetzt nicht mehr strukturelle Probleme oder konjunkturelle Schwächephasen durch Abwertung abwälzen. Das ist ein Ventil, das wir mit dem Euro gegenüber den europäischen Partnerländern verschlossen haben. Von daher gesehen sind alle anderen Ventile, alle anderen Kanäle um so stärker gefordert, Anpassungsprozesse abzufedern. Und da hat eben Deutschland ein Problem, dass wir beim Arbeitsmarkt, dass wir bei anderen strukturellen Fragen nicht mit der notwendigen Flexibilität auf Veränderungen reagieren können.
Spengler: Stimmt es denn, dass Deutschland mit dem Euro einen Realzinsvorteil verloren haben soll, was auch eben im Bericht gesagt wurde, und was heißt das eigentlich genau?
Straubhaar: Natürlich hat das in dem Sinne etwas an sich: Früher war in Deutschland das Zinsniveau, also jene Kosten, die die Einzelnen zu tragen hatten, wenn sie sich verschulden wollten, tiefer, als beispielsweise in Italien oder in Ländern, in den hohe Inflationserwartungen dazu geführt haben, dass die Menschen insgesamt eine Risikozuschlag bei der Verschuldung haben bezahlen müssen. Das haben die anderen Länder mit den Euro so jetzt nicht mehr zu tragen, von daher ist es doch ein Glück für Europa insgesamt, dass eben gerade die südlichen Länder - diejenigen Länder, die vorher diese Risikoprämie zu zahlen hatten - aufgeholt haben, Stabilität gewonnen haben, von daher attraktiver geworden sind, auch für Investitionen, auch in der Lage sind, deutsche Produkte stärker nachzufragen, weil sie schneller wachsen. Von daher gesehen, hängt so vieles zusammen, dass wir jetzt nicht isoliert sagen können, nur weil die anderen Länder aufgeholt haben, ist Deutschland schlechter geworden. Darüber sollten wir uns freuen und sehen, dass Deutschland sehr, sehr in starken Maße von dieser hinzugewonnenen Stabilität in den anderen Euro-Ländern profitiert.
Spengler: 90 Prozent der Deutschen beklagen dauerhafte Preissteigung, die es durch den Euro gegeben hat. 56 Prozent wollen auch heute noch die D-Mark zurück. Wäre das sinnvoll?
Straubhaar: Also das ist eine Diskussion, da stimme ich dem Bundesbankpräsidenten vollumfänglich zu, die ich für absurd halte. Ich denke, die Kosten, die damit verbunden wären, wenn Deutschland schon nur im entferntesten darüber zu sprechen beginnt und es dann tatsächlich umsetzen sollte, aus dieser Euro-Zone rauszutreten, sozusagen wieder die alte D-Mark hervorzuholen, das würde makroökonomische, realwirtschaftliche Kosten in einem Maße bereiten, dass es mir gar nicht irgendwie jetzt darum geht, das überhaupt vorstellen zu wollen. Das ist für mich unvorstellbar. Dass die Deutschen an der D-Mark festhalten möchten, das hat natürlich viel mit Psychologie zu tun, das kann ich auch gut nachvollziehen. Die D-Mark war eine Erfolgsgeschichte, sie hat viel Identität in Deutschland sichergestellt. Sie war etwas, was für die Nachkriegsgeneration ungemein gesellschaftlich das Zusammengehörigkeitsgefühl verstärkt hat. Das kann man gut nachvollziehen. Aber ich denke, wir müssen realistisch bleiben. Der Euro erfüllt das Ziel der Preisniveaustabilität, dass die Preise insgesamt vergleichsweise kaum gestiegen sind - einzelne Preise ja aber nicht das Preisniveau insgesamt.
Spengler: Ich danke Ihnen. Das war Professor Thomas Straubhaar, der Präsident des Hamburgischen Weltwirtschaftsarchivs.
Straubhaar: Guten Morgen, Herr Spengler.
Spengler: Herr Straubhaar, gestern war also der Tag der Dementis in Berlin und Frankfurt am Main. Bundesfinanzminister und Bundesbank halten den Euro für eine Erfolgsgeschichte. Sie auch?
Straubhaar: Ja, dem stimme ich zu. Auch ich denke, dass der Euro alles in allem eine Erfolgsgeschichte ist, weil es ja letztlich Ziel der Geldpolitik und damit Ziel des Euro ist, eine harte Währung zu haben, wenig Inflation zuzulassen, damit die Menschen in Europa und auch in Deutschland Planungssicherheit haben, und dieses Ziel hat der Euro vollumfänglich erfüllt.
Spengler: Die Währungsschwankungen, die wir derzeit erleben, sind die normal?
Straubhaar: Absolut. Und das kam ja eben auch im Bericht vollständig richtig zur Erkenntnis, dass eben der Dollar-Euro-Kurs eine schwankende Geschichte ist und schon lange war. Das war bei der D-Mark übrigens keinesfalls anders, dass hier massiv auf- und abgewertet worden ist. Und von daher gesehen ist das, was wir die letzten Wochen ja schon erlebt haben, nichts anderes, als ein ganz regulärer und normaler Prozess. Bei flexiblen Wechselkursen gibt es Auf- und Abwertungen. Das ist manchmal etwas lästig, wenn man exportiert oder importiert, aber alles in allem gehört das eben zu einer offenen Wirtschaft.
Spengler: Bis wohin könnte der Kurs denn noch fallen?
Straubhaar: Ja, wir haben ja eben gehört, er war schon mal bei 82 amerikanischen Cent für einen Euro, im Oktober 2000, und war letzten Herbst weit über 1,30. Von daher gesehen ist das Band vergleichsweise breit und was wir jetzt erleben, ist eine dann vergleichsweise doch bescheidende Anpassung.
Spengler: Die politische Krise, in der die EU zur Zeit steckt nach dem Nein der Franzosen und jetzt auch dem Nein der Holländer, hat die auch etwas mit den Euro-Kurs zu tun?
Straubhaar: Das kann sein, es kann einen Prozess, der eh schon am Rollen ist, verstärken. Wir dürfen ja nicht vergessen, dass eben diese Korrektur, diese Abschwächung des Euro gegenüber dem Dollar sich eigentlich bereits seit Anfang des Jahres in der Tendenz abgespielt hat. Es mag auch sein, dass viele schon erwartet haben, was jetzt in Frankreich und Niederlande geschehen ist. Aber alles in allem, denke ich, ist erstens klarzumachen, dass es Erwartungen sind, die die Wechselkurse bestimmen, Erwartungen in Wachstum, Erwartungen in Rendite und dass eben hier die Erwartungen in den letzten Wochen korrigiert worden sind, und wir es weltweit eher den Amerikanern zutrauen, schnell zu wachsen, höhere Renditen zu erzielen, als den Europäern. Und zweitens, und das scheint mir in der Diskussion unterzugehen, darf man von Geldpolitik überhaupt gar nicht erst erwarten, dass sie es schafft, Wachstumsprozesse auszulösen. Geldpolitik ist da, um Konjunktur zu steuern, aber nicht um Wachstum auszulösen.
Spengler: Also, das stimmt dann auch nicht, was da gestern gemeldet wurde, dass der Euro in Deutschland als Wachstumsbremse wirkt?
Straubhaar: Das kann schon in einem gewissen Maße den einen oder anderen makroökonomischen, realwirtschaftlichen Prozess beeinflussen, beispielsweise kann in der Tat Deutschland gegenüber seinen anderen europäischen Euro-Partnern jetzt nicht mehr strukturelle Probleme oder konjunkturelle Schwächephasen durch Abwertung abwälzen. Das ist ein Ventil, das wir mit dem Euro gegenüber den europäischen Partnerländern verschlossen haben. Von daher gesehen sind alle anderen Ventile, alle anderen Kanäle um so stärker gefordert, Anpassungsprozesse abzufedern. Und da hat eben Deutschland ein Problem, dass wir beim Arbeitsmarkt, dass wir bei anderen strukturellen Fragen nicht mit der notwendigen Flexibilität auf Veränderungen reagieren können.
Spengler: Stimmt es denn, dass Deutschland mit dem Euro einen Realzinsvorteil verloren haben soll, was auch eben im Bericht gesagt wurde, und was heißt das eigentlich genau?
Straubhaar: Natürlich hat das in dem Sinne etwas an sich: Früher war in Deutschland das Zinsniveau, also jene Kosten, die die Einzelnen zu tragen hatten, wenn sie sich verschulden wollten, tiefer, als beispielsweise in Italien oder in Ländern, in den hohe Inflationserwartungen dazu geführt haben, dass die Menschen insgesamt eine Risikozuschlag bei der Verschuldung haben bezahlen müssen. Das haben die anderen Länder mit den Euro so jetzt nicht mehr zu tragen, von daher ist es doch ein Glück für Europa insgesamt, dass eben gerade die südlichen Länder - diejenigen Länder, die vorher diese Risikoprämie zu zahlen hatten - aufgeholt haben, Stabilität gewonnen haben, von daher attraktiver geworden sind, auch für Investitionen, auch in der Lage sind, deutsche Produkte stärker nachzufragen, weil sie schneller wachsen. Von daher gesehen, hängt so vieles zusammen, dass wir jetzt nicht isoliert sagen können, nur weil die anderen Länder aufgeholt haben, ist Deutschland schlechter geworden. Darüber sollten wir uns freuen und sehen, dass Deutschland sehr, sehr in starken Maße von dieser hinzugewonnenen Stabilität in den anderen Euro-Ländern profitiert.
Spengler: 90 Prozent der Deutschen beklagen dauerhafte Preissteigung, die es durch den Euro gegeben hat. 56 Prozent wollen auch heute noch die D-Mark zurück. Wäre das sinnvoll?
Straubhaar: Also das ist eine Diskussion, da stimme ich dem Bundesbankpräsidenten vollumfänglich zu, die ich für absurd halte. Ich denke, die Kosten, die damit verbunden wären, wenn Deutschland schon nur im entferntesten darüber zu sprechen beginnt und es dann tatsächlich umsetzen sollte, aus dieser Euro-Zone rauszutreten, sozusagen wieder die alte D-Mark hervorzuholen, das würde makroökonomische, realwirtschaftliche Kosten in einem Maße bereiten, dass es mir gar nicht irgendwie jetzt darum geht, das überhaupt vorstellen zu wollen. Das ist für mich unvorstellbar. Dass die Deutschen an der D-Mark festhalten möchten, das hat natürlich viel mit Psychologie zu tun, das kann ich auch gut nachvollziehen. Die D-Mark war eine Erfolgsgeschichte, sie hat viel Identität in Deutschland sichergestellt. Sie war etwas, was für die Nachkriegsgeneration ungemein gesellschaftlich das Zusammengehörigkeitsgefühl verstärkt hat. Das kann man gut nachvollziehen. Aber ich denke, wir müssen realistisch bleiben. Der Euro erfüllt das Ziel der Preisniveaustabilität, dass die Preise insgesamt vergleichsweise kaum gestiegen sind - einzelne Preise ja aber nicht das Preisniveau insgesamt.
Spengler: Ich danke Ihnen. Das war Professor Thomas Straubhaar, der Präsident des Hamburgischen Weltwirtschaftsarchivs.