Sicherheit wird groß geschrieben an der Johan de Wittlaan 9 in Den Haag. Wer das funkelnagelneue Gebäude von Eurojust betreten will, muss durch gleich mehrere Sicherheitsschleusen.
"I will open it for you."
Dahinter arbeiten, auf drei Etagen verteilt, die Eurojust-Vertreter der 28 europäischen Mitgliedsliedstaaten. Alles Staatsanwälte oder Richter. Der deutsche "Tisch", wie die nationalen Vertretungen genannt werden, befindet sich im dritten Stock, erklärt Klaus Meyer-Cabri auf dem Weg in sein Büro. Der 56jährige ist Eurojust-Vizepräsident und zugleich das nationale Mitglied, das Deutschland nach Den Haag entsandt hat:
"Wir haben neben uns direkt die Portugiesen, da hinten sitzen die Spanier, die Iren, Österreicher, Litauer, Polen - ein paar hab' ich noch vergessen."
Brückenbauer zwischen nationalen Rechtssystemen
Eurojust ist das für Staatsanwälte und Richter, was Europol für die Polizei ist. Egal, ob Geldwäsche, Drogen- und Menschenhandel, Cyber-Kriminalität, Betrug oder Terror: Sobald es um grenzüberschreitende Kriminalität geht, bieten die Eurojust-Experten den nationalen Strafverfolgern und Gerichten Hilfe bei den Ermittlungen an. Selbst ermitteln dürfen sie zwar nicht. Aber beraten und unterstützen, vermitteln und koordinieren.
Eurojust schafft nicht nur Sprachprobleme aus dem Weg, sondern auch die Hürden, die durch die unterschiedlichen Gesetzgebungen entstehen. Denn eines dürfe nicht vergessen werden, so Meyer-Cabri:
"Es gibt kein europäisches Prozessrecht. Es gibt keine europäische Strafgerichtsordnung. Was Sie brauchen, und das ist dann wieder Eurojust, ist die Brücke zwischen diesen Systemen.
Bei uns geht es darum, dass Verfahren schneller und einfacher über die Bühne gehen und Hindernisse ausgeräumt werden."
Eines der jüngsten Beispiele: die Verurteilung der Anführer einer Diebesbande aus Litauen, die in deutschen Städten Autos und Ersatzteile gestohlen hat. Entscheidend war es, an die Drahtzieher heranzukommen - doch das ging nur in enger Zusammenarbeit mit der litauischen Justiz:
"Der deutsche Staatsanwalt ruft bei mir an. Beschreibt mir den Fall, fragt: 'Kannst du mir helfen?' - So einfach ist das. Und ich sage ja. Ich regle dann mit meiner litauischen Kollegin die Dinge, die mit Litauen zu machen sind. Die weiß genau, wen sie ansprechen muss."
Beide Seiten werden dann zusammengebracht, lernen sich kennen, bauen Vertrauen auf und können dank Simultandolmetschern in ihrer Muttersprache miteinander kommunzieren:
"Im Endeffekt haben wir einen großen Zugriffstag gemacht, wo ungefähr 1.000 Polizisten in beiden Staaten eingesetzt waren. Es wurden potenzielle Täter festgenommen. Es wurden unglaublich viele Autos, Autobestandteile, Geld und Uhren sichergestellt. Der Haupttäter, der in Litauen vor Gericht stand, hat neun Jahre bekommen. In Deutschland war das höchste Urteil sieben Jahre. So stellt man sich das vor. Und dieses kriminelle Netzwerk wurde nicht nur kurzzeitig unterbrochen, sondern wirklich Schluss damit gemacht."
Attentatsorte auf dem Monitor
Was den Terror betrifft: Egal, ob Berlin, Brüssel oder Nizza - die Ermittlungen nach allen Anschlägen der letzten Zeit wurden auf Bitten der zuständigen Staatsanwaltschaften von Den Haag aus koordiniert. Dort ist ein spezieller Terror-Monitor aufgebaut worden, der sämtliche Entwicklungen, Fakten, Freisprüche und Verurteilungen in der EU sammelt. Terrorexperten aus ganz Europa treffen sich regelmäßig bei Eurojust, um Erfahrungen und Informationen auszutauschen. Und mindestens einmal im Jahr findet eine große Anti-Terrorkonferenz statt. Denn auch bei der Terrorbekämpfung setzen die Eurojust-Experten vor allem auf eines:
"Kommunikation, Kommunikation, Kommunikation."
Inzwischen wird Eurojust gut 2.300 Mal im Jahr um Hilfe gefragt, allein die Anfragen aus Deutschland stiegen in den letzten beiden Jahren um 200 Prozent. Dass es Eurojust gibt, hat sich herumgesprochen.
Und nicht nur in dieser Hinsicht hat sich seit der Gründung 2002 viel getan: Der europäische Haftbefehl und die europäische Rechtshilfekonvention sind Realität geworden. Staatsanwälte, Fahnder und Ermittler dürfen grenzüberschreitend in gemischten Ermittlungsgruppen zusammenzuarbeiten. Es gibt ein europäisches Vorstrafenregister. Aufgrund einer speziellen Anordnung können Ermittlungen in einem anderen Staat schneller und einfacher angefragt werden. Und ein Abkommen ermöglicht die Zusammenarbeit zwischen Eurojust und Europol.