Der Direktor der renommierten Brüsseler Denkfabrik Center for European Policy Studies, Daniel Gros, dämpft die vorherrschende Euphorie deshalb etwas:
"Ich würde eher sagen, die Bankenunion kam zu spät. Das hat die Krise verlängert. Wir haben jetzt Pläne für eine Europäische Bankenaufsicht, einen Europäischen Bankenrettungsfonds und so weiter. Aber all diese Institutionen arbeiten ja noch gar nicht. Sie existieren derzeit nur als Pläne. Aber zum Glück hat der Markt das schon antizipiert. Deswegen kann man sagen: Im Wesentlichen ist es so, als gäbe es die Bankenunion schon heute."
Tatsächlich wird die Europäische Bankenaufsicht, angesiedelt bei der Europäischen Zentralbank in Frankfurt, erst im November ihre neue Aufgabe wahrnehmen: die Kontrolle von rund 130 Großbanken in Europa. Der Abwicklungsmechanismus für marode Banken wiederum soll zum 1. Januar 2015 greifen, während der europäische Abwicklungsfonds im Januar 2016 an den Start geht. Der dann in den nächsten acht Jahren von den Banken selbst mit 55 Milliarden Euro gefüllt werden soll.
Außerdem gelten ab 2016 neue Haftungsregeln: erstmals sollen zunächst Gläubiger und Anleger bei einer Bankenschieflage in die Pflicht genommen werden. Ein Paradigmenwechsel, jubelte nicht zuletzt der verantwortliche EU-Binnenmarktkommissar Michel Barnier:
"Wir leiten hier nicht zuletzt eine Revolution im europäischen Bankensektor ein, sodass nicht mehr die Steuerzahler für Fehler der Banken gerade stehen müssen oder gleich eine Krise droht. Wir beenden die Ära der massiven Staatshilfen."
Handschrift des Parlaments sichtbar
Freilich, manche Beobachter sind etwas zurückhaltender. Der Fonds ist mit 55 Milliarden nicht gerade üppig ausgestattet und auch bei den anstehenden Stresstests für die Kreditinstitute könnten am Ende doch wieder die Staaten in die Bresche springen, um mögliche Kapitallücken zu schließen. Insgesamt aber befinde sich Europa mit seiner Bankenunion auf einem guten Weg, meint auch Ökonom Gros - was nicht zuletzt dem Europäischen Parlament zu verdanken sei. obwohl die Bankenunion ursprünglich ein Projekt der Staats- und Regierungschefs gewesen ist:
"Ich glaube, am Ende aber hat das Europäische Parlament bei vielen wichtigen Einzelfragen ein großes Gewicht gehabt. Und hat es geschafft, dass das, was wir erreicht haben, so aussieht, als wäre die Bankenunion schon in wenigen Jahren fast perfekt. Wenn man die ursprünglichen Ideen von deutscher Seite nimmt, dann hätte es vielleicht zehn Jahre gedauert. Jetzt dauert es nur zwei bis drei Jahre."
Noch ist das Projekt nicht ganz in trockenen Tüchern. Wichtige Details wie etwa die Höhe der Bankenbeiträge in den Abwicklungsfonds stehen noch aus, ebenso die Umsetzung einer europäischen Einlagensicherung. Doch gerade bei der hochkomplexen Bankenunion hat Europa bewiesen, dass es nicht nur handlungswillig, sondern durchaus auch handlungsfähig ist.