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Europa
"Bologna-Konferenzen werden zunehmend weniger wahrgenommen"

Vor der Bologna-Folgekonferenz im armenischen Jerewan treffen sich die europäischen Studierendenvertretungen. Isabella Albert vom Freien Zusammenschluss der StudentInnenschaften erhofft sich, dass Themen diskutier werden, die Einfluss auf die Studierenden haben. Bei der Umstellung auf den Bachelor sei weder der Name noch die Studiendauer das Problem, sondern was die Hochschulen daraus machen würden.

Isabella Albert im Gespräch mit Benedikt Schulz | 13.05.2015
    Studenten verfolgen in Köln in der Aula Universität eine Veranstaltung.
    Wenn nicht "alle Player an einem Strang ziehen", brauche die Umstellung eben ein paar Jahre, erklärt Isabella Adelbert von vom Freien Zusammenschluss der StudentInnenschaften. ( picture alliance / dpa / Oliver Berg)
    Benedikt Schulz: In der armenischen Hauptstadt Jerewan beginnt morgen die Bologna-Folgekonferenz. Und es ist bereits die achte. Auch mehr als 15 Jahre nach der Unterzeichnung der Bologna-Erklärung gibt es also beim Thema Bologna und europäischer Hochschulraum immer noch viel Diskussionsstoff. Nur ein Beispiel: Mobilität. Da sollte alles besser, alles beweglicher werden, das war eins der Hauptziele, aber ein Versprechen, das bislang eher unzureichend eingelöst wurde. Isabella Albert ist Vorstandsmitglied beim freien Zusammenschluss von StudentInnenschaften und sie ist bereits seit einer knappen Woche in Armenien. Denn dort findet vor der Bologna-Konferenz das Treffen der European Students Union, also der europäischen Studierendenvertretung statt. Und natürlich, dort wird auch über Bologna gesprochen. Hallo, Frau Albert!
    Isabella Albert: Hallo!
    Schulz: Welche Erwartungen haben Sie denn an diese Konferenz? Es ist ja, wie gesagt, nicht die erste.
    Albert: Ja, die Konferenzen werden ja zunehmend weniger wahrgenommen und ich würde mich freuen, wenn in Armenien diesmal was diskutiert wird, was auch wirklich wieder Einfluss auf die Studierenden hat. Es ist ja so, dass seit den ersten Konferenzen auch verschiedene Reparaturarbeiten immer wieder am Bologna-Prozess vorgenommen werden mussten, und ich würde mich freuen, wenn wir diesmal auch was zur akademischen Freiheit im Bologna-Prozess unterbringen könnten.
    "In Deutschland ist der Prozess viel zu strukturell angegangen worden"
    Schulz: Sie haben jetzt gerade schon Reparaturarbeiten angesprochen, also jetzt mehr als 15 Jahre nach dem Beginn, dazwischen gab es mehrere Bildungsstreiks. Wo liegen denn für Sie weiterhin große Baustellen, an denen man reparieren müsste?
    Albert: In Deutschland ist der Prozess viel zu strukturell angegangen worden. Es wurden eigentlich nur strukturelle Maßnahmen vom Bologna-Prozess angesetzt. Der Bologna-Prozess hat noch ganz viele inhaltliche Punkte, mit denen zusammen die strukturellen Dinge Sinn machen würden. So, wie es bisher umgesetzt wurde mit der Modularisierung der Studiengänge und den ECTS, wird es eigentlich dadurch an vielen Hochschulen in Deutschland schwieriger, sich Punkte aus dem Ausland anrechnen zu lassen oder Module anerkannt zu bekommen, was eigentlich ja damit erleichtert werden sollte.
    Schulz: In Deutschland - bleiben wir mal kurz bei uns im Land - ist ja in den vergangenen Wochen viel darüber diskutiert worden oder auch gestritten worden, was ist der Bachelor überhaupt noch wert als Abschluss. Haben wir denn jetzt einen Abschluss, 15 Jahre, nachdem man beschlossen hat, ihn einzuführen in Deutschland, den eigentlich keiner mehr haben will?
    Albert: Nein, das ist ja Quatsch. Also, nur weil ich einen Abschluss umbenenne und plötzlich Bachelor dazu sage, muss der Abschluss ja nicht automatisch schlecht sein. Das Problem ist ja nicht der Name des Abschlusses oder die Dauer des Studiengangs, sondern das, was die Hochschulen damit machen. Und was die Hochschulen damit machen, ist im Wesentlichen nicht durch den Bologna-Prozess bestimmt, sondern durch die einzelnen Landeshochschulgesetze. Aber viel stärker noch daraus, was die Rektorinnen und die Senate, aber auch die Professorinnen und Professoren in ihren Veranstaltungen umsetzen. Und wenn nicht diese ganzen Player an einem Strang ziehen, kann man so einen Studiengang nicht umstellen und braucht halt ein paar Jahre dafür.
    "Überall sollte die akademische Freiheit gewährleistet sein"
    Schulz: Sie haben gerade angesprochen, Sie wollen das Thema akademische Freiheit bei der Konferenz stärker in den Vordergrund rücken. Wie stellen Sie sich das konkret vor?
    Albert: Wenn man bei Bologna von Europa redet, meint man ja tatsächlich auch Staaten wie Aserbaidschan, Armenien und Russland. Wo natürlich die Kultur an den Hochschulen eine völlig andere ist. Trotzdem sollte überall akademische Freiheit gewährleistet sein. Und jetzt möchte dieses Mal Weißrussland gerne auch noch Mitglied bei diesem Prozess werden. Da sind wir Studierenden natürlich gegen. Es ist so, dass gerade erst im Dezember Studierende in Weißrussland festgenommen wurden. Und wenn jetzt der weißrussische Präsident ankommt und sagt, er steht zu den Zielen von Bologna, kann das natürlich eigentlich nicht sein. Und deswegen wollen wir, dass alle Länder, die beim Bologna-Prozess dabei sind, sich dazu verpflichten, zur akademischen Freiheit zu stehen, weil das eigentlich eine Grundlage ist, auf der dieser ganze Prozess laufen sollte.
    Schulz: Sie haben jetzt in den vergangenen Tagen ja mit vielen anderen Studierenden aus dem Bologna-Raum Erfahrungen ausgetauscht. Was erzählen die, wie wird denn der Bologna-Prozess in anderen Ländern bewertet?
    Albert: Während wir in Deutschland ja relativ häufig Kritik äußern, dass unsere Studiengänge zu stark verwirtschaftlicht wurden oder die Employability eine zu hohe Rolle spielt, wird diese Kritik so konkret fast nur von den Schweizerinnen geäußert. Dann haben wir in den Niederlanden zum Beispiel auch das Problem, dass Weiterbildungsstudiengänge eingeführt werden sollen und dass die kostenpflichtig sind. In den südosteuropäischen Ländern sind die Studierenden eigentlich sehr zufrieden mit dem Bologna-Prozess, da sie die Wahrnehmung haben, dass viele ihrer sehr, sehr konservativen Professorinnen weniger Macht dadurch haben, das unabhängige Agenturen vorbeikommen, ihre Studiengänge akkreditieren und von oben vorgegeben werden. An diesen Hochschulen hat es zum Beispiel auch viel mit der Korruptionsbekämpfung zu tun, was im Bologna-Prozess passiert. Sodass wir wirklich alle an sehr unterschiedlichen Punkten im Bologna-Prozess sind.
    Schulz: Es handelt sich ja um eine Ministerkonferenz. Jetzt ist es so, dass ausgerechnet die Bundesbildungsministerin Johanna Wanka nicht mitfährt, sondern ihre Staatssekretärin nach Jerewan schickt. Wie finden Sie das?
    Albert: Ja. Mir ist das so erklärt worden, dass man als Bundesbildungsministerin natürlich nicht drei Tage irgendwo hinfährt, um zwei Minuten Redezeit zu haben. Dafür ist ihr der Bologna-Prozess offensichtlich nicht wichtig genug. Das ist aber insgesamt in Westeuropa zu beobachten, nur die Franzosen kommen mit Minister. Weil die die nächste Bologna-Konferenz ausrichten wollen, hat der offensichtlich erkannt, dass das für ihn wichtig genug ist. Ich finde es nicht so schlecht, wenn im Bologna-Prozess die Sachen auch von Leuten mit richtig Ahnung verhandelt werden, deswegen finde ich das nicht so schlimm.
    Schulz: Sagt Isabella Albert, Vorstandsmitglied beim freien Zusammenschluss von StudentInnenschaften, sie ist derzeit in Jerewan in Armenien. Ganz herzlichen Dank!
    Albert: Danke schön!
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.