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Europa
Gabriel fordert mehr gemeinsame internationale Außenpolitik

Außenminister Sigmar Gabriel hat im Rahmen einer Rede beim Berliner Forum Außenpolitik der Körberstiftung für ein "mehr an Europa" geworben. Bisher bewährte Prinzipien wie Multilateralismus, Völkerrecht und Menschenrechte würden immer öfter infrage gestellt. Darauf könne es aus Gabriels Sicht nur eine Antwort geben.

Von Paul Vorreiter |
    Außenminister Gabriel im Bundestag
    Sigmar Gabriel wirbt für ein "mehr an Europa" (dpa Michael Kappeler)
    In Zeiten unklarer künftiger Regierungsverhältnisse kommt Bundesaußenminister Sigmar Gabriel schon einmal zu außergewöhnlichen Analysen. Zu Beginn seiner Rede zu außenpolitischen Herausforderungen Deutschlands bei der Körber-Stiftung in Berlin sagte er: Die größte Gefahr für Politiker ist die, wenn Menschen erkennen, dass das Leben auch ganz gut ohne Regierung abläuft. Doch auf internationalem Parkett - da ist sich Gabriel sicher - braucht es Politiker unbedingt, und im Besonderen eine neue deutsche Außenpolitik, die mehr Verantwortung in Europa und der Welt übernimmt und sich nicht länger auf die USA verlässt. - Die Vereinigten Staaten würden in Europa und Deutschland zunehmend einen ökonomischen Wettbewerber sehen und dieser Paradigmenwechsel dürfte über die Präsidentschaft von Donald Trump hinausreichen:
    "Die Selbstverständlichkeit, mit der wie die US-amerikanische Rolle trotz gelegentlichen Zwistes als behütend gesehen haben, beginnt also längst zu bröckeln, trotzdem werden die USA unser wichtigster globaler Partner bleiben müssen. es gibt keinen Zweifel."
    Und das trotz mehrerer Interessenskonflikte, die Gabriel nennt. Sanktionen des US-Kongresses diesen Sommer gegen Russland, die deutsche Pipelines beträfen, eine Auflösung des Atomabkommens mit dem Iran und:
    "Es gibt Hinweise, dass die USA in den kommenden Tagen, Jerusalem als Hauptstadt Israels anerkennen möchten. Wir alle wissen, welche weitreichenden Konsequenzen ein solcher Schritt haben würde."
    Doch nicht nur die Politik der USA bereitet Gabriel Sorgen. Er schilderte, wie machtpolitisches Vakuum durch Staaten wie Russland, China, den Iran oder die Türkei gefüllt würde.
    Hinzu käme, dass bewährte Prinzipien wie Multilateralismus, Völkerrecht und die Menschenrechte zunehmend infrage gestellt würden. Und nicht nur das:
    "Mit der Annexion der Krim hat Russland die territoriale Souveränität der Ukraine und das Gewaltverbot der UN-Charta verletzt, das Klimaabkommen von Paris leidet unter der Absage der USA und ebenso steckt die multilaterale Ordnung des internationalen Handels in der Kritik."
    Jede Menge Betätigungsfelder
    Jede Menge Betätigungsfelder also in der internationalen Politik, bei der unklar ist, wer die globale Verantwortung übernehmen wird. Gabriel skizziert die Vision einer sog. "G0"-Welt, in der die Führungsrolle nicht mehr klar vergeben wird.
    Nach Ansicht des Bundesaußenministers könnte es aber auch auf eine mehrpolige Welt hinauslaufen, in der sich Staaten auf verbindliche Regeln einigen.
    "Es wird Sie nicht überraschen, dass die Option jedenfalls meine bevorzugte wäre, ob sie eine Chance hat oder nicht, hängt auch vom Selbstverständnis und vom Beitrag der Europäischen Union ab."
    Die Zeichen stehen auf "mehr Europa"
    Die Zeichen stehen also auf "mehr Europa". Gabriel sprach sich für ein stärkere, gemeinsamen europäische Außenpolitik aus, die auch das Gespräch mit Russland sucht. Gabriel bezeichnete es als großen Fortschritt, wenn man sich mit Russland auf eine UN-Blauhelmmission in der Ostukraine einigen würde.
    Motor einer vertieften europäischen Außenpolitik müssten Deutschland und Frankreich sein. Neben einer schon begonnenen, stärkeren gemeinsamen Verteidigungspolitik, müsse es eine besser abgestimmte Währungs- und Finanzpolitik geben. Gabriel plädierte dafür, die Reformvorschläge des französischen Präsidenten Macrons aufzugreifen:
    "Das wird uns viele ernste Diskussionen über Wirtschafts- und Finanzfragen bescheren und auch in der Sicherheitspolitik sind wir gefordert, gemeinsame Linien zwischen Deutschland und Frankreich für Europa zu finden.
    Vielleicht muss Frankreich in Finanzfragen etwas deutscher und Deutschland in der Sicherheitspolitik etwas französischer werden."
    Eine deutsch-französische Annäherung - auf die wird es laut Gabriel also ankommen. Bleibt abzuwarten, wie die kommende Bundesregierung diese Vision mit Leben füllt.