Christoph Heinemann: In Spanien nennt sich eine ganze Alterskohorte danach, Generation Ceró, die Null-Generation. Das sind die 20- bis 35-Jährigen, die arbeiten wollen, aber keinen Job bekommen. Viele wohnen bei ihren Eltern mit Folgen für das Selbstwertgefühl oder etwa die Familienplanung, die man sich leicht vorstellen kann. Die Staats- und Regierungschefs der Europäischen Union wollen nun sechs Milliarden Euro für diese jungen Bürgerinnen und Bürger bereitstellen. Und garniert mit den üblichen britischen Bremsspuren haben sich die Regierenden auf den Haushalt der Europäischen Union geeinigt.
- Am Telefon ist Manfred Weber (CSU), der stellvertretende Vorsitzende der EVP-Fraktion im Europäischen Parlament. Das ist der Zusammenschluss christdemokratischer und konservativer Parteien. Guten Morgen!
Manfred Weber: Guten Morgen, Herr Heinemann.
Heinemann: Herr Weber, sechs Milliarden für die Jugend, 700 Milliarden für die Banken – stimmt die Gewichtung?
Weber: Man stutzt zunächst natürlich, aber es wäre nicht fair, jetzt die Zahlen gegeneinander auszuspielen. Mit dem Rettungsschirm von 700 Milliarden haben wir unser Finanzsystem in Europa stabilisiert, auch ein Stück weit unsere Art zu leben, uns zu finanzieren, unsere Gesellschaft zusammenzuhalten. Die Auswirkungen eines Scheiterns wären katastrophal gewesen. Und man sollte auch durchaus mal froh sein, dass wir jetzt bei so einem Gipfel, wie wir ihn jetzt aktuell erleben, nicht wieder im Extremkrisenmodus sind, sondern ein Stück weit normale europäische Politik machen.
Auf der anderen Seite sind die sechs Milliarden jetzt ein gutes Signal und ich kann die Kanzlerin gut verstehen, wenn sie sagt, jetzt lasst uns bitte nicht über neue Töpfe reden, sondern lasst uns einfach mal das Geld, das wir bereitgestellt haben – sechs Milliarden ist ja auch eine schöne Summe -, lasst uns die einfach mal abwickeln, lasst das so anwenden, dass die jungen Menschen was davon spüren.
Heinemann: 5,6 Millionen junge Arbeitslose – ist das normal?
Weber: Das ist sicher nicht normal und ist auch eine Auswirkung der Krise. Deswegen ist das Signal: Europa hilft jetzt, Europa gibt Geld, um den jungen Menschen zu sagen, spätestens vier Monate nach Abschluss deiner Schulausbildung hast du entweder einen Job oder eine weitere Ausbildungsgarantie. Dieses Signal ist wichtig und richtig und übrigens auch für uns Deutsche, obwohl wir mit ungefähr sieben Prozent Jugendarbeitslosigkeit in Deutschland kein Problem haben. Es ist auch unsere Pflicht jetzt, Griechenland und Spanien, die über 50 Prozent Jugendarbeitslosigkeit haben, jetzt zu helfen.
Man muss aber den Südländern auch sagen, es ist nicht nur Geld. Es ist zum Beispiel in Spanien auch das Problem, dass die Ausbildungssysteme nicht funktionieren. Die duale Ausbildung, die wir in Deutschland haben, gibt es dort nicht. Und man muss auch sagen, dass die Arbeitsmärkte noch zu starr sind. Das heißt, die heutigen Veränderungen auf den Arbeitsmärkten werden vor allem den Jungen aufgelastet, weil sozusagen die bestehenden Arbeitsplätze so stark gesichert sind.
Heinemann: Herr Weber, noch mal zur Summe. Sechs Milliarden für 5,6 Millionen Arbeitslose. Das ist doch eher ein symbolischer Betrag?
Weber: Nein, das ist kein symbolischer Betrag. Das ist viel Geld und da geht es jetzt darum, das praktisch anzuwenden. Wir können ja nicht Arbeitsplätze kaufen. Es geht ja nicht darum, jetzt den Betrieben so viel Geld zu geben, dass man die Arbeitsplätze kaufen kann.
Heinemann: Und wie soll man es dann machen?
Weber: Ganz konkret geht es um Gesetzgebung, die in nationaler Hand ist, duale Ausbildung, Arbeitsmärkte liberalisieren. Das gehört dazu. Was wir aber finanziell unterstützen können, ist zum Beispiel Mobilität zu verbessern in der Europäischen Union. Wir haben ein sehr umfangreiches Programm, um Studentenaustausch zu organisieren, was sehr erfolgreich läuft schon seit Jahren, dass junge Studenten in Europa mobil sind. Warum gelingt uns das nicht für Auszubildende? Wir in Bayern bräuchten zum Beispiel junge Menschen, die eine Ausbildung machen. Und warum sollte man das in Europa, in einem offenen Europa, wo wir zusammenwachsen wollen, warum sollte man das nicht besser organisieren.
Heinemann: Die gut Ausgebildeten sollten nach Deutschland kommen?
Weber: Diejenigen, die einen Ausbildungsplatz suchen, sollten nach Deutschland kommen, sollten hier eine Ausbildung durchführen. Und dann ist es für beide Seiten ein Vorteil, wenn die Hälfte hier bleibt und die Hälfte auch wieder zurückgeht und dort gut qualifiziert sich vielleicht einen neuen Betrieb sucht, aufbaut, einen neuen Betrieb gründet und so weiter. Ich glaube, dass Mobilität schon einer der Ansätze ist, um die Jugendarbeitslosigkeit zu bekämpfen. Das hatten wir in Deutschland, wenn Sie sich erinnern, mit den neuen Ländern, wo wir Mobilität verstärkt haben. Und warum sollte das in Europa nicht auch möglich sein.
Heinemann: Herr Weber, Sie haben das duale System der Ausbildung genannt. Gibt es überhaupt noch eine Bereitschaft, Deutschland als Vorbild zu akzeptieren. Oder hat sich die Bundesregierung da viel zu oberlehrerhaft in den letzten Monaten verhalten?
Weber: Ich glaube – und das ist auch mein Gefühl, wenn ich mit Kollegen im Europäischen Parlament spreche -, dass schon allen klar ist, dass das irgendwie in Deutschland ganz gut funktioniert. Die machen das schon irgendwie ganz gut, sonst hätten die die Zahlen nicht da in Deutschland. Deswegen gibt es schon Bereitschaft, sich unser Modell anzuschauen und auch darüber nachzudenken, welche Punkte aus unserem Modell dann in Spanien, in Italien umsetzbar sind.
Heinemann: Also wird in Europa Deutsch gesprochen?
Weber: Ja. Allerdings – das wäre der zweite Satz – dürfen wir Deutschen natürlich nicht oberlehrerhaft auftreten. Es hat in Europa auch etwas mit Vermittlung zu tun, mit der Art, wie man Themen anspricht. Und da sollten wir nicht oberlehrerhaft auftreten, sondern partnerschaftlich. Das ist das, was wir jetzt versuchen, und das ist gut.
Heinemann: Was bedeutet es für eine Gesellschaft und für die Demokratie, wenn sich Jugendliche als Nullen bezeichnen?
Weber: Das ist eine schwere Hypothek für die Zukunft, keine Frage. Und deswegen muss jetzt auch viel getan werden, um zu helfen. Ich denke, wenn Europa sich überlegt, wie man Zukunft gestaltet, dann ist die zentralste Frage, der jungen Generation eine Perspektive zu geben. Wenn junge Menschen heute nach der Ausbildung, nach der Schulausbildung von der Gesellschaft das Signal bekommen, ihr werdet nicht gebraucht, wir haben keine Verwendung für euch, dann ist das für einen jungen Menschen ein Desaster. Um das zu verhindern, um das in den Griff zu kriegen, um diesen Menschen Perspektive zu geben, brauchen wir genau diese Maßnahmen.
Heinemann: Und kann man dann jetzt weiter kleckern, bis auch der Letzte die Demokratie für unfähig hält, oder muss man jetzt nicht dringend klotzen?
Weber: Ich würde sagen, dass sechs Milliarden Euro ein ordentlicher Beitrag sind. Und konkret betrifft den Jugendlichen in Italien und Spanien weniger die Theoriedebatte in Europa, wie viele Milliarden Euro wir bereitstellen, sondern den betrifft viel konkreter und viel praktischer, was passiert jetzt konkret. Da muss jetzt schnell gearbeitet werden, ab Januar 2014 stehen die neuen Mittel bereit, weil dann der neue Haushalt läuft. Und dann muss der Jugendliche was spüren. An diesem Kriterium würde ich festmachen, ob die Maßnahme wirkt. Jean-Claude Juncker hat darauf verwiesen, dass '97 damals auch bei größeren wirtschaftlichen Problemen die EU damals schon eine Jugendgarantie beschlossen hat und sie nur teilweise umgesetzt worden ist. Deswegen nicht über Theorie, nicht über Summen reden, sondern in der Praxis wirken lassen.
Heinemann: Herr Weber, Sie sprachen eben von einer Hypothek für die Zukunft. Diese Zukunft könnte im nächsten Jahr uns alle schon ereilen. Kleiner Exkurs: In Frankreich ist der rechtsradikale Front National auf dem Vormarsch, und zwar richtig auf dem Vormarsch. Folge könnte es zum Beispiel sein, dass nach den Europawahlen im nächsten Jahr das Parlament durch europakritische Abgeordnete komplett gelähmt ist. So schnell kann's gehen!
Weber: Ja, die Sorge teile ich nicht. Wir haben sicher europaweit Rechtspopulisten, auch Linkspopulisten, die Europa infrage stellen. Aber ich bin überzeugt, dass die Menschen in Europa wissen, dass nur mit Partnerschaft die Probleme zu lösen sind. Und dass Europa auch handlungsfähig ist. Wir haben diese Woche die Einigung über die Bankenrettung, die hoffentlich einen Beitrag leistet, die Kreditklemme in Europa zu lösen, damit wieder investiert wird. Wir haben die Einigung über den EU-Haushalt, ein enormer wichtiger Schritt, den wir vorangebracht haben.
Heinemann: ... nach langem Zaudern der Briten!
Weber: Ja, natürlich wird diskutiert. Natürlich wird auch gestritten in Europa. Das muss doch auch so sein. Wenn wir aber jetzt durchsetzen, dass Europa insgesamt ein Stück weit spart, dass Europa keine Schulden macht, was sehr, sehr wichtig ist, und dass wir mehr Flexibilität bekommen – Europa kommt voran! Diese Woche die Einigung zur Landwirtschaft. Es ist so, dass wir uns einigen. Und das ist das Signal, das wir den Menschen geben müssen. Wir dürfen ringen, wir dürfen streiten, Europa wird auch immer stärker klassische Innenpolitik, wo Interessen nun mal hart auseinandergesetzt werden und auch diskutiert werden. Aber am Ende kommen wir voran. Und das wird die Menschen für die Europawahlen interessieren und hoffentlich auch überzeugen, dass nicht die Rechtspopulisten die Antworten geben, sondern seriöse politische Kräfte.
Heinemann: Manfred Weber (CSU), der stellvertretende Fraktionsvorsitzende der EVP im Europäischen Parlament. Danke schön für das Gespräch und auf Wiederhören.
Weber: Ich bedanke mich. Auf Wiederhören!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
- Am Telefon ist Manfred Weber (CSU), der stellvertretende Vorsitzende der EVP-Fraktion im Europäischen Parlament. Das ist der Zusammenschluss christdemokratischer und konservativer Parteien. Guten Morgen!
Manfred Weber: Guten Morgen, Herr Heinemann.
Heinemann: Herr Weber, sechs Milliarden für die Jugend, 700 Milliarden für die Banken – stimmt die Gewichtung?
Weber: Man stutzt zunächst natürlich, aber es wäre nicht fair, jetzt die Zahlen gegeneinander auszuspielen. Mit dem Rettungsschirm von 700 Milliarden haben wir unser Finanzsystem in Europa stabilisiert, auch ein Stück weit unsere Art zu leben, uns zu finanzieren, unsere Gesellschaft zusammenzuhalten. Die Auswirkungen eines Scheiterns wären katastrophal gewesen. Und man sollte auch durchaus mal froh sein, dass wir jetzt bei so einem Gipfel, wie wir ihn jetzt aktuell erleben, nicht wieder im Extremkrisenmodus sind, sondern ein Stück weit normale europäische Politik machen.
Auf der anderen Seite sind die sechs Milliarden jetzt ein gutes Signal und ich kann die Kanzlerin gut verstehen, wenn sie sagt, jetzt lasst uns bitte nicht über neue Töpfe reden, sondern lasst uns einfach mal das Geld, das wir bereitgestellt haben – sechs Milliarden ist ja auch eine schöne Summe -, lasst uns die einfach mal abwickeln, lasst das so anwenden, dass die jungen Menschen was davon spüren.
Heinemann: 5,6 Millionen junge Arbeitslose – ist das normal?
Weber: Das ist sicher nicht normal und ist auch eine Auswirkung der Krise. Deswegen ist das Signal: Europa hilft jetzt, Europa gibt Geld, um den jungen Menschen zu sagen, spätestens vier Monate nach Abschluss deiner Schulausbildung hast du entweder einen Job oder eine weitere Ausbildungsgarantie. Dieses Signal ist wichtig und richtig und übrigens auch für uns Deutsche, obwohl wir mit ungefähr sieben Prozent Jugendarbeitslosigkeit in Deutschland kein Problem haben. Es ist auch unsere Pflicht jetzt, Griechenland und Spanien, die über 50 Prozent Jugendarbeitslosigkeit haben, jetzt zu helfen.
Man muss aber den Südländern auch sagen, es ist nicht nur Geld. Es ist zum Beispiel in Spanien auch das Problem, dass die Ausbildungssysteme nicht funktionieren. Die duale Ausbildung, die wir in Deutschland haben, gibt es dort nicht. Und man muss auch sagen, dass die Arbeitsmärkte noch zu starr sind. Das heißt, die heutigen Veränderungen auf den Arbeitsmärkten werden vor allem den Jungen aufgelastet, weil sozusagen die bestehenden Arbeitsplätze so stark gesichert sind.
Heinemann: Herr Weber, noch mal zur Summe. Sechs Milliarden für 5,6 Millionen Arbeitslose. Das ist doch eher ein symbolischer Betrag?
Weber: Nein, das ist kein symbolischer Betrag. Das ist viel Geld und da geht es jetzt darum, das praktisch anzuwenden. Wir können ja nicht Arbeitsplätze kaufen. Es geht ja nicht darum, jetzt den Betrieben so viel Geld zu geben, dass man die Arbeitsplätze kaufen kann.
Heinemann: Und wie soll man es dann machen?
Weber: Ganz konkret geht es um Gesetzgebung, die in nationaler Hand ist, duale Ausbildung, Arbeitsmärkte liberalisieren. Das gehört dazu. Was wir aber finanziell unterstützen können, ist zum Beispiel Mobilität zu verbessern in der Europäischen Union. Wir haben ein sehr umfangreiches Programm, um Studentenaustausch zu organisieren, was sehr erfolgreich läuft schon seit Jahren, dass junge Studenten in Europa mobil sind. Warum gelingt uns das nicht für Auszubildende? Wir in Bayern bräuchten zum Beispiel junge Menschen, die eine Ausbildung machen. Und warum sollte man das in Europa, in einem offenen Europa, wo wir zusammenwachsen wollen, warum sollte man das nicht besser organisieren.
Heinemann: Die gut Ausgebildeten sollten nach Deutschland kommen?
Weber: Diejenigen, die einen Ausbildungsplatz suchen, sollten nach Deutschland kommen, sollten hier eine Ausbildung durchführen. Und dann ist es für beide Seiten ein Vorteil, wenn die Hälfte hier bleibt und die Hälfte auch wieder zurückgeht und dort gut qualifiziert sich vielleicht einen neuen Betrieb sucht, aufbaut, einen neuen Betrieb gründet und so weiter. Ich glaube, dass Mobilität schon einer der Ansätze ist, um die Jugendarbeitslosigkeit zu bekämpfen. Das hatten wir in Deutschland, wenn Sie sich erinnern, mit den neuen Ländern, wo wir Mobilität verstärkt haben. Und warum sollte das in Europa nicht auch möglich sein.
Heinemann: Herr Weber, Sie haben das duale System der Ausbildung genannt. Gibt es überhaupt noch eine Bereitschaft, Deutschland als Vorbild zu akzeptieren. Oder hat sich die Bundesregierung da viel zu oberlehrerhaft in den letzten Monaten verhalten?
Weber: Ich glaube – und das ist auch mein Gefühl, wenn ich mit Kollegen im Europäischen Parlament spreche -, dass schon allen klar ist, dass das irgendwie in Deutschland ganz gut funktioniert. Die machen das schon irgendwie ganz gut, sonst hätten die die Zahlen nicht da in Deutschland. Deswegen gibt es schon Bereitschaft, sich unser Modell anzuschauen und auch darüber nachzudenken, welche Punkte aus unserem Modell dann in Spanien, in Italien umsetzbar sind.
Heinemann: Also wird in Europa Deutsch gesprochen?
Weber: Ja. Allerdings – das wäre der zweite Satz – dürfen wir Deutschen natürlich nicht oberlehrerhaft auftreten. Es hat in Europa auch etwas mit Vermittlung zu tun, mit der Art, wie man Themen anspricht. Und da sollten wir nicht oberlehrerhaft auftreten, sondern partnerschaftlich. Das ist das, was wir jetzt versuchen, und das ist gut.
Heinemann: Was bedeutet es für eine Gesellschaft und für die Demokratie, wenn sich Jugendliche als Nullen bezeichnen?
Weber: Das ist eine schwere Hypothek für die Zukunft, keine Frage. Und deswegen muss jetzt auch viel getan werden, um zu helfen. Ich denke, wenn Europa sich überlegt, wie man Zukunft gestaltet, dann ist die zentralste Frage, der jungen Generation eine Perspektive zu geben. Wenn junge Menschen heute nach der Ausbildung, nach der Schulausbildung von der Gesellschaft das Signal bekommen, ihr werdet nicht gebraucht, wir haben keine Verwendung für euch, dann ist das für einen jungen Menschen ein Desaster. Um das zu verhindern, um das in den Griff zu kriegen, um diesen Menschen Perspektive zu geben, brauchen wir genau diese Maßnahmen.
Heinemann: Und kann man dann jetzt weiter kleckern, bis auch der Letzte die Demokratie für unfähig hält, oder muss man jetzt nicht dringend klotzen?
Weber: Ich würde sagen, dass sechs Milliarden Euro ein ordentlicher Beitrag sind. Und konkret betrifft den Jugendlichen in Italien und Spanien weniger die Theoriedebatte in Europa, wie viele Milliarden Euro wir bereitstellen, sondern den betrifft viel konkreter und viel praktischer, was passiert jetzt konkret. Da muss jetzt schnell gearbeitet werden, ab Januar 2014 stehen die neuen Mittel bereit, weil dann der neue Haushalt läuft. Und dann muss der Jugendliche was spüren. An diesem Kriterium würde ich festmachen, ob die Maßnahme wirkt. Jean-Claude Juncker hat darauf verwiesen, dass '97 damals auch bei größeren wirtschaftlichen Problemen die EU damals schon eine Jugendgarantie beschlossen hat und sie nur teilweise umgesetzt worden ist. Deswegen nicht über Theorie, nicht über Summen reden, sondern in der Praxis wirken lassen.
Heinemann: Herr Weber, Sie sprachen eben von einer Hypothek für die Zukunft. Diese Zukunft könnte im nächsten Jahr uns alle schon ereilen. Kleiner Exkurs: In Frankreich ist der rechtsradikale Front National auf dem Vormarsch, und zwar richtig auf dem Vormarsch. Folge könnte es zum Beispiel sein, dass nach den Europawahlen im nächsten Jahr das Parlament durch europakritische Abgeordnete komplett gelähmt ist. So schnell kann's gehen!
Weber: Ja, die Sorge teile ich nicht. Wir haben sicher europaweit Rechtspopulisten, auch Linkspopulisten, die Europa infrage stellen. Aber ich bin überzeugt, dass die Menschen in Europa wissen, dass nur mit Partnerschaft die Probleme zu lösen sind. Und dass Europa auch handlungsfähig ist. Wir haben diese Woche die Einigung über die Bankenrettung, die hoffentlich einen Beitrag leistet, die Kreditklemme in Europa zu lösen, damit wieder investiert wird. Wir haben die Einigung über den EU-Haushalt, ein enormer wichtiger Schritt, den wir vorangebracht haben.
Heinemann: ... nach langem Zaudern der Briten!
Weber: Ja, natürlich wird diskutiert. Natürlich wird auch gestritten in Europa. Das muss doch auch so sein. Wenn wir aber jetzt durchsetzen, dass Europa insgesamt ein Stück weit spart, dass Europa keine Schulden macht, was sehr, sehr wichtig ist, und dass wir mehr Flexibilität bekommen – Europa kommt voran! Diese Woche die Einigung zur Landwirtschaft. Es ist so, dass wir uns einigen. Und das ist das Signal, das wir den Menschen geben müssen. Wir dürfen ringen, wir dürfen streiten, Europa wird auch immer stärker klassische Innenpolitik, wo Interessen nun mal hart auseinandergesetzt werden und auch diskutiert werden. Aber am Ende kommen wir voran. Und das wird die Menschen für die Europawahlen interessieren und hoffentlich auch überzeugen, dass nicht die Rechtspopulisten die Antworten geben, sondern seriöse politische Kräfte.
Heinemann: Manfred Weber (CSU), der stellvertretende Fraktionsvorsitzende der EVP im Europäischen Parlament. Danke schön für das Gespräch und auf Wiederhören.
Weber: Ich bedanke mich. Auf Wiederhören!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.